Als geschäftsführender Bundesvorsitzender des DBwV eröffnete Oberstleutant i.G. Lothar Domröse (rechts) die  5. Hauptversammlung und ehrte verdiente Mitglieder. Foto: DBwV/Archiv

Als geschäftsführender Bundesvorsitzender des DBwV eröffnete Oberstleutant i.G. Lothar Domröse (rechts) die 5. Hauptversammlung und ehrte verdiente Mitglieder. Foto: DBwV/Archiv

07.04.2023
Von Michael Rudloff

Verbandshistorie: 1963 wurde zum „Dreikaiserjahr“ des Deutschen BundeswehrVerbandes

Die wichtigste Meldung des DBwV-Verbandsmagazins  „Die Bundeswehr“ im Mai 1963 fanden die Leser in der Mitte des Heftes unter der Rubrik „Aus dem Verbandsleben“. Der Bundesvorstand des DBwV gab bekannt, dass „Brig-Gen. Molinari gebeten (hat), von den laufenden Aufgaben als Bundesvorsitzender aus dienstlichen Gründen entbunden zu werden. Der Bundesvorstand entsprach diesem Wunsch und hat in seiner Sitzung vom 8. April 1963 beschlossen, Major i.G. Domröse mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Bundesvorsitzenden bis zur Hauptversammlung im Juni 1963 zu beauftragen“.

Molinari formte den DBwV zum respektierten Ansprechpartner der Politik

Dem Gründungsvorsitzenden Karl-Theodor Molinari war es mit Charisma und Sendungsbewusstsein gelungen, den DBwV aus bescheidenen Anfängen zur anerkannten Interessenorganisation aufzubauen und als einzig legitimen Ansprechpartner der Politik für die sozialen Anliegen der Soldaten zu etablieren. Der bei den Soldaten populäre „Bundes-Molli“ führte den Verband ehrenamtlich, zuletzt neben seinen dienstlichen Pflichten als Kommandeur der Panzerbrigade 14 in Koblenz. Seine am 29. April 1963 erfolgte Beförderung zum Brigadegeneral war mit der Berufung zum Unterabteilungsleiter III in der Personalabteilung des Bundesverteidigungsministeriums Bonn verbunden. Mit dieser Position ließ sich die ehrenamtliche Führung der soldatischen Interessenvertretung nicht mehr vereinbaren.

Ein bequemer Bundesvorsitzender war Molinari nach dem Zeugnis enger Weggefährten nicht. Sein straffer Führungsstil verband die sozialen Anliegen mit Verantwortungsbewusstsein, aber auch mit Bereitschaft zum Konflikt. Der erste Verteidigungsminister Theodor Blank respektierte ihn trotz anfänglicher Vorbehalte gegen jegliche Art einer „Soldatengewerkschaft“. Zu einer engen Zusammenarbeit im Interesse der Soldaten fand er mit dessen Nachfolger Franz Josef Strauß zusammen.

Das persönliche Verhältnis trübte sich jedoch, als 1959 durchsickerte, dass der Minister lieber seinen Vertrauten, Oberstleutnant Dr. Rolf Acker, an der Spitze des DBwV gesehen hätte. Acker gehörte zu den Mitgründern des DBwV und hatte im Sommer 1956 dazu beigetragen, die Vorbehalte innerhalb des Verteidigungsministeriums gegenüber einer eigenständigen Interessenvertretung der Soldaten zu zerstreuen.

Zwei starke Persönlichkeiten trafen aufeinander

Die Entfremdung zwischen Strauß und Molinari dürfte weniger inhaltlich als persönlich motiviert gewesen sein und aus dem Aufeinandertreffen zweier starker und selbstbewusster Persönlichkeiten resultieren. Auf der anderen Seite war der im Verteidigungsministerium einflussreiche und für Personalfragen zuständige Ministerialdirektor Karl Gumbel an einer Verwendung Molinaris im Ministerium interessiert.

Der Konflikt eskalierte schließlich im Umfeld der 4. Hauptversammlung des DBwV 1961. Am Nachmittag des 18. April verlas Molinari einen Brief des Ministers vom 30. März 1961 mit der Absage seiner Teilnahme an der Hauptversammlung. Darin legte er Molinari unmissverständlich nahe, sich im Interesse seiner weiteren Laufbahn auf die anstehenden dienstlichen Aufgaben zu konzentrieren, „die leider noch weniger Zeit für außerdienstliche Angelegenheiten lassen“, und auf eine erneute Kandidatur zum Bundesvorsitz des DBwV zu verzichten. Die Delegierten wiesen den Vorstoß des Bundesministers, „auf das Schicksal und die Zusammensetzung des Vorstandes unseres Verbandes Einfluss (zu) nehmen“, zurück und wählten Molinari mit lediglich einer Enthaltung (möglicherweise seiner eigenen) erneut an die Spitze des DBwV.

Soldaten blickten über materielle Eigeninteressen hinaus

Für eine pflichtschuldige Gratulation ließ sich Strauß mehrere Wochen, bis zum 5. Juni 1961, Zeit. Dem Minister war gleichwohl nicht entgangen, dass die 4. Hauptversammlung eine Akzentverschiebung und inhaltliche Erweiterung der Arbeit des Verbandes einleitete. Zwar standen weiterhin existenzielle Sorgen und Nöte der Soldaten im Mittelpunkt der Verbandspolitik. Die Versorgung der Soldatenfamilien mit Wohnraum bildete auch Anfang der sechziger Jahre das vordringliche Problem. Allein am Standort Koblenz fehlten 2500 Wohnungen. Unter dem Motto „Soldat und Volk in unserer Zeit“ blickten die Delegierten dennoch über materielle Eigeninteressen hinaus. Es sei an der Zeit, „auch die ideellen Dinge in die Hand zu nehmen und an der Stärkung des Ansehens der Bundeswehr in der Öffentlichkeit mitzuwirken“. Strauß begrüßte es, „dass sich der Berufsverband der Soldaten mehr als bisher um die gesellschaftliche Einordnung, die staatsbürgerliche Haltung und das Berufsethos seiner Mitglieder bemühen will“. Bei einer Vorstandsbesprechung des DBwV im Bundesministerium sicherte er am 31. Juli 1962 zu, sich „mit allem Nachdruck für die berechtigten Wünsche und Forderungen“ des DBwV – von der Wohnungsfürsorge über Heiz- und Mietkostenzuschüsse bis zum Kantinenwesen – einzusetzen.

Angesichts einer positiven Bilanz seit der Hauptversammlung 1961 versicherte der Bundesvorstand 1963 den Mitgliedern des DBwV, dass „die notwendig werdende Wachablösung keine Kursänderung der Verbandspolitik bringen wird“. 30.000 neue Mitglieder waren dem DBwV beigetreten, so dass Anfang 1963 mit Fahnenjunker Willemsen das einhunderttausendste Mitglied begrüßt werden konnte. Damit war die Bedingung erfüllt, die Bundeskanzler Konrad Adenauer zur Voraussetzung für einen offiziellen Empfang des Verbandes im Bundeskanzleramt gemacht haben soll. Bereits im Juli 1962 hatte Bundespräsident Heinrich Lübke den Bundesvorstand zu einem Gespräch in die Villa Hammerschmidt eingeladen.

Entscheidung zwischen Beruf und Verband

Die Führung des DBwV und Vorbereitung der anstehenden 5. Hauptversammlung lag seit dem 8. April 1963 auf den Schultern von Major i.G. Lothar Domröse. Der Absolvent des zweiten Generalstabslehrgangs an der Führungsakademie der Bundeswehr in Bad Ems war 1959 bis 1962 als G3-Offizier in der Panzerbrigade 8 „Lüneburg“ für die Ausbildung, Planung, Operationsführung sowie Organisation verantwortlich und 1962 in den Führungsstab des Heeres berufen worden.

Mit dem „verbandsbewährten Kameraden“, der wie Molinari aus der Panzertruppe kam, verband der Vorstand die Gewissheit, dass ihm die Gratwanderung von Kontinuität und Erneuerung an der Spitze des DBwV gelingen werde. Er erfüllte die hohen Erwartungen bei der Wahrnehmung der Geschäfte des Bundesvorsitzenden – was nicht einfach gewesen sein dürfte. Molinari sah sich bis zur regulären Neuwahl auf der Hauptversammlung weiterhin formal als Bundesvorsitzender. Als er dort offiziell verabschiedet wurde, erkannte er an, dass Domröse „in vorbildlicher Weise in die Schuhgröße 48, die ich nun einmal habe, eingesprungen (ist) und … es ausgezeichnet gemacht“ hat.

Die Enttäuschung der Delegierten war daher groß, als der Vorsitzende Heer, Hauptfeldwebel Hermann Stahlberg, in seinem Eröffnungsreferat „Was erwartet der Soldat vom sozialen Rechtsstaat?“ den Verzicht des Wunschkandidaten auf eine Kandidatur für den Bundesvorsitz bekanntgeben musste. Für die nachvollziehbaren persönlichen Gründe zeigten sie Verständnis. In der Zeit, in der Lothar Domröse den Verband führte, erfolgte seine Beförderung zum Oberstleutnant i.G., die einen Schritt auf dem Weg zu einer vielversprechenden militärischen Karriere markierte.

Die Entscheidung für den „Hauptberuf“, in dem er es bis zum Generalleutnant und Deputy Chief of Staff Operations am Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE) im belgischen Mons brachte, fiel ihm nicht leicht. Die damit verbundenen Verpflichtungen, oftmals in Sieben-Tage-Wochen und rund um die Uhr, ließen den erforderlichen Freiraum für die Führung eines Verbandes mit über 100.000 Mitgliedern nicht zu. Wie sein Sohn, General a.D. Hans-Lothar Domröse, berichtet, fühlte sich sein Vater dem DBwV zeitlebens verbunden. Der Bitte der Delegierten, dem Verband künftig mit Rat und „gelegentlich mit Tatkraft“ zur Seite zu stehen, kam er deshalb nach, für einige Jahre als stellvertretender Bundesvorsitzender.

Keine „Verlegenheitslösung“

„Durch Zuruf“ wählten die Delegierten den stellvertretenden Kommandeur der Panzerbrigade 30 in Ellwangen, Oberst Friedrich Wolfgang „Wolf“ Keilig, zum neuen Bundesvorsitzenden. Er war sowohl im Verteidigungsministerium als auch in den Soldatenverbänden bestens vernetzt. Gemeinsam mit Kameraden aus dem Verband deutscher Soldaten, Dr. Rolf Acker und dem späteren Bundesgeschäftsführer des DBwV Joachim Bergener, hatte er bereits im Juni 1956 von Bonn aus die Gründung eines Bundeswehrverbandes vorangetrieben.

In den vier Jahren an der Spitze des Verbandes gelang es ihm, den DBwV zu festigen und die Kontakte des Verbandes in die Politik auszubauen. Die Neuordnung der Soldatenlaufbahnen, Verbesserungen der Besoldung und Fortschritte bei der Lösung des Wohnungsproblems sowie die Neuordnung des Kantinenwesens standen in diesen Jahren im Mittelpunkt der Verbandsarbeit. Konfliktträchtig war die Auseinandersetzung mit letztlich erfolglosen Bestrebungen der Gewerkschaft ÖTV, Bundeswehrsoldaten in einer eigenen „Fachgruppe“ zu organisieren. Inzwischen zum Brigadegeneral befördert, machte er 1967 den Weg frei für die Wahl von Heinz Vol­land zum Bundesvorsitzenden, der ein neues Kapitel der Verbandsgeschichte eröffnete. Die Gründungs- und Konsolidierungsphase war abgeschlossen. Energisch trieb Heinz Volland in den folgenden 18 Jahren die Professionalisierung und Profilierung des DBwV zum sicherheitspolitischen Player voran.

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