05.08.2022
dpa

Selenskyj beklagt blockierte EU-Finanzhilfen für die Ukraine - Die Nacht im Überblick

Die «künstliche Verzögerung» der EU-Hilfen ist laut Selenskyi ein Verbrechen oder ein Fehler. Aus dem Osten der Ukraine werden heftige Kämpfe gemeldet. Erdogan und Putin treffen sich in Sotschi am Schwarzen Meer, laut russischer Seite auch wegen der Lieferung türkischer Kampfdrohnen an Russland. Die Nacht im Überblick und ein Ausblick auf den Tag.

Kiew. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die verzögerte Auszahlung von EU-Finanzhilfen in Milliardenhöhe für sein Land beklagt. Er wolle nicht sagen, welches Land diesmal bremse, sagte er in einer Videoansprache in Kiew. Zuvor hatte aber der Vizechef seines Präsidialamtes, Ihor Schowkwa, Deutschland für die schleppende Auszahlung verantwortlich gemacht. Von neun Milliarden Euro Makrofinanzhilfe sei erst eine Milliarde gezahlt worden.

Bei den EU-Hilfen gebe es eine «künstliche Verzögerung», die entweder ein Verbrechen oder ein Fehler sei, sagte Selenskyj am Donnerstagabend. Jeden Tag erinnere er EU-Politiker daran, dass ukrainische Rentner, Flüchtlinge, Lehrer und andere auf Zahlungen aus dem Haushalt angewiesen seien. Sie dürften nicht zu Geiseln von «Unentschlossenheit oder Bürokratie» in der EU werden.

Das Bundesfinanzministerium hatte schon nach Schowkwas Äußerungen den Vorwurf zurückgewiesen, Deutschland bremse bei der Auszahlung. Nach Angaben der EU-Kommission sind für die ausstehende Summe möglicherweise Garantien von Mitgliedsstaaten nötig, weil eine Absicherung über den EU-Haushalt nicht möglich ist.

Heftige Kämpfe im Osten der Ukraine

Im ostukrainischen Gebiet Donezk gab es weiter intensive Kämpfe bei den Städten Bachmut und Awdijiwka. Nordöstlich und östlich der Nachbarstädte Soledar und Bachmut seien am Donnerstag russische Angriffe abgewehrt worden, teilte der ukrainische Generalstab in Kiew mit. Südlich von Bachmut dauerten die Kämpfe an. Zuvor hatte Brigadegeneral Olexij Hromow eingeräumt, dass sich ukrainische Truppen dort aus dem Dorf Semyhirja zurückziehen mussten.

Fortgesetzte Kämpfe gebe es auch bei der Industriestadt Awdijiwka, hieß es in dem Bericht. Hromow zufolge wurden südöstlich von Awdijiwka Positionen aufgegeben. Die russischen Truppen haben seit dem Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 große Teile der Ost- und Südukraine erobert.

Die ostukrainische Großstadt Charkiw wurde nach Behördenangaben am Donnerstagabend von russischer Artillerie beschossen. Nach ersten Erkenntnissen seien drei Menschen verletzt worden, teilte Bürgermeister Ihor Terechow mit. Die ukrainische Armee hat russische Truppen zwar von der zweitgrößten Stadt des Landes abgedrängt; sie ist aber nicht ganz außer Reichweite der feindlichen Artillerie. In den von Russland eroberten Teilen des Gebiets Charkiw wurde eine russische Steuerverwaltung eingeführt, wie die russische Nachrichtenagentur Tass meldete.

Weitere Schiffe mit ukrainischem Getreide legen ab

Die mit Mais beladenen Frachter «Navi Star», «Rojen» und «Polarnet» sollen aus den ukrainischen Häfen Tschornomorsk und Odessa in Kürze auslaufen. Agrarexporte über die ukrainischen Schwarzmeerhäfen waren wegen des russischen Angriffskrieges monatelang blockiert gewesen. Am 22. Juli 2022 unterzeichneten die Kriegsgegner Ukraine und Russland unter UN-Vermittlung jeweils getrennt mit der Türkei ein Abkommen, um Getreideausfuhren aus der Ukraine wieder zu ermöglichen.

Ein Koordinierungszentrum in Istanbul ist mit Vertretern der vier Parteien besetzt. Die Inspektionen sollen unter anderem sicherstellen, dass Schiffe keine Waffen geladen haben. Am Montag hatte als erstes Schiff seit Kriegsbeginn ein mit 26 000 Tonnen Mais beladener Frachter den ukrainischen Hafen Odessa verlassen. Die «Razoni» soll am Sonntag im Libanon ankommen.

Das wird am Freitag wichtig

Wenn Putin und Erdogan sich heute in dem russischen Sommerurlaubsort Sotschi am Schwarzen Meer treffen, wird es neben dem Krieg in der Ukraine auch um die Lage in Syrien gehen. Die Türkei plant eine neue Offensive im Norden Syriens, Moskau hat zuletzt deutlich davon abgeraten.

Laut Kreml stehen auch mögliche Drohnenverkäufe des NATO-Mitglieds Türkei an Moskau auf der Tagesordnung. Von türkischen Quellen wurde das vorerst nicht bestätigt. Erdogan hatte bereits kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges gesagt, er schließe Waffengeschäfte mit Russland nicht aus. Sollte Russland, wie angestrebt, die Drohnen gemeinsam mit der Türkei entwickeln, bekäme Moskau auch Zugriff auf die Technik eines NATO-Mitgliedstaates.

Russland hatte Interesse an der im Krieg auch von Kiew erfolgreich eingesetzten türkischen Kampfdrohne Bayraktar TB2 gezeigt. Putin habe vorgeschlagen, gemeinsam mit der Türkei an den Drohnen des Unternehmens Baykar zu arbeiten, hatte Erdogan nach Angaben des Senders CNN Türk gesagt. Eine entsprechende Fabrik könne in den Vereinigten Arabischen Emiraten gegründet werden. Das hätten die Emirate angeboten.

Der Vorsitzende von Baykar, Haluk Bayraktar, hatte Mitte Juli 2022 hingegen dem Sender CNN International gesagt, man habe Russland keine Drohnen geliefert und werde das «nie tun». «Wir unterstützen die Ukraine.»

Waffengeschäfte mit Russland haben der Türkei in der Vergangenheit scharfe Kritik eingebracht. 2017 hatte Ankara das russische Raketenabwehrsystem S-400 erworben. Als Reaktion darauf hatten die USA unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump Sanktionen gegen die Türkei verhängt. Die Türkei wurde zudem von einem wichtigen Rüstungsvorhaben, der Entwicklung des Kampfflugzeugs vom Typ F-35, ausgeschlossen.