Plädoyer für Kompromisse: Steinmeier ruft zum Dialog im Nahen Osten auf
Als Außenminister hat Frank-Walter Steinmeier die komplizierte Gemengelage im Nahen Osten analysiert. Als Bundespräsident richtet er nun einen Appell an die Region. Mit Skepsis reagiert er auf den US-Präsidenten. Und auch eine Botschaft an Deutschland hat er parat.
Beirut - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat im Libanon zur Aussöhnung und Überwindung der Gewalt im Nahen Osten aufgerufen. «Für mich liegt der Weg in eine gute Zukunft des Nahen Ostens gerade nicht in Zuspitzung und Polarisierung», sagte Steinmeier am Dienstag (30. Januar 2017) vor Studenten der libanesischen Universität in Beirut. Notwendig seien dafür Toleranz, Vermittlung und Ausgleich von Interessen. Die Universität verlieh Steinmeier die Ehrendoktorwürde.
«Ich appelliere an alle Akteure, Spannungen abzubauen und Wege für einen notwendigen Ausgleich zu finden», sagte der Bundespräsident. «Wir wollen und werden hier im Land und in der ganzen Region die Kräfte unterstützen, die verantwortungsbereit sind und sich am Verhandlungstisch ernsthaft um Verständigung bemühen.»
Der ungelöste Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern belaste die gesamte Region, sagte Steinmeier. Indirekt kritisierte er auch die Nahost-Politik des US-Präsidenten Donald Trump. «Auch in Deutschland gibt es viele Zweifel, ob die einseitige Anerkennung Jerusalems (als Hauptstadt Israels) durch die Vereinigten Staaten uns dem Ziel eines friedlichen Nahen Ostens tatsächlich näher bringt.» Der endgültige Status Jerusalems könne nur im Rahmen einer Zweistaatenlösung ausgehandelt werden.
Trotz der Allgegenwart von Gewalt und Konflikten glaube er daran, dass ein Dialog gelingen könne, sagte Steinmeier. Er würdigte Beirut als Stadt, deren Ausstrahlung weit über die Grenzen des Nahen Ostens hinausreiche. «Wo 18 christliche und muslimische Religionsgemeinschaften zusammenleben und sich die Verantwortung für das Gemeinwesen teilen, muss der Brückenschlag gelingen.»
Notwendig seien aber funktionierende und verlässliche staatliche Institutionen. Dafür habe Deutschland viel im Libanon investiert, etwa in Polizei und Grenzsicherung, Armee und Marine. Steinmeier würdigte auch die Leistung des Libanons bei der Aufnahme syrischer Bürgerkriegs-Flüchtlinge. Der Impuls zu einer friedlichen Lösung des Konflikts in Syrien müsse aus der Region selbst kommen.
Auch Deutschland habe die Fähigkeit zum demokratischen Kompromiss erst im 20. Jahrhundert erlernt. «Selbst heute ist die Fähigkeit zum Kompromiss keine Selbstverständlichkeit. Das merken wir in diesem Tagen», sagte Steinmeier weiter. Manche stellten sogar leichtfertig den Wert von Kompromissen an sich infrage und redeten dem «kompromisslosen» Vorgehen autokratischer Herrschaftsformen das Wort.
Bei einem Gespräch mit dem Großmufti Abdul Latif Derian und anderen Religionsführern sagte Steinmeier: «Es ist auch Ihnen zu verdanken, dass der Libanon den Krieg und die Zerstörung hinter sich lassen konnte.» Der Religionspluralismus des Libanons und das friedliche Zusammenleben der Menschen über konfessionelle Grenzen hinweg habe Vorbildcharakter für die Region. «Sie hier im Libanon geben Anlass zur Hoffnung auf eine friedlichere Welt.»
Bei einem Besuch der deutschen Fregatte «Magdeburg» im Hafen von Beirut dankte Steinmeier der Bundeswehr für ihren Einsatz. Rund 120 deutsche Soldaten sind derzeit beim Blauhelm-Einsatz UNIFIL zur Sicherung der Seegrenze des Libanons und zur Bekämpfung des Waffenschmuggels engagiert. Steinmeier würdigte den Beitrag der UNIFIL für den allmählichen Abbau der Spannungen. «Sie haben das Vertrauen in die Bundeswehr verdient», betonte er gegenüber den Soldaten.