Hauptfeldwebel Christian Siebers hat sich vor sechs Jahren entschieden in die Truppe zurückzukehren. Foto: DBwV/Frank Jungbluth

22.01.2023
Von Frank Jungbluth

Ein Mann, der unbedingt dienen will, aber kein Berufssoldat werden kann

Hauptfeldwebel Christian Siebers (46) hat sich 2016 entschlossen zur Bundeswehr zurückzukehren. Seitdem versucht der Spezialist, der als Mechaniker am Eurofighter beim Jagdgeschwader Richthofen dient, Fachoffizier und Berufssoldat zu werden. Vergeblich.

Christian Siebers ist ein Soldat, wie ihn sich viele Vorgesetzte wünschen: immer einsatzbereit, leidenschaftlich bei der Sache. Ein echter Kamerad, wie die anderen über ihn sagen. Einer, auf den man sich verlassen kann. Einer, den aber der Glaube verlassen hat, dass jemand, der unbedingt dienen und sogar Berufssoldat werden will, in Zeiten des dramatischen Personalmangels bei der Truppe trotz allem eine Chance hat. Es ist seine Geschichte von Engagement, Mut und Tatkraft. Es ist eine Geschichte, die auch einen gestandenen Mann wie den 46-jährigen Hauptfeldwebel Christian Siebers nahe an den Rand der Verzweiflung bringen kann.

20 Prozent der Dienstposten für Unteroffiziere mit Portepee sind in der Truppe nicht besetzt. Das war 1997, als Christian Siebers als 20-Jähriger seinen Dienst beim Panzergrenadierbataillon 332 in Wesendorf im Landkreis Gifhorn beginnt, noch anders. Die Bundeswehr hatte ein paar hunderttausend Soldaten mehr. Heute sind es 183.000, 203.000 sollten es sein, aber allen Bemühungen zum Trotz findet man nicht genug Nachwuchs. Man kann auch sagen: Der Truppe, deren Wert seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine plötzlich wieder hochgeschätzt wird, gehen die Soldaten aus. Profis wie Hauptfeldwebel Siebers, der nach seinen ersten zwölf Jahren bei der Bundeswehr den Weg in den Zivilberuf genommen hatte, bevor er 2016 wieder zurückkam. „Kameradschaft ist eben doch unbezahlbar“, sagt er während unseres Gesprächs im Standort Wittmund. Dort ist das Jagdgeschwader Richthofen zu Hause, hier ziehen die Eurofighter, das beste und modernste, das für die Luftwaffe im Einsatz ist, ihre Kreise. Hauptfeldwebel Christian Siebers ist einer von denen, die dafür sorgen, dass die Kampfpiloten mit einer perfekt gewarteten Maschine aufsteigen und ebenso sicher wieder landen.

Der Fluggerätemechanikerfeldwebel hat alles gemacht, was seine Vorgesetzten ihm geraten haben, als er sich entschlossen hat, Berufssoldat und Fachoffizier werden zu wollen. Christian Siebers hat sich dann zum TBF weiterbilden lassen. Siebers hat eine Mechaniker-Ausbildung abgeschlossen, bevor er Ende der 1990er-Jahre Panzergrenadier wurde. Er hat in den Jahren, die er im Zivilberuf zwischendurch verbracht hat, sein Fachabitur nachgeholt. Er hat sich während seiner Dienstzeit beim Jagdgeschwader Richthofen zum Technischen Betriebsführungsmeister ausbilden lassen. Christian Siebers ist einer der Spezialisten der Bundeswehr, der in den Sonntagsreden von Politikern so gerne genannt wird, wenn es darum geht, die Einsatzbereitschaft zu preisen oder die wichtigen Schritte auf dem Weg zu einer erfolgreichen Landes- und Bündnisverteidigung zu beschreiben. Und dann vertritt er auch noch den Spieß in seiner Staffel auf dem Fliegerhorst Wittmund, unweit der Nordsee in Friesland gelegen.

Sechseinhalb Jahre hat er noch, der Hauptfeldwebel Christian Siebers, der so gerne Berufssoldat werden würde. Am 30. April 2029 endet seine Dienstzeit. „Der Gedanke daran ist unerträglich. Es gibt Tage, da zieht mich der Blick in die Zukunft runter“, sagt der Vater zweier Kinder. In knapp sieben Jahren wird er 53 Jahre alt sein.

Am 27. August 2020 war der Hauptfeldwebel Christian Siebers voller Hoffnung. Sein Staffelchef Major Mario Süshardt stellt an diesem Tag beim Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr (BAPersBw) den Antrag, Christian Siebers zur Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes zuzulassen. Major Süshardt ist überzeugt von der Arbeit seines Untergebenen, er beurteilt ihn sehr gut. Vom 11. bis zum 21. Januar 2021 tagt die Auswahlkonferenz in Köln. Sie hat auch die Akte von Christian Siebers auf dem Tisch. Der Hauptfeldwebel ist zuversichtlich. „Ich hatte bis dahin viel Erfahrung, war Gruppenführer, Truppführer beim Auslandseinsatz im Kosovo 1999.“ Dort hatte Siebers bewiesen, dass er auch in kriegsähnlichen Lagen führen kann. Sein Verhalten ist tadellos, seine Männer vertrauen ihm ihr Leben an. Er ist ein vorbildlicher Soldat.

In den Jahren 2005 und 2006 nimmt er an der Mission UNIFIL teilt, sichert mit seinen Soldaten von den Marineschutzkräften, wo er zwischenzeitlich diente, die deutschen Fregatten und Schnellboote, die zum Schutz der libanesischen Seegrenzen entsandt worden sind. Siebers’ Panzergrenadierbataillon 332 in Wesendorf nahe Gifhorn war zuvor aufgelöst worden.

Wir schreiben das Jahr 2021, Christian Siebers ist seit fünf Jahren zurück in der Truppe. Nach mehr als einem halben Jahr des manchmal quälenden Wartens kommt Post aus Köln zu Siebers’ Standort nach Friesland. In dem Brief vom BAPersBw vom 19. Mai 2021 heißt es: „Dem Vorschlag ihres Disziplinarvorgesetzten auf Zulassung zur Laufbahn der Offiziere des Militärfachlichen Dienstes vom 27.8.2020 konnte bedauerlicherweise nicht entsprochen werden.“ Worte, die für Christian Siebers wie Schläge in die Magengrube wirken. Es sind dumpfe Schmerzen, er sieht seine Zukunft am Horizont verschwinden.

Für ihn war das eine echte Perspektive, den Traum Berufssoldat sein zu wollen auch leben zu können. Jetzt setzt er alles auf die letzte Karte, die er ausspielen kann. Er versucht, Berufssoldat zu werden. Ja, er weiß, dass er die dafür eigentlich vorgesehene Altersgrenze von 40 Jahren schon überschritten hat, aber es gibt immer wieder Ausnahmen. Kameraden berichten davon. Er hat vor kurzem einen Rettungssanitäter gesprochen, der bei einem Fliegerarzt des Taktischen Luftwaffengeschwaders 71 „Richthofen“ Dienst tut. Der erzählt ihm, dass er jetzt mit 46 Jahren Berufssoldat geworden sei.

„Wir müssen den Dienst in der Truppe attraktiver machen, wir müssen die Laufbahnen so gestalten, dass wir genügend Frauen und Männer finden, die auch langfristig dienen wollen“, hat die Wehrbeauftragte Eva Högl in ihrem Jahresbericht 2021 vor wenigen Monaten geschrieben. Die Sozialdemokratin ist seit 2020 im Amt. Sie ist Juristin. Eva Högl fährt unermüdlich durch die Lande, besucht Standorte, spricht mit hunderten Frauen und Männern in der Truppe. Sie hat als „Anwältin der Soldatinnen und Soldaten“ eine Herkules-Aufgabe zu bewältigen. Die Bundeswehr sollte eigentlich seit der Trendwende Personal 203.000 Soldaten haben, aber es wollen einfach nicht mehr als 182.000 werden. Ursula von der Leyen hat das Zielbild im Sommer 2016 ausgegeben. Inzwischen versucht sich die dritte Verteidigungsministerin an der Trendwende. Der Erfolg ist unsichtbar. Vor allem Spezialisten wie der Hauptfeldwebel Christian Siebers sind gesucht. Er steht bereit.

Am 8. Dezember 2021 beurteilt der Vorgesetzte Christian Siebers erneut und schlägt ihn als Berufssoldaten vor. Wieder vergehen Monate, Ende August 2021 dann kommt der Bescheid. Christian Sievers wird wieder abgelehnt. Er schreibt in einem letzten Akt der Verzweiflung eine Eingabe an die Wehrbeauftragte. Aber auch aus ihrem Amt, aus dem sonst so oft zu hören ist, die Bundeswehr müsse die Leute an sich binden, kommt kein Signal der Hoffnung.

Major Mario Süshardt, Siebers’ Staffelchef, sagt: „Ich habe den HptFw Siebers aufgrund seiner sehr guten Beurteilungshistorie für die Laufbahn der Offiziere des militärfachlichen Dienstes und zur Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten vorgeschlagen, wie es bereits mein Vorgänger getan hat. Das Problem ist, dass für einen Statuswechsel zum Berufssoldaten bei Neubegründung eines Dienstverhältnisses mindestens 15 Jahre Restdienstzeit bis zur besonderen Altersgrenze erfüllt werden müssen, um die formalen Voraussetzungen gemäß Paragraph 48 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) zu erfüllen. Im vorliegenden Fall ist dies nicht mehr möglich, da die Wiedereinstellung nach Erreichen des 40. Lebensjahres erfolgte. Gemäß Paragraph 48 BHO kann bei Überschreiten dieses Höchstalters eine Übernahme nur erfolgen, wenn dies einen besonderen Vorteil für die Bundesrepublik Deutschland bedeutet. Konkret: dass ein außerordentlicher Mangel an qualifizierten und gleich geeigneten jüngeren Bewerberinnen und Bewerbern besteht. Bis vor ca. fünf Jahren waren Fluggerätemechaniker für den Eurofighter wie HptFw Siebers in einer Mangelverwendung, inzwischen sind aber knapp 90 Prozent der Dienstposten besetzt – ein Mangel besteht also nicht mehr.“

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