Die Korvette "Braunschweig" im Hafen von Limassol auf Zypern. Gerade im Mittelmeeraum hat die Deutsche Marine vielfach Führungsverantwortung übernommen. Foto: Bundeswehr/Griebel

20.12.2022
Von Tobias Lindner

Aktuelle Herausforderungen können nicht allein militärisch gelöst werden

Maritime Sicherheit ist integrierte Sicherheit: Es geht um den Schutz unserer Art zu leben und die Stärke und Resilienz unserer Demokratie in Deutschland und Europa. Und es geht um ökologische Sicherheit.

Wenn voraussichtlich im Februar Deutschlands erste Nationale Sicherheitsstrategie veröffentlicht wird, wird die maritime Domäne darin absehbar eine Rolle spielen. Die Strategie wird dabei nicht nur die sicherheitspolitische Tradition fortschreiben, nach der Deutschland als Handelsnation von jeher von sicheren Seewegen abhängig ist. Schließlich wurde auch im „Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ die Bedeutung des ungehinderten Seetransports für unsere Wirtschaft unterstrichen.

In der Gegenwart geht es zusätzlich darum, die Bedeutung der Meere in ein sicherheitspolitisches Gesamtpanorama aufzunehmen. Wie breit dieses ausfällt, veranschaulicht eine kurze, sicher nicht vollständige Bestandsaufnahme jüngerer Ereignisse: Im aktuellen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine spielt die russische Flotte vor allem mit ihren weitreichenden Raketen eine Rolle, auch bei der Zerstörung ziviler Infrastruktur. Über See erfolgt gleichzeitig der von den Vereinten Nationen mühsam verhandelte Export ukrainischen Getreides insbesondere zu den bedürftigen Abnehmern weltweit.

In der Ostsee, dem Nordatlantik und dem Mittelmeer leisten die maritimen Einsatzverbände der NATO wichtige Beiträge zum Schutz der strategisch wichtigen Gewässer und damit zur Bündnisverteidigung. Welche Aufgaben sprichwörtlich vor unserer Haustür zusätzlich bestehen, erfuhr die Öffentlichkeit mit der vermutlichen Sprengung der Gaspipelines Nordstream I und II Ende September 2022. Sie veranschaulicht die Gefährdung unserer maritimen Infrastruktur, von Pipelines, aber auch von Glasfaserkabeln als wichtigem Baustein unserer globalen digitalen Vernetzung und Hauptschlagadern unserer modernen Kommunikation.

Welthandel hat sich von Schock immer noch nicht erholt

Für viele unerwartet hatte auch die Covid-19-Pandemie ein maritimes Gesicht. Vor allem die chinesische Politik zur Pandemieeindämmung führte immer wieder zu Hafenschließungen und damit Stillständen in den globalen Lieferketten. Bis heute hat sich der Welthandel nicht von diesem Schock erholt. Die Effekte wurden zwischenzeitlich noch durch die Havarie des Containerschiffs „Ever Given“ verstärkt, das über Wochen den Suezkanal und damit den Zugang zum Mittelmeer blockierte.

Dieses wiederum ist in den letzten Jahren ein immer vielfältigeres Gebiet maritim zu bewältigender Sicherheit geworden. Es ist eine Transitroute für Migranten, darunter viele Kriegsflüchtlinge vor allem aus Ländern Afrikas, aber auch aus Syrien, dem Irak und Afghanistan. Die Bekämpfung krimineller Schleuser, die sich nicht um das Wohlergehen der Flüchtenden scheren, ist deswegen eine wichtige Aufgabe. Die NATO-Mission SEA GUARDIAN trägt hierzu mit ihrem seeseitigen Lagebild bei. Mindestens so wichtig bleibt die Rettung von Menschenleben, die nicht nur als Herausforderung für die Anrainerstaaten gesehen werden darf, sondern vor allem eine humanitäre Pflicht für ein menschenfreundliches Europa ist. Es ist dem unermüdlichen Einsatz der Küstenwachen der EU-Staaten, aber vor allem auch den zahlreichen zivilen und humanitären Helfern zu verdanken, dass tausende Menschen vor dem Ertrinken gerettet werden konnten.

Deutschland hat vielfach Führungsverantwortung übernommen

Vor Nordafrika besteht zusätzlich die Notwendigkeit, den Waffenhandel mit den Konfliktparteien im libyschen Bürgerkrieg zu unterbinden und so das VN-Waffenembargo durchzusetzen. Die EU hat hier mit der Mission „EUNAVFOR MED Irini“ eine wichtige Aufgabe übernommen. Gleichfalls erfüllt die EU mit der Anti-Piraterie-Mission „EUNAVFOR Somalia“ auch am Horn von Afrika eine wichtige Funktion für die Sicherheit humanitärer Hilfstransporte und der zivilen Schifffahrt. Ebenso sind die Vereinten Nationen mit dem Maritimen Einsatzverband von UNIFIL im östlichen Mittelmeer seit Jahren aktiv, in dem sie dem Libanon bei der Erstellung des maritimen Lagebilds helfen. Deutschland nimmt an diesen Missionen kontinuierlich mit Einheiten teil und hat vielfach Führungsverantwortung übernommen.

Die Bedeutung der See wird noch gesteigert, wenn man den Aufstieg Chinas in den Blick nimmt und erkennt, was für eine wesentliche Rolle Handelsrouten und strategisch wichtige Häfen in Chinas handels- und sicherheitspolitischen Überlegungen spielen.

Jedoch nicht allein die Nutzung der Meere durch andere, sondern auch die Meere selbst werden für Menschen und Staaten zu einer strategischen Herausforderung. Der prognostizierte Anstieg des Meeresspiegels in Folge des Klimawandels wird viele Staaten ernsthaft bedrohen, manche Inseln und Küstenregionen sogar existentiell. Die Verschmutzung der Meere wiederum bedroht die Artenvielfalt mit allen Folgen, die dies für sensible Ökosysteme und alle jene, die von den Früchten des Meeres leben, bedeuten kann.

Baerbocks Dreiklang gilt auch fürs Maritime

Was folgt daraus für die Nationale Sicherheitsstrategie? Aus meiner Sicht zweierlei: Erstens, der von Bundesministerin Annalena Baerbock in ihrer Rede am 18. März 2022 zum Auftakt des Prozesses zur Nationalen Sicherheitsstrategie aufgestellte Dreiklang gilt auch für die maritime Sicherheit: Es geht um den Schutz der Unversehrtheit unseres Lebens und unseres Landes, das heißt Verteidigung. Es geht um den Schutz unserer Art zu leben und die Stärke und Resilienz unserer Demokratie in Deutschland und Europa. Und es geht um ökologische Sicherheit.

Zweitens wird deutlich: Diese Herausforderungen sind weder allein maritime Aufgaben noch können sie allein militärisch gelöst werden. Wir benötigen vielmehr eine Verbreiterung und Vertiefung der bestehenden Ansätze. Einerseits, indem unsere verschiedenen Instrumente u.a. aus Wirtschafts- und Finanzpolitik, Polizeiarbeit, humanitärer Hilfe, Stabilisierung und Konfliktprävention, aber auch Militär enger und wirkungsvoller verzahnt werden. Es geht um eine integrierte Sicherheit für Deutschland. Aber das allein reicht nicht. Denn bereits der Blick auf die Größe der Meere und Ozeane zeigt, dass kein einziger Staat hier alleine erfolgreich sein kann. Gerade maritim sind wir auf ein enges Zusammenwirken mit unseren Partnern angewiesen. Sei es in den Vereinten Nationen und bei der Stärkung von Normen und Regeln auf See, sei es mit der NATO und EU, wenn es um die Umsetzung der Mandate und unsere eigene Sicherheit geht. In anderen Worten: Maritime Sicherheit geht alle an und ist von einer nationalen Sicherheit, die in Deutschland traditionell als eine multilaterale verstanden wird, nicht zu trennen.

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