Die Initiative „Nato 2030“ verfolgt das Ziel, das Bündnis fit für die Zukunft zu machen, doch die Reformpläne des Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg stoßen nicht bei allen Bündnispartnern auf Gegenliebe. Foto: Nato

Die Initiative „Nato 2030“ verfolgt das Ziel, das Bündnis fit für die Zukunft zu machen, doch die Reformpläne des Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg stoßen nicht bei allen Bündnispartnern auf Gegenliebe. Foto: Nato

09.03.2021
ssc, dpa

Abschreckungsbudget: Bündnispartner gegen Reformpläne des Nato-Generalsekretärs

Brüssel: Noch vor rund drei Wochen sprach sich Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einer Videokonferenz der alliierten Verteidigungsminister vehement für neue Reformen des Bündnissystems aus. Jetzt wird deutlich, seine Pläne finden bei den meisten beteiligten Nationen nur wenig Rückhalt.

Ein Beispiel: Stoltenbergs Bemühungen um eine deutliche Steigerung der Gemeinschaftsausgaben für Abschreckung und Verteidigung. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur haben etliche Alliierte in bündnisinternen Beratungen deutlich gemacht, dass sie nicht bereit sind, so weitreichende Vorschläge zu unterstützen. Indirekt bedeutet das ein klares Nein zur grundlegenden Reform der Finanzierung, denn die Nato-Entscheidungen werden grundsätzlich nach dem Konsensprinzip getroffen, also einer vollständigen Zustimmung aller beteiligten Nationen.
 
Stoltenberg hatte Mitte Februar im Rahmen seiner Reforminitiative „Nato 2030“ vorgeschlagen, die Kosten für Maßnahmen innerhalb des Bündnisgebiets wesentlich stärker zu vergemeinschaften. Demnach sollten Nato-Mitglieder nicht mehr alle Kosten selbst tragen müssen, wenn sie sich zum Beispiel an der Stationierung von Truppen im Baltikum, an Übungen oder an Luftüberwachungseinsätzen beteiligen. Wenn ein Teil der Kosten für solche Aktivitäten aus der Gemeinschaftskasse komme, werde das Alliierte dazu anregen, mehr Fähigkeiten bereitzustellen, argumentierte der Norweger. Gemeinsam mehr Geld auszugeben, würde zudem das Versprechen zur gegenseitigen Verteidigung untermauern und zu einer faireren Lastenteilung beitragen. Der DBwV hatte über die Reformpläne berichtet.

Genau an diesem System stören sich aber etliche der 30 Bündnispartner. Der Vorschlag gleiche den „Cash-for-troops“-Überlegungen der Trump-Regierung. Diese sahen vor, dass die USA den Bündnispartnern für die Stationierung von US-Truppen saftige Rechnungen ausstellen. Zudem argumentieren Kritiker, dass Anstrengungen für die gemeinsame Sicherheit und kollektive Verteidigung selbstverständlich seien und nicht von Bezahlung abhängig gemacht werden sollten. 

Die Finanzierungsreform ist nicht der einzige Vorschlag Stoltenbergs, der bei den Alliierten auf Kritik stößt. Große Skepsis herrscht zum Beispiel auch bezüglich des Aufbaus eines neuen Bündniskommandos für Ausbildungseinsätze, was viele für überflüssig halten. Und auch Stoltenbergs neue Vorgaben zu Mindeststandards für die Widerstandsfähigkeit von kritischer Infrastruktur stoßen auf wenig Gegenliebe. Beim Thema Resilienz befürchteten Mitgliedstaaten eine inakzeptable Beschneidung nationaler Kompetenzen.

Doch nicht alle Reformideen des Nato-Generalsekretärs werden kritisiert. Viele Bündnispartner befürworten eine intensivere Beschäftigung mit den sicherheitspolitischen Konsequenzen des Klimawandels und eine Stärkung der transatlantischen Zusammenarbeit zur Entwicklung neuer und revolutionärer Technologien. Als konsensfähig gilt zudem ein Plan, das strategische Konzept der Nato zu überarbeiten und zusätzliche Konsultationen einführen, um die politische Koordinierung zu stärken. So ist zum Beispiel im Gespräch, künftig ein Mal im Jahr auch ein informelles Treffen der Außenminister zu organisieren.
 
Das erste könnte nach Angaben aus Bündniskreisen noch in diesem Halbjahr zur Vorbereitung des geplanten Gipfeltreffens organisiert werden. Bei ihm sollen der neue US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs abschließend entscheiden, welche Reformprojekte umgesetzt werden. Einen Termin für den Gipfel gibt es noch nicht. Als eine Option gilt, ihn im Juni vor oder nach dem G7-Treffen in Großbritannien zu organisieren.

Öffentlich wollte sich auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur niemand zu den internen Diskussionen äußern. Aus Stoltenbergs Stab hieß es, die Gespräche über die Reformvorschläge würden sehr konstruktiv geführt und stünden erst am Anfang. Diplomaten aus Mitgliedstaaten betonten, es gebe weiter sehr breite Unterstützung für den Generalsekretär - auch wenn ein Teil seiner Reformvorschläge bei einigen auf erhebliche Ablehnung stoße.

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