US-Präsident Donald Trump will den Abzug der amerikanischer Soldaten aus Afghanistan beschleunigen. Mit den Verbündeten hat er sich darüber nicht abgestimmt. Foto: US Army

US-Präsident Donald Trump will den Abzug amerikanischer Soldaten aus Afghanistan beschleunigen. Mit den Verbündeten hat er sich darüber nicht abgestimmt. Foto: US Army

19.11.2020
Yann Bombeke/mit Material von dpa

Abzugspläne aus Afghanistan: Trump brüskiert Nato-Partner

Berlin/Washington. Donald Trump bleibt bei seinen Methoden: Anfang der Woche entschied der noch amtierende US-Präsident, weitere Truppen aus Afghanistan und dem Irak abzuziehen – und zwar schon bis Mitte Januar.

Die Präsidentschaftswahl hat er wohl verloren, auch wenn er es noch nicht einsehen will. Aber Donald Trump scheint alles daran zu setzen, seinem designierten Nachfolgen Joe Biden das Leben so schwer wie möglich zu machen, wenn dieser im Januar die Amtsgeschäfte übernimmt. Dazu gehört sicherlich auch die Ankündigung, bis zum Machtwechsel im Weißen Haus das US-Truppenkontingent in Afghanistan von aktuell 4500 auf 2500 Soldaten zu reduzieren. Im Irak soll die Truppenstärke ebenfalls reduziert werden, und zwar von 3000 auf 2500. Eine enge Abstimmung mit den Bündnispartnern hält Trump nicht für nötig – die werden von der Entscheidung des US-Präsidenten genauso überrascht und vor den Kopf gestoßen wie Joe Biden, der vor vollendete Tatsachen gestellt werden soll. „Gemeinsam rein, gemeinsam raus“ – dabei hat sich das die Nato immer wieder für den Afghanistan-Einsatz auf die Flagge geschrieben und damit die Solidarität im Bündnis beschworen.
 
Entsprechend fielen die Reaktionen der Partnernationen aus. Außenminister Heiko Maas warnte heute via Twitter vor einem voreiligen Abzug aus Afghanistan. „Den Zeitplan für den Truppenabzug aus Afghanistan dürfen wir uns nicht von ablaufenden Amtszeiten oder den Wünschen der Taliban diktieren lassen.“ Richtschnur müssten die Entwicklung der Sicherheitslage und die Fortschritte im Friedensprozess bleiben, so Deutschlands oberster Diplomat. Es wäre fatal, wenn die scheidende US-Administration ihre eigenen Erfolge ohne Not wieder zunichtemachen würde. Maas weiter: „Ich will nicht, dass wir unseren Soldatinnen und Soldaten und ihren Angehörigen irgendwann erklären müssen, dass sie umsonst ihr Leben eingesetzt oder gar geopfert haben.“

Scharfe Worte kamen auch vom CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen: „Der angekündigte Truppenabzug aus Afghanistan ist Ausdruck der finalen Phase des Trump-Wahnsinns. Er setzt damit die Sicherheit der USA und ihrer Verbündeten aufs Spiel. Höchste Zeit, dass führende Republikaner dem Präsidenten endlich Einhalt gebieten.“ Nach Medienberichten hatte sich US-Verteidigungsminister Mark Esper nach Beratungen mit führenden Militärs gegen einen weiteren Abzug von Truppen ausgesprochen – und wurde von Trump gefeuert.

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte gegenüber dem Deutschlandfunk: „Die US-Administration agiert würdelos chaotisch.“ Man könne nicht einfach sagen: „Ich packe meinen Koffer und gehe nach Hause.“

Stoltenberg warnt vor einem hohen Preis

Bereits am Dienstag hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg Trumps Vorhaben kritisiert. Der Preis für ein zu schnelles oder unkoordiniertes Verlassen Afghanistans könnte sehr hoch sein, sagte der Norweger und warnte davor, dass das Land wieder zu einem Rückzugsort für internationale Terroristen werde, die Angriffe auf Nato-Länder planten. Auch drohe die Terrororganisation „Islamischer Staat“ in Afghanistan weiter zu erstarken. Bereits jetzt verüben die Islamisten zahlreiche Anschläge in dem Land.

„Wir sind seit fast 20 Jahren in Afghanistan, und kein Nato-Verbündeter will länger bleiben als nötig“, sagte Stoltenberg. Er erwarte, dass alle Alliierten ihre Zusage einhielten, Afghanistan nur abgestimmt und geordnet zu verlassen, wenn die Zeit dafür reif sei. Der Nato-Generalsekretär erinnerte zudem daran, dass die Nato-Partner der USA in Folge der Terrorangriffe auf die Vereinigten Staaten im September 2001 nach Afghanistan gegangen sind. Mehr als tausend Soldaten hätten den Einsatz mit dem Leben bezahlt, sagte Stoltenberg.

Die USA hatten mit den militant-islamistischen Taliban Ende Februar ein Abkommen unterzeichnet, das den schrittweisen Rückzug aller US- und Nato-Streitkräfte bis Ende April 2021 in Aussicht stellt. Die Taliban verpflichteten sich unter anderem zu Friedensgesprächen mit der Regierung in Kabul, die im September aufgenommen wurden. Der Prozess war zuletzt jedoch ins Stocken geraten.

Die Bundeswehr ist seit Ende 2001 in Afghanistan im Einsatz. Aktuell sind rund 1000 deutsche Soldatinnen und Soldaten im Norden des Landes stationiert.

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