Neue US-Hilfe für die angegriffene Ukraine - Die Nacht im Überblick
Die USA unterstützen die Ukraine mit dem bislang größten Rüstungspaket. Russland führt Krieg, aber russische Touristen urlauben ganz normal in Europa? Das stört einige EU-Länder. Der ukrainische Präsident Selenskyj macht dazu einen radikalen Vorschlag. Das Pentagon geht von bisher 70.000 bis 80.000 getöteten und verletzten russischen Soldaten aus. Die Nacht im Überblick und ein Ausblick auf den Tag.
Washington. Die US-Regierung unterstützt die von Russland angegriffene Ukraine weiter mit Hilfen in Milliardenhöhe und kündigt das bisher größte Rüstungspaket aus US-Beständen an das Land an. In dem eine Milliarde US-Dollar (rund 980 Millionen Euro) schweren Paket sind zusätzliche Munition, Waffen und Ausrüstung enthalten, um den kritischen Sicherheitsbedarf bei der Verteidigung der Ukraine zu decken, wie US-Präsident Joe Biden am Montag erklärte. Die USA rüsten die Ukraine im großen Stil auf, um das Land gegen Russland zu unterstützen. Hinzu kommen weitere 4,5 Milliarden US-Dollar (rund 4,4 Milliarden Euro) für den Staatshaushalt.
Das Rüstungspaket beinhaltet dem Pentagon zufolge unter anderem zusätzliche Munition für die Raketenwerfersysteme des Typs Himars und Nasams und 1000 Panzerabwehrraketen vom Typ Javelin. Hinzu kämen 50 gepanzerte medizinische Behandlungsfahrzeuge sowie medizinisches Material, darunter Erste-Hilfe-Kästen, Verbandsmaterial oder Monitore. Die Ausrüstung soll ausschließlich aus den Beständen des Verteidigungsministeriums direkt an die Ukraine gegeben werden. In der Vergangenheit hatte die US-Regierung auch Rüstungshilfen in Form einer Vereinbarung mit der Industrie angekündigt.
Insgesamt hätten die USA der Ukraine seit Antritt der Regierung von US-Präsident Biden vor gut eineinhalb Jahren mit dem neuen Paket nun Waffen und Ausrüstung im Wert von rund 9,8 Milliarden Dollar zugesagt, hieß es weiter. «Dies sind alles entscheidende Mittel, um der Ukraine zu helfen, die russische Offensive im Osten abzuwehren, und auch, um den Entwicklungen im Süden und anderswo zu begegnen», sagte der Pentagon-Spitzenbeamte Colin Kahl über das neue Paket.
Mit den weiteren 4,5 Milliarden US-Dollar an Hilfen der USA (rund 4,4 Milliarden Euro) für den Staatshaushalt soll die ukrainische Regierung grundlegende Funktionen aufrechterhalten können, wie die US-Behörde für internationale Entwicklung erklärte. Dazu zählten Unterstützung für Ukrainer, die seit Beginn des Krieges weiter in die Armut gedrängt worden seien, für Kinder mit Behinderungen und für Menschen auf der Flucht im Land. Kiew werde das Geld in Tranchen erhalten, beginnend mit einer Auszahlung von drei Milliarden im August. Die Mittel sollen dem Land über die Weltbank zur Verfügung gestellt werden. Damit wächst diese Form der Unterstützung der USA für die Ukraine auf 8,5 Milliarden US-Dollar.
Keine erhöhte Strahlungswerte an ukrainischem Atomkraftwerk Saporischschja
Berlin/Washington. Nach dem Beschuss des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) bislang keine Hinweise auf freigesetzte Radioaktivität. «Es liegen keine Hinweise vor, dass in der Ukraine radioaktive Stoffe freigesetzt worden sein könnten», teilte das Amt den Zeitungen der Funke Mediengruppe mit. Alle vorliegenden radiologischen Messwerte bewegten sich demnach «im normalen Bereich». «Das BfS sieht keine akute Gefahr einer Freisetzung von radioaktiven Stoffen, teilt aber die Sorge um einen dauerhaft sicheren Betrieb des AKW Saporischschja.»
Saporischschja ist das größte Akw Europas. Die von russischen Verbänden besetzte Anlage wurde in den vergangenen Tagen mehrfach beschossen. Kiew und Moskau geben sich gegenseitig die Schuld.
Auch nach Erkenntnissen der USA ist es bislang nicht zu einer Freisetzung von Radioaktivität gekommen. «Wir beobachten die Aktivitäten weiterhin genau: Das Kraftwerk, das Energieministerium und die Nationale Behörde für nukleare Sicherheit berichten, dass die Strahlungssensoren weiterhin Daten liefern - und glücklicherweise haben wir keine Anzeichen für erhöhte oder abnormale Strahlungswerte festgestellt», sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, am Montag.
Die USA forderten Russland auf, alle militärischen Operationen in oder in der Nähe von ukrainischen Atomanlagen einzustellen und die volle Kontrolle an die Ukraine zurückzugeben. Zudem unterstützten die USA weiterhin die Bemühungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), ihr Mandat zur technischen Sicherheitsüberwachung zu erfüllen und die Ukraine bei Maßnahmen zur nuklearen Sicherheit zu unterstützen, sagte Jean-Pierre.
Selenskyj fordert Reiseverbot für Russen
«Die wichtigsten Sanktionen sind es, die Grenzen zu schließen, denn die Russen nehmen anderen ihr Land weg», sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj der US-Zeitung «Washington Post» am Montag. Die Russen sollten «in ihrer eigenen Welt leben, bis sie ihre Philosophie ändern». Er reagierte damit auf die Ankündigung der Besatzungsbehörden im südukrainischen Gebiet Saporischschja, ein Referendum über den Beitritt zu Russland abzuhalten. Ähnliche Pläne gibt es für das besetzte Gebiet Cherson.
Selenskyjs Äußerungen treffen auf eine wachsende Diskussion in der EU, die Erteilung von Touristenvisa an Russen zu erschweren oder ganz einzustellen. Auch wenn der Reiseverkehr durch gekappte Flug- und Bahnverbindungen erschwert ist, sind doch im Sommer viele Russen trotz Krieges in die EU gereist. Russlands Nachbar Lettland im Baltikum hat bereits die Visa-Bestimmungen verschärft. Finnland erwägt dies, fordert aber eine Lösung für den ganzen Schengen-Raum. Es sei nicht gerecht, dass Russland einen brutalen Krieg führe, aber Russen als Touristen ganz normal Europa besuchen könnten, sagte Ministerpräsidentin Sanna Marin.
Pentagon schätzt russische Verluste auf 80.000 Mann
Im Ukraine-Krieg sind nach Schätzung des US-Verteidigungsministeriums bislang 70.000 bis 80.000 russische Soldaten getötet oder verletzt worden. Das sagte der Pentagon-Spitzenbeamte Colin Kahl. Aktuelle Angaben der offiziellen Stellen in Russland zu Opferzahlen gibt es nicht. Kahl sagte weiter, der russische Präsident Wladimir Putin habe keines seiner Ziele erreicht. «Sein übergeordnetes Ziel war es, das gesamte Land zu überrennen, einen Regimewechsel in Kiew herbeizuführen und die Ukraine als unabhängige, souveräne und demokratische Nation auszulöschen. Nichts von alledem ist geschehen.»
Ukrainische Getreide-Exporte per Schiff laufen an
Mehrere ausländische Schiffe mit Getreide an Bord haben in den vergangenen Tagen ukrainische Schwarzmeerhäfen verlassen können. Der erste Frachter namens «Razoni» wurde allerdings vom Zielhafen Tripoli im Libanon in die Türkei umgeleitet und lag laut dem Informationsdienst Marine Traffic am frühen Dienstagmorgen vor der türkischen Küste vor Anker. Im Libanon habe der Besteller die seit Kriegsausbruch verzögerte Maisfracht nicht annehmen wollen, berichteten ukrainische Medien unter Berufung auf Diplomaten.
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) warnte nach den ersten Transporten vor zu großer Euphorie. «Die Getreidepreise sind zwar leicht gesunken, aber immer noch auf hohem Niveau», sagte sie der Düsseldorfer «Rheinischen Post» und dem Bonner «General-Anzeiger». Man könne aber nicht sicher sein, ob Putin nicht «weiter Getreide als Waffe nutzen» werde. Der Krieg hatte die ukrainischen Häfen seit Februar blockiert. Im Juli vermittelten die UN und die Türkei eine Einigung auf sichere Ausfuhren des wichtigen Produzenten.
Das wird am Dienstag wichtig
Der europäische Gas-Notfallplan zur Vorbereitung auf einen möglichen Stopp russischer Erdgaslieferungen ist an diesem Dienstag in Kraft getreten. Der Plan sieht vor, dass alle EU-Länder ihren Gasverbrauch von Anfang August bis März nächsten Jahres freiwillig um 15 Prozent senken, verglichen mit dem Durchschnittsverbrauch der vergangenen fünf Jahre in diesem Zeitraum. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs hat Russland seine Lieferungen an die EU bereits drastisch reduziert.