Verhandlungen über die Abrüstung der NVA im April 1990 mit DDR-Admiral Theodor Hoffmann, Werner E. Ablaß und dem damaligen Minister Rainer Eppelmann, dessen Staatssekretär Ablaß war. Das Requiem für die NVA wurde am 2. Oktober 1990 mit dem Einholen der alten Fahnen gespielt. Bis dahin wirkte Werner Ablaß auch am Einigungsvertrag mit. Foto: Privat

Verhandlungen über die Abrüstung der NVA im April 1990 mit DDR-Admiral Theodor Hoffmann, Werner E. Ablaß und dem damaligen Minister Rainer Eppelmann, dessen Staatssekretär Ablaß war. Das Requiem für die NVA wurde am 2. Oktober 1990 mit dem Einholen der alten Fahnen gespielt. Bis dahin wirkte Werner Ablaß auch am Einigungsvertrag mit. Foto: Privat

07.10.2020
Von Frank Jungbluth

Das Requiem für ihre Armee spielten die Soldaten der NVA am Ende selbst - wie ein Staatssekretär an der Abwicklung der NVA mitwirkte

Werner E. Ablaß, der aus der DDR stammt, hat als Staatssekretär im Ministerium für Abrüstung und Verteidigung 1990 für die Regierung des Übergangs zwischen DDR und wiedervereinigtem Deutschland den Einigungsvertrag mit verhandelt, der auch das Ende der NVA besiegelt hat.

Es waren Töne im dumpfen Moll, als am 2. Oktober 1990 die alte Fahne der DDR an den Standorten der Nationalen Volksarmee eingeholt wurde – und nie wieder gehisst. Mit dem Tag, an dem die fünf neuen Bundesländer dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vor 30 Jahren beitraten und das Ende des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden besiegelten, war auch die NVA nur noch eine Episode. Eine Schlüsselfigur beim Übergang der NVA in die Geschichtsbücher war der Politiker Werner E. Ablaß, der in der DDR erst in der Opposition und an ihrem Ende Staatssekretär der ersten, auf demokratischem Wege ins Amt gekommenen Regierung, war. Zweifelsohne, erinnerte sich Werner E. Ablaß fast 20 Jahre nach dem Ende der DDR, war die Nationale Volksarmee bis zum Herbst 1989 eine Parteiarmee. Dass ausgerechnet Werner E. Ablaß, der heute 73-jährig als Pensionär in seiner brandenburgischen Heimat lebt, die NVA abwickeln sollte, war Jahre zuvor nicht denkbar. Ablaß war gläubiger Christ, der der DDR und ihrem Staatsapparat, dem Unrechtsregime, das 16 Millionen Deutsche hinter Stacheldraht, Mauern und Zäunen einsperrte, nicht nur kritisch gegenüberstand, er war ein Oppositioneller.

Die friedliche Revolution vom Herbst 1989 war für Ablaß eine Erlösung, denn wie das Regime der grauen Kommunisten mit Zweiflern und Kritikern umging, das wussten nicht nur die Hinterbliebenen derer, die an den Grenzen ermordet wurden und die tausenden politischen Gefangenen, das spürte auch der Regierungskritiker Werner E. Ablaß, als er 1985 einen Antrag auf Ausreise in die Bundesrepublik gestellt hatte. Er wurde zur Reinigungskraft degradiert.

In der demokratischen Bewegung hat er seine Heimat im Herbst 1989 gefunden, gründete den demokratischen Aufbruch in Mecklenburg mit und schloss sich damit einer Bewegung an, die von den Pfarrern Rainer Eppelmann und Friedrich Schorlemmer in der Wendezeit 1989 in der DDR gegründet worden war. Seinem Parteifreund Eppelmann folgte Ablaß im April 1990 ins neue Ministerium für Abrüstung und Verteidigung. Es war das Ergebnis der ersten freien und demokratischen Wahl zur Volkskammer der DDR im März des Jahres und der neue Ministerpräsident Lothar de Maizière stellte zu Beginn seiner Amtszeit unmissverständlich klar: „Ich bin angetreten mit dem Ziel, die Einheit so schnell wie möglich und so gut wie nötig herbeizuführen.“ Das brachte ein enormes Tempo in den Prozess der Deutschen Einheit.

Der Auftrag von Werner E. Ablaß, der seinem Parteifreund Rainer Eppelmann ins neue Ministerium für Verteidigung und Abrüstung gefolgt war, galt als enorm schwierige Aufgabe.

Illusion vom Ostheer

Dachte man anfangs im Offiziers- und Unteroffizierskorps der NVA noch, man könne quasi als Territorialheer Ost fortbestehen, zum Ende der DDR hatte die NVA eine Truppenstärke von knapp mehr als 155.000 Mann, so wurde in den Wochen und Monaten nach dem Frühjahr 1990 schnell klar, dass von der NVA nichts mehr bleiben würde als ein paar tausend Mann, die sich als Offiziere oder Unteroffiziere – in der Regel auch mit niedrigerem Rang – in die Divisionen der Bundeswehr einreihen könnten. Nicht wenige, die in der NVA auch dem System und ihrem sozialistischen Vaterland voller Überzeugung gedient hatten, konnten sich nicht vorstellen, die Uniform des „Klassenfeindes“ zu tragen.

Bevor am 3. Oktober 1990 die NVA von der Bildfläche verschwand, war Werner E. Ablaß auch daran beteiligt, dass die DDR und damit die NVA aus dem Verteidigungsbündnis des Warschauer Vertrages ausscheiden konnte. Das Pendant zur Nato war 1955 gegründet worden, die NVA offiziell erst nach der Bundeswehr im Januar 1956, aber die Kasernierte Volkspolizei und andere Einheiten waren Symptome der Aufrüstung im Osten Deutschlands, denn schon am 10. Juli 1952 hatte die Volkskammer der DDR die Aufstellung nationaler Streitkräfte proklamiert. Am Ende der DDR waren neben den 155.000 NVA-Soldaten noch 300.000 Rotarmisten und 200.000 Zivilangestellte der Sowjetstreikräfte auf dem Boden der DDR stationiert. Die letzten Soldaten der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland verließen erst lange nach dem Ende der DDR, im Sommer 1994, die wiedervereinigte Bundesrepublik.

Werner E. Ablaß, dem die undankbare Aufgabe zufiel, die NVA zu schrumpfen und die Versorgung der ausscheidenden und entlassenen Soldaten zu organisieren, konnte sich dabei in den ereignisreichen Monaten bis zur Wiedervereinigung 1990 auf zuverlässige Offiziere der nun bald überflüssigen NVA verlassen. Deren Zuarbeit, das weiß Ablaß auch 30 Jahre nach dem Ende der DDR und der Nationalen Volksarmee zu schätzen, habe es letztlich möglich gemacht, auf dem Weg zum Übergang des Militärs in die „neue“ Bundesrepublik das Pensum zu schaffen und die Vorgaben zu erfüllen.

MI-24 storniert

Bei allem, was zu bewältigen war, ist es fast eine Petitesse, dass Ablaß so nebenbei auch den damaligen Verteidigungsminister der real noch existierenden UdSSR, in der DDR kurz SU genannt, noch im August 1990 überzeugen musste, die vereinbarte Lieferung von MI-24-Kampfhubschraubern an die sich in Auflösung befindliche NVA zu stornieren. Das kostete viel Überredungskunst in den Verhandlungen mit Dmitri Jasow, eine Unterschrift und 10,5 Millionen D-Mark, die Mark der DDR gab es nun seit dem 1. Juli 1990 nicht mehr.

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