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Generalmajor André Denk ist seit Mao 2025 Chef der European Defence Agency (EDA). Seit 2023 war er Deputy des CEO. Foto: EDA
Generalmajor André Denk hat nach zwei Jahren als stellvertretender Leiter im Mai die Chefposition der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) übernommen. Sie ist die militärische Plattform für die 27 Mitgliedstaaten. Im Interview erklärt Denk die Herausforderungen und berichtet von seiner Reise in die Ukraine vor wenigen Tagen.
Die Bundeswehr: Auf die European Defence Agency kommen mit dem Beschluss des NATO-Gipfels, die Ausgaben für Verteidigung deutlich zu erhöhen, neue Aufgaben zu: Welche sind die wichtigsten Herausforderungen?
André Denk: Die Europäische Verteidigungsagentur wurde vor gut 20 Jahren als Kooperationsplattform der 27 EU-Mitgliedstaaten für eher mittel- bis langfristige militärische Fähigkeitsentwicklung sowie für Projekte im Bereich der militärischen Forschung und Technologie gegründet. Wenngleich es zahlreiche erfolgreiche Beispiele gibt, bei der die EDA wichtige konzeptionelle Vorarbeit geleistet hat, wie bei der Projektierung der Flotte „Multi Role Tanker Transport“ (MRTT), so führte die Zusammenarbeit allerdings in der Vergangenheit aufgrund der begrenzt verfügbaren Haushaltsmittel und der Präferenz vieler Staaten national zu beschaffen, häufig nicht zu gemeinsamen Rüstungsvorhaben.
Die Bundeswehr: Seit dem 22. Februar 2022 haben wir andere Zeiten …
André Denk: Ja, dies hat sich seit dem Beginn des Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine vor über drei Jahren erheblich verändert. Das Interesse der EU-Mitgliedstaaten an gemeinsamen Projekten ist groß, Geld ist zunehmend vorhanden und der Wille, insbesondere auch auf europäischer Ebene zu kooperieren, ist enorm. Die im Mai dieses Jahres auf dem NATO-Gipfel in Den Haag beschlossene Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2035 ist sichtbarer Ausdruck der Absicht, deutlich mehr für Verteidigung zu investieren. Wenngleich klar ist, dass kollektive Verteidigung weiterhin Aufgabe der NATO bleibt, so ist festzustellen, dass die EU ein zunehmend zentraler Akteur im Bereich Sicherheit und Verteidigung geworden ist. Das jüngst veröffentlichte Weißbuch zur europäischen Verteidigung setzt hier den Ton: Mehr Verantwortungsübernahme durch Europa, ein stärkerer europäischer Pfeiler innerhalb der NATO und deutlich mehr Investitionen für Verteidigung. Für die EDA kommt es jetzt darauf an, die EU-Mitgliedstaaten bei ihrer Zusammenarbeit zu unterstützen, Kooperation zu organisieren. Es geht darum, die Mitgliedstaaten an einen Tisch zu bringen und gemeinsame Projekte sowie Initiativen zu identifizieren. Das heißt konkret: Fähigkeitsbedarfe harmonisieren und so zusammenfassen, dass eine gemeinsame Beschaffung folgen kann. Hierzu arbeiten wir eng mit den Rüstungs-, Fähigkeits- und Forschungsdirektoren der 27 EU-Verteidigungsministerien zusammen.
Die Bundeswehr: Sie führen die Agency seit zwei Monaten, was haben Sie sich vorgenommen?
André Denk: Ich bin bereits seit über zwei Jahren bei der Agentur und habe als Deputy Chief Executive, also als Stellvertreter meines Vorgängers, bereits an wesentlichen Weichenstellungen mitwirken können. Ich habe die Agentur als äußerst umtriebig und sehr breit aufgestellt erlebt: Von der gemeinsamen militärischen Prioritätensetzung im „Capability Development Plan“ (CDP) über den sogenannten Prozess „Coordinated Annual Review on Defence“ (CARD), bei dem die nationalen militärischen Planungen der EU-Mitgliedstaaten analysiert und Kooperationsprojekte identifiziert werden, bis zur Unterstützung der „Permanent Structured Cooperation“ (PESCO). Weit über 150 Projekte mit einem Finanzvolumen von rund 800 Millionen Euro, die manchmal sehr technisch sind, allerdings auch zu konkreten Ergebnissen führen. Gemeinsame Beschaffung von Artilleriemunition für die Ukraine, Bereitstellung von Satellitenkommunikationsmitteln und Tactical Air MEDEVAC für Operationen und Missionen der EU durch Rahmenverträge mit zivilen Anbietern. Ein insgesamt sehr breites Portfolio und eine durchweg positive Bilanz. Und dennoch gilt es, sich an die sich veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Der Krieg in der Ukraine zwingt uns alle, auch die EDA, zum Umdenken. Mein Schwerpunkt ist die Implementierung der ehrgeizigen Ziele des Weißbuchs zur europäischen Verteidigung. Es geht darum, die EU-Mitgliedstaaten fit für den Ernstfall zu machen, die Streitkräfte der EU beim Erreichen ihrer NATO-Fähigkeitsziele zu unterstützen, zumindest gilt dies für die 23 EU-Mitgliedstaaten, die auch NATO-Alliierte sind.
Die Bundeswehr: Ihr „Head of the Agency“, Ms. Kaja Kallas, hat den Satz geprägt: „In einer Welt voller Gewalt wäre Pazifismus Selbstmord.“ Wie sehr muss man sich vor Russland fürchten?
André Denk: Frau Kallas hat völlig recht! Ich bin gerade gestern von einer einwöchigen Reise aus der Ukraine zurückgekehrt, bei der ich die Gelegenheit hatte, mich mit zahlreichen Gesprächspartnern aus Verteidigungsministerium, Generalstab und Truppe auszutauschen. Hierbei konnte ich auch jenseits von Kiew, im Osten der Ukraine, mit Truppenführern sprechen und habe Einblicke in die Gefechtsführung erhalten. Der konventionelle Landkrieg ist nach Europa zurückgekehrt, findet direkt vor unserer Haustür und mit menschenverachtender Intensität statt. Muss man sich vor Russland fürchten? „Furcht“ ist sicherlich nicht das richtige Wort und dennoch muss die Brutalität und Entschlossenheit des russischen Regimes klar benannt werden. Europa muss sich auf den Ernstfall konsequent und umgehend vorbereiten und damit abschrecken. Dies gelingt nur dann glaubhaft, wenn die Streitkräfte vollumfänglich ausgerüstet und gut ausgebildet sind. Gleichzeitig muss die Rüstungsindustrie in der Lage sein, in Qualität und Quantität zu produzieren und „State-of-the-Art“ schnell bereitzustellen.
Die Bundeswehr: Kaja Kallas sagt auch, dass Europa viel von der Ukraine lernen kann, vor allem, was den Drohnenkrieg und die elektronische Kriegsführung angeht. Wie gut sind die europäischen NATO-Staaten auf diesen „neuen“ Krieg vorbereitet?
André Denk: Wir können in der Tat sehr viel von den ukrainischen Partnern lernen! Kampf mit Drohnen, elektronischer Kampf, aber auch Raketen- und Flugabwehr, Deep-Precision-Strike-Fähigkeiten und hinreichende Munitionsvorräte sind nur einige ausgewählte Elemente, die auf dem Gefechtsfeld und beim Schutz der zivilen Bevölkerung sowie kritischer Infrastruktur von entscheidender Bedeutung sind. Für mich als Logistiker war es auch sehr beeindruckend zu sehen, dass für die logistische Versorgung der Truppe im Gefecht inzwischen ausschließlich kleine unbemannte Landdrohnen zum Einsatz kommen. Europa hat unzweifelhaft erheblichen Nachholbedarf, allerdings sind die Lücken erkannt und werden angegangen. Die EDA hat bereits letztes Jahr für „Integrated Air and Missile Defence“, „Loitering Munition“ und „Electronic Warfare“ konkrete Projekte vorgeschlagen. Im EDA-Lenkungsausschuss wurde im November letzten Jahres durch bis zu 19 Verteidigungsminister der sogenannte „Letter of Intent“ gezeichnet. Ziel sind kurzfristige Beschaffungsmaßnahmen, die nunmehr in der Umsetzung sind, jedoch auch mittel- bis langfristige Entwicklungsprojekte. Letztlich sind es allerdings souveräne Entscheidungen der Mitgliedstaaten, ob gemeinsam beschafft wird oder ob alternativ nationale, gegebenenfalls bi- oder multinationale Projekte aufgesetzt werden.
Die Bundeswehr: Sie haben kürzlich eine neue Plattform eingerichtet, auf der Regierungen der Mitgliedstaaten und Partnerländern Bedürfnisse kommunizieren und gemeinsame Projekte initiieren können: Wie muss man sich die Funktionen dieser Plattform genau vorstellen?
André Denk: Die „Government-to-Government-Plattform“ – kurz G2G – ist ein pragmatisches und wirkungsvolles Beispiel, wie Kooperation innerhalb der EDA organisiert wird. Die Idee dahinter ist einfach: Mitgliedstaaten und ausgewählte Partnerländer bieten von ihnen geschlossene, bestehende Beschaffungsverträge allen anderen Partnerländern zur Mitnutzung an. Aktuell sind weit mehr als 100 Verträge in verschiedenen Fähigkeitskategorien eingestellt, Tendenz steigend. Und in gleicher Weise können Bedarfe angezeigt werden, für die aktuell keine eigenen Verträge verfügbar sind. G2G ist damit wie ein digitaler Marktplatz, Biete und Suche für Rüstungsvorhaben. G2G steht für schnelle und effiziente Zusammenarbeit – genau das, was Europas Verteidigung jetzt braucht.
Die Bundeswehr: Bei den Verteidigungsinnovationstagen in Krakau haben die Teilnehmer sich vor allem mit neuen Ideen für die moderne Verteidigung beschäftigt: Was sind die wichtigsten Botschaften der Tagung?
André Denk: Der Krieg in der Ukraine zeigt die herausragende Bedeutung von Innovation! Es handelt sich in der Ukraine nicht nur um einen Krieg zwischen Streitkräften, sondern um einen technologischen Wettlauf zwischen ukrainischen Innovatoren und russischen Ingenieuren. Ich war sehr beeindruckt, mit welcher außergewöhnlichen Kreativität und welchem Tempo es den ukrainischen Partnern gelingt, modernste Technologien in kürzester Zeit auf dem Schlachtfeld zu testen und zu nutzen – ein bemerkenswertes Zusammenspiel aus Innovation, Improvisation und Einsatzbereitschaft. Hierbei ist das enge und unbürokratische Zusammenwirken von Truppe auf dem Gefechtsfeld, Entscheidungsträgern in Kiew und ukrainischen Rüstungsfirmen entscheidend. Auch hier können wir viel lernen, fangen jedoch nicht bei null an. Mit Einrichtung des „Hub for European Defence Innovation“ (HEDI) im Jahr 2022 wird militärische Innovation im Bereich der EDA strukturiert organisiert: Hackathons, Innovationspreise, die Entwicklung von „Proof-of-concept“ und Demonstratoren haben das Ziel, Innovationen möglichst umgehend in konkrete militärische Fähigkeiten zu überführen. Im Rahmen der „European Defence Innovation Days“ (EDID) haben sich Mitte Mai dieses Jahres 1000 Expertinnen und Experten aus ganz Europa und der Ukraine in Krakau getroffen, um sich über bahnbrechende Technologien und das Zusammenspiel aus Start-ups, traditioneller Industrie, Forschungseinrichtungen, Universitäten und Streitkräften auszutauschen – das gesamte „Defence Innovation Ecosystem“. Eines wurde klar: Europa muss schneller werden! Und: Wir können und müssen voneinander lernen – gerade in Zeiten wie diesen.
Die Bundeswehr: Sie sind optimistisch, dass die Mitgliedstaaten der EDA die Herausforderungen nicht nur angehen, sondern auch meistern werden: Was macht Sie so sicher?
André Denk: Der Kurswechsel in Europa ist sehr deutlich spürbar. Die EU ist entschlossen, mehr Verantwortung für seine eigene Verteidigung zu übernehmen. Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich bei ihrem Treffen am 6. März dieses Jahres klar dazu bekannt, ihre Verteidigungsfähigkeit signifikant zu stärken. In diesem Sinne setzt das Weißbuch zur europäischen Verteidigung ambitionierte, aber auch notwendige Ziele: Die Verteidigungsbereitschaft muss idealerweise bis 2030 erreicht werden. Der EDA kommt hierbei eine entscheidende Rolle zu. Wenngleich die militärische Beschaffung zahlreicher Mitgliedstaaten in vielen Bereichen national erfolgt, so liegen die Vorteile eines gemeinsamen Fähigkeitsaufwuchses auf der Hand: geringere Komplexität aufgrund begrenzter Vielfalt von eingesetzten Systemen, Skaleneffekte bei Entwicklung und Produktion – und damit niedrigere Kosten, bessere Marktkonditionen bei einer gemeinsamen Beschaffung. Die Beschaffung von Rüstungsgütern ist für die EDA zwar eher eine Ausnahme, allerdings ist unsere Kernkompetenz die Vorbereitung von „Joint Procurement“: Zusammenführen der Mitgliedstaaten, das Harmonisieren der militärischen Fähigkeitsforderungen und die Aggregation der Bedarfe der interessierten Mitgliedstaaten. Das Interesse an gemeinsamem Handeln zeigt sich bei den regelmäßigen Treffen der Rüstungsdirektoren und Fähigkeitsdirektoren bei der EDA. Hier hat man die Notwendigkeit und den Mehrwert der Zusammenarbeit erkannt! Beste Voraussetzungen, das gesteckte Ziel zu erreichen: Readiness 2030.
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