Regelmäßig macht sich Josef Kranawetvogl, Senior Vice President von STARK, persönlich ein Bild von der Lage in der Ukraine. Foto: STARK

Regelmäßig macht sich Josef Kranawetvogl, Senior Vice President von STARK, persönlich ein Bild von der Lage in der Ukraine. Foto: STARK

07.08.2025
Frank Jungbluth und Gunnar Kruse

Den Aggressor zurückzudrängen ist das gemeinsame Ziel

Unbemannte Systeme für das Gefechtsfeld von heute entwickelt das erst vor rund einem Jahr gegründete Unternehmen STARK. Seit Beginn setzt es auf Kooperationen mit der etablierten Industrie und Drohnenherstellern in der Ukraine.

Seit gut dreieinhalb Jahren attackiert Russland völkerrechtswidrig die Ukraine. Dabei setzen Kreml-Herrscher Putin und das russische Militär gerade in jüngster Zeit verstärkt auf Drohnenangriffe. Doch auch die Verteidiger haben das Potenzial nicht nur in Aufklärungsfragen längst erkannt. Ihr bislang wohl spektakulärster Erfolg gelang den Ukrainern Anfang Juni. Mit mehr als 100 Drohnen griffen sie russische Flugplätze an und konnten so rund zehn Prozent der feindlichen Langstreckenbomberflotte beschädigen oder zerstören.

Vor allem aber direkt an der Front sind im russisch-ukrainischen Krieg Drohnen ein entscheidender Faktor. Immer bessere Modelle werden entwickelt und eingesetzt – allerdings auch vom Aggressor Russland, der sich so mit der Ukraine ein Katz-und-Maus-Spiel liefert. Eine Patt-Situation, sagen Experten.

Bundeswehr will Angriffsdrohnen bestellen

In Deutschland ist die Bedeutung bewaffneter Drohnen längst erkannt worden: Die Bundeswehr schafft nicht nur bewaffnungsfähige Heron TP an. Das Verteidigungsministerium will für die Bundeswehr erstmals zudem moderne und mit Sprengsätzen versehene Angriffsdrohnen bestellen, hieß es im April. Bei den Bestellungen soll es um „loitering munition“ („herumlungernde Munition“) gehen.

Zu den weltweit größten Playern auf dem Drohnenmarkt zählen General Atomics Aeronautical Systems, Inc. und Northrop Grumman Corporation (beide USA), Israel Aerospace Industries Ltd. sowie die französische Thales Group. Hierzulande wird ebenfalls an Innovationen gearbeitet. Mit sogenannten Kamikazedrohnen wurde die Münchner Firma Helsing sogar zum wertvollsten Start-up des Landes, wie es in Medienberichten hieß.

Ganz neu auf dem Markt

Ein weiteres Beispiel ist das noch recht junge Start-up STARK. Gegründet wurde es erst vor rund zwölf Monaten, mittlerweile ist es mit Standorten in ganz Europa vertreten, unter anderem in Berlin, München und Kiew. Werbewirksam heißt es auf der Unternehmenswebsite: „Das Virtus Loitering Munition System ist ein bedeutender Fortschritt in der globalen Drohnentechnologie.“

Was sich genau hinter „Virtus“ verbirgt, erläutert Josef Kranawetvogl, Senior Vice President von STARK. „,Virtus‘ ist ein Loitering Munition System, das selbstständig in der Lage ist, in die Luft zu gehen. Virtus verfügt über eine ,Vertical Take-off and Landing (VTOL)‘-Fähigkeit und geht später in den Horizontalflug. Das Besondere ist also, dass man keine Logistik drumherum braucht“, beschreibt der Luft- und Raumfahrtexperte die „Senkrechtstarter“-Qualitäten von „Virtus”. Dessen Nutzlast für Gefechtskopf und Zünder liegt bei fünf Kilogramm, die Reichweite bei 100 Kilometern. Zum Vergleich: Normal wären zwischen 30 und 40 Kilometern. Ein weiterer Vorteil laut Kranawetvogl: Der Wirkverbund miteinander kommunizierender Aufklärungsdrohnen und Wirkmitteln wie „loitering munition“ mache Auftragstaktik effektiv möglich.

„Das alles zu entwickeln, hat uns sehr viel Ingenieurleistung abverlangt. Und natürlich gab es auch den einen oder anderen Misserfolg“, blickt der Oberstleutnant a.D. auf die rund zehn Monate Entwicklungsleistung bis zur „Virtus“-Markteinführung im April zurück. Begonnen habe alles mit einem Dreierteam, das sukzessive wuchs. 95 Prozent der Mitarbeiter seien heute im Engineering beschäftigt.

Kernfaktor Munition

Warum sich momentan in Deutschland kein weiteres Unternehmen an die Entwicklung von „loitering munition“ wagt, liegt für den ehemaligen Luftwaffenoffizier am Kernfaktor Munition. „Eine Drohnenplattform zu bauen, ist supereinfach. Aber wenn Sie dann noch einen Gefechtskopf mit Zünder integrieren müssen – und das auch noch nach NATO-Standards – dann trennt sich schnell die Spreu vom Weizen“. Da brauche man einen Partner, deshalb sei STARK von Anfang an Kooperationen auf Augenhöhe mit der etablierten Industrie eingegangen.

Auf Zusammenarbeit setzt STARK auch auf anderen Ebenen. Das Unternehmen ist unter anderem zusammen mit Quantum Systems und ARX Robotics Mitglied in der UXS Alliance. „Wir sind zudem sehr eng im Austausch mit dem Zentrum für Luft- und Raumfahrt, mit der Universität der Bundeswehr in München, mit der Technischen Universität in München. Die bringen alle sehr viel Know-how mit, was wir operativ nutzen können. Die Forscher sind uns gegenüber wiederum sehr aufgeschlossen, denn wir sind quasi ein Katalysator für ihre Arbeit“, so Kranawetvogl.

„In der Ukraine läuft die Zusammenarbeit mit den dortigen Drohnenherstellern super. Da kommt man schnell in den Austausch. Schließlich gibt es ein gemeinsames Ziel: Die russischen Angreifer zurückzudrängen beziehungsweise zu bekämpfen.“

Markt mit enormem Potenzial

Stichwort Wirtschaftlichkeit: Bislang hielten sich viele Investoren im militärischen Bereich zurück. In der EU gelten bei ESG-Fonds drei zentrale Nachhaltigkeitskriterien: Umwelt (Environment), Soziales (Social) und gute Unternehmensführung (Governance). Doch „Befindlichkeiten gegenüber der Rüstungsindustrie haben deutlich abgenommen“, sagt Josef Kranawetvogl. „Natürlich wird gesehen, dass der Markt besonders im Drohnenbereich enorm viel Potenzial hat. Vor allem aber treiben viele Investoren die Herausforderungen mit Blick darauf an, was aus Russland, aber auch aus China und dem Iran auf uns zukommen kann.“

Neben der traditionellen Industrie brauche man innovative Unternehmen, die schnell reagierten und bei Bedarf ihre Produktion hochskalieren können. Wie schnell es mitunter gehen muss – von der Entwicklung bis zum Einsatz – zeige die Lage in der Ukraine, in der er allein im vergangenen Jahr insgesamt rund drei Monate verbracht habe.

Generell habe die Ukraine super Start-ups und ganz viel Know-how. Bereits vor dem Krieg sei das Land ein Zentrum der Luft- und Raumfahrttechnik gewesen. Dieses Wissen sei zwar noch vorhanden, aber die Verluste an Personal und Material an der Front würden sich schon bemerkbar machen. „Der Ukraine fehlt zudem der Zugang zu hochwertigen Komponenten und Bauteilen. Ich denke aber, allein von der Innovationskraft und der Anpassungsfähigkeit, die täglich bewiesen wird, hat die Ukraine eine Überlegenheit und damit die Chance, dagegen zu halten.“

Um Lieferprobleme zu minimieren, halte er den Vorschlag Dänemarks für gut, beispielsweise Baupläne für Haubitzen an die Ukraine zu liefern, damit die dann durch die Industrie vor Ort gebaut werden können. „Das halte ich für ein sehr erfolgreiches Modell. Denn allein schon bei den Lohnkosten ist die Ukraine Westeuropa gegenüber im Vorteil. Zudem könnte die Ukraine so eigene Produktionskapazitäten aufbauen.“ Andererseits würden durch die ständigen Luftangriffe der Russen Produktionsstätten beschädigt und zerstört. „Und wenn sie nach über drei Jahren Krieg immer wieder angegriffen werden – auch mit den Shahed-Drohnen-Angriffen, die nichts mehr mit militärischen Zielen zu tun haben, sondern reine Tyrannei gegenüber der zivilen Bevölkerung sind – dann sind viele Ukrainer natürlich auch zermürbt.“ Ob die Ukraine sich gegenüber Russland langfristig erfolgreich wehren kann, sei für ihn nicht die entscheidende Frage, sondern: „Was ist es uns wert, die Ukraine weiterhin zu unterstützen?“

Beeindruckend: Moral und Kampfwille

Die Moral und der Kampfwille der Ukrainer, erst kürzlich hat sich Kranawetvogl selbst wieder in der Nähe der Front ein Bild von der Lage gemacht, sei jedenfalls hoch – und an den Stand der Technik angepasst: „Gefühlt sind wir Jahrzehnte davon entfernt, was die Ukrainer dort mit einem Tablet und einer Drohne umsetzen. Da führt der 21-Jährige eine Mission, da reibe ich mir als ehemaliger Oberstleutnant schon die Augen. Und der 21-Jährige kämpft auch schon seit drei Jahren im Krieg.“

Persönlich seine wichtigste Botschaft, die er aus dem Ukrainekrieg mit nach Hause bringt, ist wohl: „Wir können zwar sagen, wir wollen diese Art der Kriegsführung nicht. Aber sie ist bereits real. Deshalb: Wie können wir uns dagegen wehren?“ Das sei für STARK der wichtigste Treiber für die Entwicklungsarbeit und diese Technologien nach Deutschland und Europa zu bringen. „Und natürlich der Ukraine weiter zu helfen, der Bedarf dafür ist dort enorm.“

Mit Blick in die Zukunft sagt Josef Kranawetvogl: „Die Rolle der Drohne als unbemanntes System ist enorm und nicht mehr wegzudenken – und das in allen Dimensionen: in der Luft, aber auch auf und im Wasser sowie an Land. Ich würde nicht sagen, dass der Panzer oder die Artillerie ersetzt wird, sondern alles wird sich ergänzen.“

Die Frage ist und wird es auch künftig sein, wie man in größerer Stückzahl angreifende Drohnen kostengünstig abwehren kann. Noch gebe es beispielsweise beim Thema Zielerfassung Verbesserungsbedarf. Es gebe schließlich Gründe, warum Russland die Ukraine immer noch mit Shahed-Drohnen aus dem Iran angreifen kann. „Das Problem ist auch, dass jeder eine Drohne mit Komponenten vom Markt bauen kann und damit der massenhafte Einsatz möglich wird. Das kann auch den zivilen Bereich, zum Beispiel Flughäfen, betreffen. Gerade im Katastrophenschutz sollte man sich da noch mehr Gedanken machen.“

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