Stabsfeldwebel Magdalena Maria Gorska hat nicht nur vier Mal im Einsatz gedient, sondern setzt sich als Militärische Gleichstellungsbeauftragte für Schwierigkeiten von Männern und Frauen gleichermaßen ein. Foto: Bundeswehr/Dorow

Stabsfeldwebel Magdalena Maria Gorska hat nicht nur vier Mal im Einsatz gedient, sondern setzt sich als Militärische Gleichstellungsbeauftragte für Schwierigkeiten von Männern und Frauen gleichermaßen ein. Foto: Bundeswehr/Dorow

13.01.2021
Christine Hepner

„Definitiv musste ich mehr Leistung bringen, um anerkannt zu werden”

Stabsfeldwebel Magdalena Maria Gorska kam im Sommer 2001 zur Bundeswehr, kurz nachdem alle Laufbahnen für Frauen geöffnet wurden. Heute ist sie Militärische Gleichstellungsbeauftragte Kommando Heer in Strausberg. Für unsere Redaktion berichtet Stabsfeldwebel Gorska, wie sie zu dieser Aufgabe gekommen ist und was sie sich künftig für ihre Arbeit wünscht.

Die Bundeswehr: Frau Stabsfeldwebel, Sie sind 2001 zur Bundeswehr gekommen. Was hat Sie bewegt, sich beim Heer zu verpflichten?

Magdalena Maria Gorska: Zur Bundeswehr bin ich am 2. Juli gekommen, kurz nachdem alle Laufbahnen für Frauen geöffnet wurden. Zuvor hatte ich unter anderem eine Ausbildung als Kauffrau im Einzelhandel absolviert und in der Diskothek gearbeitet. Viele unserer Securitys waren Kameraden aus Wildeshausen von den Fallschirmjägern. Und natürlich hatte man das eine oder andere nette Gespräch und dann dachte ich: Das willst du auch mal versuchen.

Ich habe mir damals nicht wirklich Gedanken gemacht. Ich wollte etwas ausprobieren, was Neues sehen und die Welt kennenlernen, das war der Schritt in die Selbstständigkeit. Und das war es definitiv, als ich am 3. September nach Murnau versetzt wurde.

Sie sind aus ihrer Heimat Bremerhaven nach Murnau gegangen, wie waren die ersten Tage vor Ort?

Wie ich dort angekommen bin, werde ich nie vergessen – so mit Röckchen, Dienstanzug, chic mit rotem Barrett. Die Gebirgsfernmelder haben mich angestarrt. Da wusste ich noch nicht, dass ich die Allererste dort im Bataillon war. Die Sanis waren schon voll und ganz integriert in die Truppe, aber ich war tatsächlich die Erste und da war dann das Gefühl: Jetzt bist du allein, jetzt hast du keinen mehr. Das war nicht so einfach.

Wie wurden Sie von Ihren Kameraden aufgenommen?

Es gab offene Kameraden, die sich mit mir unterhalten haben und neugierig waren. Manche habe ich erst auf den Lehrgängen kennengelernt. Aber es gab auch welche, die überhaupt nicht mit mir gesprochen haben, die den Frauen gegenüber sehr distanziert waren.

Frau Stabsfeldwebel, haben Sie das Gefühl, dass Sie mehr Leistung bringen müssen, um anerkannt zu werden?

Definitiv musste ich mehr Leistung bringen, um anerkannt zu werden. In meiner gesamten Dienstzeit hat man mir immer wieder das Gefühl vermittelt, dass ich mich mehr beweisen muss für das, was ich bin: eine Soldatin, eine Trägerin der Uniform. Und das nimmt auch nicht ab, obwohl ich schon 20 Jahre dabei bin, vier Auslandseinsätze absolviert habe und den Dienstgrad eines Stabsfeldwebels habe – worauf ich sehr stolz bin.
 
Sie sind militärische Gleichstellungsbeauftragte Kommando Heer, wie sind Ihre Erfahrungen in dem Wahlamt?

Sobald ich sage, dass ich Gleichstellungsbeauftragte bin, dann kommt immer irgendeine Geschichte von einer Frau, die aus der Reihe getanzt ist, als wäre ich für jede Frau des Heeres verantwortlich. Vor allem, wenn neue Kameraden zu uns ins Kommando Heer versetzt werden, ist die Einbindung der Gleichstellungsbeauftragten eine große Herausforderung. Dann wird gesagt: Warum soll ich die einbinden, hier gibt es doch kaum Frauen? Aber das macht nichts. Wir sind für Frauen und Männer zuständig. Ich würde sagen, ich mache 75 Prozent Aufklärung und 25 Prozent Gleichstellungsarbeit.

Wie kamen Sie dazu, Militärische Gleichstellungsbeauftragte Kommando Heer zu werden? Wie wurden Sie auf das Amt vorbereitet?

Meine erste Amtszeit war ab 2005. Ich habe zuvor eine Weiterbildung zu diesem Thema bei Frau Oberstleutnant Röder absolviert. Und die hat ganz klasse über Gleichstellung, Vereinbarkeit von Familie und Dienst und Ungleichbehandlung referiert. Diese Themen haben mich sehr interessiert und sie hat mir geraten, mich zu bewerben. Kurz danach wurde ich bei den Wahlen beim Streitkräfteunterstützungskommando gewählt. Und dann saß ich da als junge Oberfeldwebel in Köln-Wahn, in einem Büro mit Mobiliar, Rechner, Telefon und sollte Gleichstellung durchsetzen. Keiner hat mich an die Hand genommen, man ist wirklich allein gelassen worden. Ein paar Wochen später habe ich dann einen Lehrgang für militärische Gleichstellungsbeauftragte besucht, das Problem aber war, dass man uns nur das Gesetz beigebracht hat, aber nicht, wie wir das in der Praxis umsetzen sollen.
 
Wir haben also Netzwerke gebildet, auch mit den zivilen Gleichstellungsbeauftragten, und so habe ich meine Erfahrungen gesammelt. Aber die ersten Jahre habe ich nur um Einbindung gekämpft. Damals hatte ich um die 20000 Männer und Frauen zu betreuen. In 52 Wochen hatte ich zwischen 50 und 60 Dienstreisen, um Vorträge zu halten, Gespräche zu führen, Aufklärung zu machen. Das war Grundlagenarbeit, sehr spannend, aber auch sehr fordernd.

Im Jahr 2012 bei der Umstrukturierung der SKB haben Sie die Gleichstellung verlassen, was haben Sie gemacht?

2012 bin ich nach sieben anstrengenden Jahren in die Truppe zurückgegangen. Ich kam nach Bad Reichenhall in die Gebirgsjägerbrigade 23 als Personalfeldwebel. 2015 wurde ich dann in eine multinationale Verwendung beim Multinational Korps Nordeast in Stettin versetzt. Im November 2017 wurde ich dann zur Militärischen Gleichstellungsbeauftragten des Kommandos Heer gewählt und bin nach Strausberg gezogen.

Meinen Sie, dass die Gleichstellung in Ihrem Bereich erreicht worden ist? Wo stehen wir zurzeit mit der Gleichstellung?

Mit dem Begriff Gleichstellung habe ich eigentlich sogar ein Problem. Man kann einen Menschen nicht gleichstellen. Jeder Mensch ist ein Individuum, jeder Mensch ist ein eigener Charakter und die Kunst ist, den Menschen so zu akzeptieren, wie der ist. Wir Frauen sind in den Sachen wie logisches Denken, Organisation und Planung richtig gut. Dagegen haben die Männer den Vorteil bei körperlichen Herausforderungen, Laufen, Tragen und so weiter. Wenn man uns beide zusammennimmt, dann sind wir wirklich eine perfekte Kampfgemeinschaft.

Gleichstellung wird immer gleich auf die Frauen bezogen, auf Frauenquote, Ungleichbehandlung von Frauen. Ja, wir brauchen Frauen, wir brauchen Soldatinnen und diese Fachkräfte, das hat das Heer auch erkannt. Wir sind als Gleichstellungsbeauftragte aber nicht nur für die Frauen da. Wir machen viel mehr. Wir unterstützen bei Beurteilungen, wir beraten die Dienststellenleitung bei Frauenförderung, allgemeine Vereinbarkeit von Familie und Dienst, Eltern-Kind-Arbeitszimmer, Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Die Masse der Männer nutzt das auch.

Ich finde das auch sehr schwierig, bei der Bundeswehr von Gleichstellung zu sprechen. Ich bin vier Mal im Einsatz gewesen und habe 540 Einsatztage. Wenn man draußen ist, ist es egal, ob man eine Frau, ein Mann oder Divers ist, der Feind schießt, ohne zu unterscheiden. Ich wünsche mir, dass den Frauen und Männern bewusst wird, dass das Geschlecht egal ist. Für mich zählt Eignung, Leistung und Befähigung und dass du deinen Job gut kannst. Das ist in allererster Linie das Handwerkzeug, das jeder und jede von uns in der Grundausbildung gelernt hat, beherrscht.

Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Bundeswehr in den letzten 20 Jahren verändert?

Heute haben soziale Komponenten sehr stark an Bedeutung gewonnen: flexible Arbeitszeiten, Kinderbetreuung, Work-Live-Balance, mobiles Arbeiten. Im Friedensbetrieb ist das sehr wichtig. Aber Fakt ist, im Einsatz herrschen ganz andere Bedingungen und für diese Situation muss man bereit sein.

Haben Sie als Gleichstellungbeauftragte mit dem Thema sexuelle Belästigung zu tun?

Meine Aufgabe beim Thema sexuelle Belästigung ist das Aufklären und die Prävention. Dazu halte ich Vorträge oder kurze Workshops auf Tagungen. Denn nur weil man ein Mann ist, ist man vor dieser Situation nicht geschützt. Natürlich leben wir in einer sehr medialen offenen Welt mit Instagram und Facebook und so weiter. Kamerad*innen, die sich vielleicht etwas offener zeigen, kann das negativ ausgelegt werden und zu unnötigen Problemen führen. Gehen Sie respektvoll und kameradschaftlich miteinander um, das ist meine Botschaft zu dem Thema.

Frau Stabsfeldwebel, was wünschen Sie sich vom DBwV in der Zukunft?

Ich wünschte mir eine Gesamttagung DBwV mit den Gleichstellungsbeauftragten, dass wir mehr zusammenarbeiten, denn wir können nur voneinander profitieren. Wir haben sehr viele gemeinsame Themen. Zum Beispiel das Thema systemrelevante Berufe in der jetzigen Situation oder Belegplätze, dass wir, eine Gruppe Gleichstellungsbeauftragten zusammen mit dem DBwV, darum kämpfen, das wünschte ich mir. Und wieder mehr Beiträge zum Thema „Gleichstellung“ im Magazin. Dass sich die Militärischen Gleichstellungsbeauftragten dort vorstellen und zu aktuellen Themen gefragt werden, wäre wünschenswert. Gemeinsam würden wir eine gute Durchsetzungskraft haben.

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