Die Wehrbeauftragte Eva Högl stellte am Dienstag den Wehrbericht für das Jahr 2023 vor. Foto: picture alliance / Lorenz Huter/photothek.de/Lorenz Huter

Die Wehrbeauftragte Eva Högl stellte am Dienstag den Wehrbericht für das Jahr 2023 vor. Foto: picture alliance / Lorenz Huter/photothek.de/Lorenz Huter

12.03.2024
Eva Krämer

Wehrbericht 2023: Immer noch von allem zu wenig

Personal, Material und Infrastruktur sind weiterhin Dauerbrenner – so die Bilanz des Wehrberichts 2023, den die Wehrbeauftragte Eva Högl am Dienstag vorstellte. Die Probleme sind bekannt, die Fortschritte im Vergleich zum Vorjahr sind überschaubar.

Berlin. Die drei Dauerbrenner Personal, Material und Infrastruktur seien wenig überraschend, so die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) im Wehrbericht 2023: „Die Truppe altert und schrumpft. […] Es mangelt an Material vom Großgerät bis zu Ersatzteilen.“ Durch die Abgaben an die Ukraine sind die Mängel beim Material noch größer geworden.

„Ich muss leider feststellen: Es ist immer noch von allem zu wenig“, erklärt Högl. Weiterhin fehlen Munition, Funkgeräten, Schiffen, Panzern und Flugzeugen.

Einer der Dauerbrenner: Die Infrastruktur, die vielerorts desaströs ist. Högl spricht von „maroden Stuben, verschimmelten Duschen und verstopfen Toiletten.“ Es sei zum Teil beschämend und dem Dienst unserer Soldatinnen und Soldaten völlig unangemessen, in welchem schlechten Zustand die Kasernen sind.

Die Personallage ist besorgniserregend: 20.000 Stellen sind unbesetzt. Auch die Abbruchquote ist weiterhin hoch: Rund 26 Prozent der Rekrutinnen und Rekruten brechen die Ausbildung vorzeitig ab.

„Ich komme nicht umhin festzuhalten, dass auch im zweiten Jahr der Zeitenwende substanzielle Verbesserungen bei Personal, Material und Infrastruktur auf sich warten lassen“, sagte die Wehrbeauftragte. Alle drei Bereiche müssen im Gleichklang vorangebracht werden. „Daran muss weiter mit Hochdruck gearbeitet werden.“

Zwei-Prozent-Ziel nicht eingehalten

Die finanzielle Lage bleibt schwierig. Zwar gab es einen deutlichen Anstieg der finanziellen Mittel für die Bundeswehr auf nun 58,5 Milliarden Euro, doch die Zwei-Prozent-Quote konnte auch im Jahr 2023 nicht eingehalten werden. „Zum Ende des Berichtszeitraums waren bereits zwei Drittel des Sondervermögens gebunden“, sagte Högl. Mit dem Auslaufen des Sondervermögens muss der Etat stark wachsen – besonders durch die Aufstellung einer Brigade in Litauen.

Einen Lichtblick gibt es immerhin im Wehrbericht: die persönliche Ausrüstung der Soldaten. „Bei vielen Truppenbesuchen sehe ich die leuchtenden Augen von Soldatinnen und Soldaten, die stolz ihre neue Ausrüstung präsentieren“, schreibt Högl. Aber der Truppe fehlen Spinde, um die Ausrüstung zu lagern.

Das Ziel ist also noch lange nicht erreicht: „In vielen Bereichen wurden wichtige Weichen gestellt und Vorhaben auf den Weg gebracht – selbst wenn es noch Zeit brauchen wird, bis die Truppe die Ergebnisse hiervon spürt“, so die SPD-Politikerin.

Wüstner: „Jetzt zu investieren, ist elementar“

Der Bundesvorsitzende Oberst André Wüstner fordert angesichts der großen Mängel bei der Bundeswehr umfangreiche Investitionen in die Truppe: „Wir haben in allen Teilstreitkräften massive Probleme gemessen am Auftrag, an der Lage“, sagte Wüstner am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. Keine einzige Heeresbrigade sei einsatzbereit. „Jetzt zu investieren, ist elementar.“

Wüstner betonte, dass das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr habe „leider Gottes“ nichts verbessert. Seit 1990 seien mehrere Hundert Milliarden Euro eingespart worden, man habe sich nur auf internationales Krisenmanagement ausgerichtet und jetzt seien Landes- und Bündnisverteidigung wieder ein Schwerpunkt. Dafür sei die Bundeswehr nicht aufgestellt. Högl habe schon 2023 von mindestens 300 Milliarden Euro gesprochen, die es dafür brauche. „Deswegen ist 2024 ein Schlüsseljahr für die Bundeswehr, für Deutschland für Europa mit Blick auf Frieden und Freiheit, insbesondere mit Blick auf die Ukraine“, sagte Wüstner.

Lob für die Truppe

„Wie professionell, loyal, engagiert und kreativ unsere Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst leisten und ihre vielen Aufträge erfüllen, beeindruckt mich jeden Tag. Zumal sie keinen Job haben wie jede oder jeder andere“, sagte Högl. „Sie garantieren Freiheit, Frieden und Demokratie – im Ernstfall mit ihrem eigenen Leben. Dafür verdienen sie die größte Anerkennung und Wertschätzung.“

Frauen sind unterrepräsentiert

Der Anteil von Frauen in der Bundeswehr ist im Vergleich zum Vorjahr zwar leicht gestiegen, doch in vielen Bereichen sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. „Es braucht weitere Anstrengungen bei der Gleichstellung und Chancengleichheit bei der bedarfsgerechten persönlichen Ausstattung, bei der Schaffung von familienfreundlichen Arbeitszeiten- und Karrieremodellen und beim Ausbau der Kinderbetreuung, damit die Bundeswehr für Frauen attraktiv ist“, schreibt Högl. Vor allem in den Führungspositionen gibt es zu wenige Frauen. „Die Zahlen haben sich zum Vorjahr nicht verändert.“

„Die Fortschritte sind bislang noch eher punktuell statt flächendeckend, an der Oberfläche statt in der Substanz. Beim Personal, Material und Infrastruktur ist weiterhin viel zu tun“, so Högls Fazit. „Daher möge der Jahresbericht 2023 ein weiterer Impuls sein, der noch mehr Energie und Engagement für Verbesserungen freisetzt.“

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