Seiten aus dem Familienalbum mit Fotos aus den Anfangsjahren bei der Bundeswehr. Fotos: Karl-Heinrich Graf

Seiten aus dem Familienalbum mit Fotos aus den Anfangsjahren bei der Bundeswehr. Fotos: Karl-Heinrich Graf

27.11.2020
Christine Hepner

Die „Stammkraft“ der neuen Bundeswehr

Karl-Heinrich Graf war einer von Tausenden Angehörigen des Bundesgrenzschutzes, die 1956 das Rückgrat der jungen Bundeswehr bildeten.

„Ich habe für mich bei der Bundeswehr größere Möglichkeiten gesehen. Aber ausschlaggebend war eigentlich, dass ich meine Frau heiraten wollte.“ Karl-Heinrich Graf ist am 1. Juli 1956 in die Bundeswehr eingetreten, drei Wochen später wurde er bereits getraut.

Als im Zuge der Gründung der Bundeswehr beschlossen wurde, Grenzschutzbeamte in die jungen Streitkräfte zu überführen, wechselten rund 10.000 Angehörige des Bundesgrenzschutzes freiwillig in die Bundeswehr. Der 22-jährige Graf war einer von ihnen. 1954 war der Büromaschinenmechaniker in den Bundesgrenzschutz eingetreten und leistete seinen Dienst als Wachtmeister in Hof an der Saale, im Grenzdienst zwischen Tschechoslowakei und DDR. Doch beim Grenzschutz galten strenge Regeln: „Die Ausbildung war sehr hart, auf Tradition wurde geachtet und wir haben stärker zusammengehalten. Und da gab es keine Frauen. Wir durften ja erst mit 27 heiraten.“ Und so legte die junge Liebe den Grundstein für Grafs 31-jährige Karriere bei der Bundeswehr.

„Wir waren praktisch die Stammkraft der neuen Bundeswehr. Die hätten die Bundeswehr gar nicht richtig aufbauen können ohne uns vom Bundesgrenzschutz“, betont der heutige Pensionär immer wieder. In der neu gegründeten Bundeswehr habe es neben den jungen Grenzschützern auch Offiziere gegeben, die teils von der Wehrmacht oder von der Polizei gekommen seien, erinnert sich Graf. „Die Innere Führung, die man heute so beschreibt, die hatten wir nicht. Die haben wir uns selber gemacht. Wir haben richtig zusammengehalten. Rechtsextreme hatten wir nicht, wir haben uns gegenseitig geholfen, es war ja niemand anderes da. Wir mussten alles allein machen, das ist mit heute nicht vergleichbar.“ Am Anfang sei die Wehrmacht schon ein Thema gewesen. „Aber wir vom Bundesgrenzschutz waren strenger ausgebildet und die alten Soldaten waren ja seit Jahren aus dem Geschäft. Die sind dann erstmal in Demokratie ausgebildet worden in Andernach.“

Der damalige Unteroffizier Graf wurde deshalb gleich als Ausbilder eingesetzt. „Wir haben die ersten Freiwilligen umschulen müssen auf Soldaten. Wir hatten keine Uniform, sondern nur einen Arbeitsanzug, zweifach. Die Unterwäsche hatten wir vom Bundesgrenzschutz mitgenommen. Mehr hatten wir nicht.“ Richtige Bekleidung und den Stahlhelm erhielt er erst Ende August. „Wir hatten das FN-Gewehr und später bekamen wir vom Amerikaner das M1 und die Rifle 8, das Scharfschützengewehr. Und das war alles in Fett eingepackt, wir mussten das selbst reinigen. Wir haben die Waffen also in der Kaiser-Wilhelm-Kaserne in Amberg in Wasserbottichen über dem Feuer aufkochen lassen. Über hundert Gewehre haben wir peu à peu so gesäubert, dass man damit schießen konnte. Das hat funktioniert!“ Auch weitere Ausrüstung sei „vom Amerikaner“ gekommen, unter anderem Lkw, die schnell den Spitznamen „Nato-Ziege“ erhielten, denn sie neigten zu „meckernden“ Motorgeräuschen und zu Bocksprüngen im Gelände, da ihnen Stoßdämpfer fehlten.

Die Ausbildung der jungen Freiwilligen lief nicht immer reibungslos, wie Graf beichtet: „Wir waren in der Rhön auf dem Übungsplatz und da hatten wir schon ein paar Probleme mit den neuen Soldaten beim Handgranatenwerfen. Einmal war ich Aufsicht am Werfer. Ich stehe also direkt beim Werfer und der hat eine scharfe Handgranate mitgebracht. Ich frage ihn, ob er Links- oder Rechtshänder ist. Er sagt: Rechtshänder. Und was macht der? Der zieht den Stift und wechselt die Handgranate in die linke Hand und der Bügel springt weg und die Handgranate wird schon gezündet, als sie noch in der Hand ist!“ Ein anderes Mal habe ein junger Soldat eine Sprenghandgranate fallen lassen. Er habe den Mann gerade noch in Sicherheit gebracht, bevor die Granate hochgegangen sei, erinnert sich Graf. „Den hab ich hinterher gleich nochmal werfen lassen, damit er sich daran gewöhnt, wie man das macht.“

Von 1956 bis 1964 war Graf bei der Panzergrenadierbrigade 11 in Bogen, 1961 wurde er Berufssoldat. Als Stationen folgten nach Hof und Amberg noch Engstingen auf der Schwäbischen Alb und Köln. „Ich war der erste Laserschutzbeauftragte der Bundeswehr, ausgebildet beim Bundeswehrbeschaffungsamt 1980“, erwähnt Graf voller Stolz. Und auch, dass ihm das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold verliehen wurde. Am 31. März 1987 beendete Graf, damals Dezernent beim Heeresamt Abteilung 8 für Wehrmaterial, seine Karriere bei der Bundeswehr. Es sei eine gute Zeit gewesen, erinnert sich der Pensionär. „Wir haben aufeinander aufgepasst. Und die Generäle, die wir hatten, waren super. Ich hatte ja meinen Hund dabeigehabt, ich war ja im Einzelzimmer. Da fragte der General nach dem Hund und wollte ihn sehen. ‚Jawohl, Herr General‘, sagte ich. Und der blöde Hund? Hat den General angebellt! Da sagt der General: ‚Der kann bleiben.‘“

Die anfangs erwähnte Heirat war nicht nur wegen Grafs Entscheidung für die Bundeswehr eine besondere. „So viel mir bekannt ist, war meine Hochzeit am 23. Juli 1956 die allererste bei der Bundeswehr. Ich habe in Uniform geheiratet und die musste von München herangeschafft werden.“ Wenige Tage später folgte bereits die Versetzung nach Amberg. Da es sich nun nicht mehr um ein „uneheliches Verhältnis“ gehandelt habe, konnte er seine Frau Erika nachholen. Die beiden sind noch immer glücklich miteinander verheiratet.

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