Bundeskanzler Friedrich Merz setzte bei seiner ersten Regierungserklärung im Bundestag den Schwerpunkt auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik. picture alliance/REUTERS/Annegret Hilse

Bundeskanzler Friedrich Merz setzte bei seiner ersten Regierungserklärung im Bundestag den Schwerpunkt auf die Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Foto: picture alliance/REUTERS/Annegret Hilse

14.05.2025
Von Yann Bombeke

Bundeskanzler Merz: Bundeswehr soll konventionell stärkste Armee in Europa werden

Seit einer Woche ist die neue Regierung im Amt – nun hat sie im Bundestag ihre Vorhaben für die kommende Legislaturperiode skizziert. Die Ukraine soll weiter unterstützt, der von Russland ausgehenden Bedrohung eine starke Bundeswehr als Instrument der Abschreckung entgegengesetzt werden.

Berlin. Es war nicht die Wirtschaftspolitik, die der eine Woche zuvor zum Bundeskanzler gewählte Friedrich Merz (CDU) in den Mittelpunkt seiner ersten Regierungserklärung setzte, es war die Außen- und Sicherheitspolitik. Allein dies zeigt, wie sehr sich die Prioritäten in Europa seit dem 24. Februar 2022, seit dem Beginn des vollumfänglichen Angriffs Russlands auf die Ukraine, verschoben haben. Bundeskanzler Merz machte deutlich, worauf er in dieser Legislaturperiode setzt, um der russischen Aggression zu begegnen: Auf Abschreckung, ermöglicht durch ein militärisch wie politische starkes Deutschland in einem starken Europa.

Merz machte deutlich, wie sich die aktuelle Lage darstellt: „80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und im 35. Jahr der Wiedervereinigung unseres Landes wird unsere Freiheit durch die Gegner und die Feinde unserer liberalen Demokratie so sehr angegriffen wie selten zuvor.“  Um diesen Bedrohungen zu begegnen, setzt die Bundesregierung auf ein starkes, geschlossen agierendes Europa. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt war der CDU-Politiker zunächst nach Paris und nach Warschau gereist, um danach gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem britischen Premier Keir Starmer und dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew zu besuchen. „Uns alle eint, dass wir uns einen gerechten, dauerhaften, tragfähigen Frieden in der Ukraine wünschen – lieber heute als morgen“, sagte Friedrich Merz.

„Wir sind nicht unbeteiligte Dritte“

Der Bundeskanzler sagte zu, die Ukraine weiterhin „kraftvoll zu unterstützen“. Merz weiter: „Dabei ist klar: Wir sind nicht Kriegspartei und werden es auch nicht werden. Aber wir sind auch nicht unbeteiligte Dritte. Oder neutrale Vermittler. Es darf kein Zweifel daran aufkommen, wo wir stehen, nämlich ohne Wenn und Aber an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer und damit an der Seite der Menschen in Europa, die sich zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit bekennen, die in Freiheit und offenen Gesellschaften leben wollen.“ Merz warnte, dass sich Russland nicht mit der Ukraine zufriedengeben werde und verwies auf Giftattacken und Mordanschläge in Europa, auf Cyberangriffe, auf Sabotageakte, auf Spionage und systematische Desinformation. Merz machte klar: „Das ist ganz überwiegend das Werk der russischen Staatsführung und ihrer Helfer, auch hier bei uns im eigenen Land.“

Eine 30-tägige bedingungslose Waffenruhe, wie sie derzeit im Gespräch ist, könne „ein Fenster öffnen, in dem Friedensverhandlungen überhaupt erst möglich werden“, so Merz. Es sei von „überragender Bedeutung“, dass der politische Westen sich nicht spalten lasse. Der Ausgang des Krieges entscheide nicht nur über das Schicksal der Ukraine, sagte Merz, sondern auch darüber, „ob auch künftig Recht und Gesetz gelten in Europa und in der Welt oder Tyrannei und militärische Gewalt und das nackte Recht des Stärkeren“.

„Stärke schreckt Aggression ab“

Merz versprach, die eigene Verteidigungsfähigkeit und Verteidigungsbereitschaft beständig weiter auszubauen. „Dabei leitet uns ein ganz einfacher Grundsatz: Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen. Es gibt nur wenige Lehren aus der jüngeren Geschichte, die sich so passgenau auf die Gegenwart übertragen lassen wie diese, denn diese Lehre ist einfach: Stärke schreckt Aggression ab. Schwäche hingegen lädt zur Aggression ein.“

Die Bundesregierung werde in Zukunft alle finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, die die Bundeswehr braucht, um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden. „Das ist dem bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich stärksten Land in Europa nicht mehr als angemessen“, sagte der Bundeskanzler. Dringenden Handlungsbedarf sieht Merz bei der personellen Einsatzbereitschaft und dem personellen Aufwuchs der Streitkräfte. „Wir werden deswegen zunächst einen neuen, attraktiven freiwilligen Wehrdienst schaffen. Es gibt viele junge Menschen in unserem Land, die bereit sind, diese Verantwortung zu übernehmen“, sagte der Regierungschef.

Pistorius: Beschaffung soll beschleunigt werden

Boris Pistorius ist der einzige Minister aus der vergangenen Regierung, der sein Amt weiter ausüben darf. Auch er betonte den starken Fokus des Koalitionsvertrags auf Sicherheit und Verteidigung. „Uns war klar: Wer morgen in Sicherheit und Freiheit leben möchte, muss heute die Vorkehrungen dafür treffen“, sagte der Sozialdemokrat.

Der erste Schritt seien gesetzliche Grundlagen. „Wir werden sehr schnell ein Planungs- und Beschaffungsbeschleunigungsgesetz auf den Weg bringen“, kündigte Pistorius an. Der wiedervereidigte Verteidigungsminister verspricht sich davon flexiblere und verkürzte Vergabeverfahren. Der IBuK weiter: „Mit dem Artikelgesetz zur militärischen Sicherheit passen wir auch das Sicherheitsrecht an. Wir stärken die Befugnisse des MAD und verbessern den Schutz vor Sabotage, Spionage und Drohnen und schaffen die Voraussetzungen, um die Brigade Litauen effektiv und dauerhaft zu schützen.“

„Bedrohungslage geht vor Kassenlage“

Für eine verteidigungsbereite Bundeswehr brauche es die entsprechenden finanziellen Mittel. Durch das Entkoppeln des Verteidigungshaushalts von der Schuldenbremse habe man mehr Flexibilität und Planungssicherheit geschaffen. Pistorius betonte: „Unsere Sicherheit darf nicht durch haushaltspolitische Zwänge gefährdet werden. Bedrohungslage geht vor Kassenlage.“

Aber Material ist nicht alles. „Es braucht vor allem Menschen, es braucht Männer und Frauen, die bereit sind, für unser aller Sicherheit Verantwortung zu übernehmen“, sagte Pistorius zu den Abgeordneten. So soll ein Wehrdienst eingeführt werden, der zunächst auf Freiwilligkeit setze. Pistorius weiter: „Ich sage ganz bewusst und ehrlich: Die Betonung liegt auf ‚zunächst‘, falls wir nicht genügend Freiwillige gewinnen können. Wir werden die Personallage mittel- und langfristig so verbessern, dass die Bundeswehr durchhaltefähig aufgestellt ist, für den Heimatschutz und für die Bündnisverteidigung.“

Pistorius verwies auf die Unterstützung der Ukraine, Militärhilfen in Höhe von 38 Milliarden Euro seien bislang geleistet worden. „Das ist mehr als ein Zeichen europäischer Solidarität, das ist Verantwortung mit Substanz.“ An der Ostflanke der NATO werde mit der dauerhaften Stationierung der Brigade Litauen Stärke gezeigt. „Deutschland steht zu seinem Wort und Deutschland wird bereitstehen, jeden Quadratzentimeter des Bündnisgebiets zu verteidigen“, sagte Pistorius. In Litauen zeige die Bundeswehr, dass Sicherheit Team-Arbeit sei, und die NATO sei weiterhin „das sicherheitspolitische Team in Europa“. Deutschland werde die neuen NATO-Fähigkeitsziele erfüllen, versprach der Minister. Und: „Wir wissen, wo wir anpacken müssen, und wir haben die Werkzeuge dafür. Deutschland muss verteidigungsfähig sein: Rechtlich, militärisch und gesellschaftlich.“

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