Einer der ersten Auftritte vor einem Seniorenheim während der Corona-Pandemie. Hier spielen Musiker des Musikkorps Hannover in Langenhagen. Foto: Bundeswehr/Bohlmann

Einer der ersten Auftritte vor einem Seniorenheim während der Corona-Pandemie. Hier spielen Musiker des Musikkorps Hannover in Langenhagen. Foto: Bundeswehr/Bohlmann

28.08.2020
Amina Vieth

Was Musiker in den Zeiten der Corona-Pandemie spielen

Der Militärmusikdienst ruht - zumindest in gewohnter Form. Die Covid-19-Pandemie erschwert auch den Musikerinnen und Musikern ihren Dienst. Gemeinsame Proben gemeinsam sind noch nicht wieder möglich, Veranstaltungen wie das Musikfest der Bundeswehr abgesagt. Was sie stattdessen in der Zeit machen und was man sich für die kommende Zeit erhofft, berichtet Oberst Christoph Lieder, Leiter des Militärmusikdienstes und Leiter Zentrum Militärmusik der Bundeswehr, im Interview.

dbwv.de: Auch wenn gemeinsame Proben entfallen, sollten die Musikerinnen und Musiker ja sicher ihren Ansatz nicht verlieren. Wurden Sie zu mehr Einzelproben angehalten?
Oberst Christoph Lieder: Die Angehörigen des Militärmusikdienstes sind aus Leidenschaft Musiker geworden. Sie haben es von klein auf gelernt, strukturiert zu üben. Diese Konditionierung wird im Musikstudium geschärft und weiterentwickelt.

Bei den sehr dicht „gewobenen“ Dienstplänen in den Musikeinheiten ist eine gute Planung der Übezeit absolut notwendig. Dass jetzt coronabedingt mehr Zeit zur Verfügung steht, verschafft Freiräume für weitere Übefelder – dem Musiker sind da keine Grenzen gesetzt. Einer „Extraeinladung“ von unseren Orchesterleitern oder von mir bedarf es da sicherlich nicht...(lacht)!

Wie verhält es sich jetzt mit den Proben?
Eine spannende Frage! Seit den umfassenden Corona-Einschränkungen ist das Proben im „Tutti“, also im gesamten Orchesterrahmen, zum Erliegen gekommen. Das schmerzt uns sehr. Mit Kammermusikbesetzungen (bis zu fünf Muskerinnen/Musiker) hat es zwar in den letzten Wochen und Monaten einige schöne und sehr emotional wichtige Auftritte bei Senioren- und Pflegeheimen gegeben, die natürlich auch probentechnisch vorbereitet werden mussten.
 
Um mit mehr Musikerinnen und Musikern proben zu können, bedarf es aber umfangreicher Vorbereitungen in Form von Hygiene- und Sicherheitskonzepten. Jeder Probesaal in der Bundeswehr sieht anders aus hinsichtlich der Grundfläche oder der Belüftung etc. Hier gibt es bereits einige gute Konzepte, die von den zuständigen Stellen (Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt, Überwachungsstelle für öffentlich-rechtliche Aufgaben des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr München) mitgeprüft wurden. Von diesen Stellen werden wir äußerst kompetent und konstruktiv fachlich begleitet. Dafür sind wir sehr dankbar!

Wir werden in den nächsten Wochen sehen, wie es weitergeht und hoffen, bald an einigen Standorten wieder in erweiterter Besetzung proben und dann auch auftreten zu können.

Solch eine Situation durch die Corona-Pandemie war für alle neu. Wie würden Sie sagen, hat der musikalische Bereich das gemeistert? Was würde man bei einer zweiten Welle/ähnlichen Situation anders machen?
Mein Dank gilt an dieser Stelle allen Angehörigen des Militärmusikdienstes. Sie haben die unvorhersehbare und wirklich einschneidende Situation mit Professionalität, Disziplin und der nötigen Gelassenheit bewältigt und werden dies auch in der vor uns liegenden Zeit tun. Hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang das Engagement vieler Musikfeldwebel bei der Unterstützung der Gesundheitsbehörden im Zusammenhang mit der Nachverfolgung von Infektionsketten.
Bei einer gegebenenfalls auf uns zukommenden zweiten Welle könnten wir auch weiterhin nur mit gesundem Menschenverstand, mit Vorsicht und viel Verantwortungsbewusstsein auf die sich dynamisch entwickelnde Lage reagieren und unsere Handlungsoptionen prüfen. Aufgrund der bislang gemachten Erfahrungen bin ich optimistisch, dass wir auch in einer solchen Situation wieder angemessene Maßnahmen ergreifen würden.

Was vermissen Ihre Soldatinnen und Soldaten am meisten?
Ich kann hier zwar nicht für alle Militärmusiker bzw. Militärmusikerinnen sprechen, doch denke ich, dass es vor allem zwei Dinge sind, die wir vermissen: das Zusammenspiel mit den Kameradinnen und Kameraden, aber vor allem auch das Publikum – sei es nun auf der Konzertbühne, dem Appellplatz oder im kleinen Rahmen einer Feierstunde.

Hatte man in der ganzen Zeit dennoch viel Kontakt via Skype, Telefon etc.?
Wenn Sie die tägliche Kommunikation meinen, haben hier tatsächlich die digitalen Medien in den unterschiedlichsten Formen eine wichtige Rolle gespielt.

Wenn Sie musikalische Inhalte wie Proben meinen, sind diese Medien dann doch eher wenig hilfreich. Abgesehen davon, dass ein musikalisches Miteinander bei Proben eine direkte Kommunikation bzw. Interaktion zwischen den Akteuren erfordert, müssten die entsprechenden (und sehr aufwendigen) technischen Voraussetzungen dafür in jedem Haushalt vorhanden sein. Bei einer Probe handelt es sich ja um ein Live-Ereignis, bei dem das präzise Zusammenspiel (ohne technisch bedingte Latenz…) und die dynamische und klangliche Balance eine wichtige Rolle spielen. Soweit ist die digitale Infrastruktur in Deutschland noch nicht, dass so etwas flächendeckend möglich wäre.

Ein wenig stolz bin ich allerdings auf zwei Videos, die zum Teil im heimischen Wohnzimmer entstanden sind. Hiermit möchte sich die Bundeswehr bei den vielen Corona-Helfern und manchmal auch wahren Corona-Helden bedanken. Da ist zum einen ein Video, bei dem alle Musikeinheiten der Bundeswehr mit vier bis fünf Musikern mitgewirkt haben und das dann an zentraler Stelle zu einem großen Ganzen in Bild und Ton zusammengefügt wurde. Der Titel „You Raise Me Up“ spricht für sich.

Und da ist zum anderen das Video „Where The Angels Fly“ des Musikkorps der Bundeswehr in Kooperation mit der Heavy-Metal Band U.D.O. Auch dieses Video möchte zum Ausdruck bringen, dass die selbstlose Arbeit der vielen „Engel“, die sich um die von der Pandemie betroffenen Menschen aufopferungsvoll kümmern, dabei ihre eigene Gesundheit aufs Spiel setzen und bis über die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit hinausgehen, alles andere als selbstverständlich ist.

Was erhoffen Sie sich für die kommenden Monate?
Dass es unser Land schafft, weiterhin so gut durch die Pandemie zu kommen und nicht nachlässig wird mit den Hygiene-Regeln. Nur so können wir das Virus – zumindest bis zu einem gewissen Grad – unter Kontrolle halten. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass der Kulturbetrieb in Deutschland wieder auf die Beine kommen kann. Die Musiker und die Menschen im Lande sehnen sich danach. Und wir sind dann natürlich auch wieder dabei...!

Was erwarten Sie vom kommenden Jahr, sollten dann die Konzerte wieder möglich sein?
Das wäre natürlich das Ideal. Jedoch hat uns diese Zeit gelehrt, dass niemand weiß, was morgen sein wird. Bei den Konzerten in der Öffentlichkeit sind wir als Militärmusik allerdings nur Dienstleister. Veranstalter ist nahezu immer ein ziviler, gemeinnütziger Träger. Mit welchen Auflagen und Einschränkungen die Veranstalter im kommenden Jahr zu rechnen haben, kann heute niemand sagen. Wir möchten nun, wie vorhin bereits erläutert, zunächst einmal dafür sorgen, dass wir unseren Probenbetrieb – zumindest in einem eingeschränkten Umfang – wieder aufnehmen können. Daraus ergeben sich dann Optionen für Auftritte, die aber von der Situation vor Ort und den Vorgaben der einzelnen Bundesländer abhängig sind.

Was ist aus Pilotprojekt geworden, bei dem Musiker zu „Community Health Worker“ ausgebildet wurden?
Nachdem in einem Pilotprojekt fünf Musikfeldwebel aus dem Garmischer Musikkorps und fünf Musikfeldwebel aus dem Ulmer Musikkorps an der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München zu Corona Health Workern Bundeswehr (CHW Bw) ausgebildet worden sind, wurden in einem veränderten Verfahren (ein Teil Online-Schulung plus ein Tag Ausbildung in den Musikeinheiten vor Ort) weitere Musiker hierfür qualifiziert. Ziel ist es, möglichst bald in jeder Musikeinheit mindestens 20 CHW Bw vorzuhalten, die bei der Verfolgung von Infektionsketten in regionalen Hotspots unterstützen können. Dies soll die Wirksamkeit des Öffentlichen Gesundheitsdienstes erhöhen.

Zwischenzeitlich wurden in drei Fällen Musikfeldwebel zur Unterstützung von regionalen Gesundheitsämtern eingesetzt. Besonders erfolgreich war der Einsatz unserer Musiker im Kreis Warendorf im Zusammenhang mit der Corona-Infektion von Mitarbeitern der Firma Tönnies in Rheda-Wiedenbrück.

Befinden sich Musikfeldwebel noch immer in Rufbereitschaft, um in den Bundeswehrkrankenhäusern zu unterstützen?
Hunderte von Musikfeldwebeln befinden sich weiterhin in einer grundsätzlichen Bereitschaft. Die Reaktionszeit für eine mögliche Unterstützungsleistung wurde zwischenzeitlich von 48 Stunden auf 14 Tage angehoben. Bislang musste allerdings seitens des Sanitätsdienstes noch keine Unterstützung durch den Militärmusikdienst angefordert werden. Hoffen wir, dass unser Gesundheitssystem im Ganzen weiterhin stabil bleibt.

Herr Oberst Lieder, herzlichen Dank für das Interview!

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

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