Eva Hoegl, Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, aufgenommen im Rahmen der Vorstellung des Jahresberichtes zum Zustand der Bundeswehr vor der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages in Berlin, 15.03.2022. Foto: dpa

15.03.2022
fke

Jahresbericht der Wehrbeauftragten: „2021 war das Jahr der Bundeswehr“

Im Bericht der Wehrbeauftragten für das Jahr 2021 finden sich viele Themen und Problemlagen, auf die auch der BundeswehrVerband schon lange in Politik und Öffentlichkeit aufmerksam macht. Die Bestandsaufnahme, die Eva Högl vorlegt, ist aber auch das Lob an eine herausragende Truppe „die jeden Tag hochmotiviert und pflichtbewusst ihren Dienst“ leistet. Aber Defizite bei Material und Ausrüstung, personeller Lage und Infrastruktur seien nicht zu übersehen. Das Sondervermögen sei daher eine „Riesenchance“, solange das Geld „sinnvoll investiert“ werde.

„2021 war das Jahr der Bundeswehr“
Die Wehrbeauftragte würdigt in ihrem Bericht ausführlich die Leistungen der Soldatinnen und Soldaten, so etwa im „Amtshilfe-Dauereinsatz“ zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie und bei der „Bewältigung der Hochwasserkatastrophe“. Högl weist aber auch darauf hin, dass „der Kernauftrag der Bundeswehr ein anderer, in erster Linie die Landes- und Bündnisverteidigung“ ist. Gerade vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine brauche man dafür nun „jede Soldatin und jeden Soldat“. Fazit: „Die Amtshilfe muss jetzt enden“

Besonderes Augenmerk legt Eva Högl auf den Afghanistan-Einsatz, der Generationen von Soldatinnen und Soldaten geprägt hat, und auf die „Evakuierungsmission Afghanistan“, die eine „grandiose Leistung“ gewesen sei. Zu sehen, wie das Land nach 20 Jahren Einsatz der Bundeswehr und der internationalen Partner „implodiert“ sei, habe viele Soldatinnen und Soldaten mit Fragen zurückgelassen, so Högl. Für die Zukunft müsse gelten: „Für jeden Einsatz der Bundeswehr müssen die Ziele klar, die Mittel geeignet und die Partner vor Ort verlässlich sein.“ Und die Aufarbeitung des Afghanistan Einsatzes dürfe nicht von „tagesaktuellen“ Ereignissen oder dem Krieg in der Ukraine verdrängt werden, fordert die Wehrbeauftragte.

Aber auch das Engagement der Bundeswehr in Mali, das es zu hinterfragen gelte, in Niger und die Führung der Battlegroup im Rahmen der NATO-Mission Enhanced Forward Presence nennt Högl als Beispiele für eine Truppe, die motiviert, professionell und unter hohem persönlichem Einsatz für Sicherheit, Frieden und Freiheit eintrete. Sie bedauerte sehr, dass aufgrund der Pandemie weitere Truppenbesuche im Ausland nicht möglich waren.

„Sinnvoll“ investieren
Angesichts des breiten Leistungsspektrums der Streitkräfte, der steigenden Anforderungen und des persönlichen Einsatzes von Soldatinnen und Soldaten erfüllen sie die „Berichte über materielle Defizite in allen drei Einsatzgebieten“ mit großer Sorge. Mindestens ebenso besorgniserregend sei laut Högl, dass auch im Grundbetrieb von „train as you fight“ nicht die Rede sein könne.

Es sei daher unablässig, Sondervermögen und Verteidigungsetat „sinnvoll“ zu investieren. Dafür dürfe es keine neuen „Wunschlisten“ geben, denn: „Es ist klar, was es braucht.“ Das beginnt bei Kälte- und Nässeschutz, Helmen, Schutzwesten oder Nachtsichtgeräte und setze sich fort zu „großem Gerät“. Daher müsse in „vorhandenes Material“ investiert werden und man dürfe nicht anfangen „irgendetwas neues zu entwickeln, was dann 2050 zuläuft.“ Persönliche Ausstattung hat Priorität. Das zusätzliche Geld müsse „direkt und zügig in der Truppe“ ankommen. Dafür müsse auch das Vergaberecht angepackt werden, sagt Högl. Das heißt: „Ausnahmen intensiver nutzen“, auch „Direktvergabe“ häufiger ermöglichen und am „Mindset“ derer arbeiten, deren Aufgabe die Beschaffung sei. Parlament und Ministerium müssen außerdem den „rechtlichen Rahmen überarbeiten“, der die Grundlagen für die Arbeit des BAAINBw bildet. Das europäische Vergaberecht sei bisher zu „kleinteilig“ umgesetzt worden, meint die Wehrbeauftragte.

Auch Defizite in der Infrastruktur seien bei Truppenbesuchen immer wieder deutlich geworden. Unterkünfte, sanitäre Einrichtungen, Truppenküchen oder Sportplätzen seien „zum Teil desolat“. „Wenn die Kampfschwimmer in Eckernförder seit über 10 Jahren keine Schwimmhalle haben, in der sie trainieren können“ dann sei das nicht hinnehmbar, kritisiert Högl.

Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro sei daher „in schweren Zeiten eine gute Nachricht für die Bundeswehr“, da so „Einsatzbereitschaft wiederhergestellt werden“ könne, resümiert die Juristin.

„Eher zu wenig Personal“
Neben dem materiellen Defizit, das sich an allen Ecken und Ende erweise, sei auch die personelle Lage verbesserungswürdig. Zwar sei die Bundeswehr „mit 183.695 Soldatinnen und Soldaten grundsätzlich gut aufgestellt“, aber angesichts des breiten Aufgabenspektrums zeige sich, „dass die personellen Spielräume und Reserven der Truppe begrenzt sind“. Daher sei der „Aufwuchs auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten erstmal gut“. Personalgewinnung erfordere aber auch eine Personalwerbung, die „nicht nur mit schönen Plakaten“ sondern mit einem „realistischen Bild“ für die Bundeswehr werbe, fordert Högl. Denn Soldatin oder Soldat zu sein, sei eben kein „normaler Job“, konstatiert sie.

Bundeswehr und Gesellschaft
Banal, aber leider nicht selbstverständlich: „Die Bundeswehr braucht Interesse.“ Eine gesellschaftliche Debatte über die Rolle der Streitkräfte habe sie beispielsweise im Wahlkampf vermisst, so die Wehrbeauftragte bei der Vorstellung des Jahresberichts. Gleichzeitig habe ihr die hohe gesellschaftliche Zustimmung zur Einrichtung des Sondervermögens gezeigt, dass die Menschen eine gut ausgerüstete Bundeswehr wollen. Auch habe sie immer wieder gehört, wie viel Dank und Anerkennung Soldatinnen und Soldaten für ihren Einsatz im Rahmen der Pandemiebekämpung und bei der Beseitigung der Folgen der Hochwasserkatastrophe erfahren haben. Diese Sichtbarkeit tue der Bundeswehr gut und führe auch dazu, dass der Kontakt zwischen Bevölkerung und Bundeswehr zunehme.

Die Grundlage des Berichts
Im Amt der Wehrbeauftragten arbeiten „64 Kolleginnen und Kollegen“ täglich daran, die Eingaben und Anliegen von Soldaten und Soldatinnen zu bearbeiten. Im Jahr 2021 habe es 3967 Vorgänge gegeben, 2606 waren persönliche Eingaben. Das entspreche ungefähr den Zahlen des Vorjahres, so Högl. In den Bericht eingeflossen sind außerdem Informationen, die die Wehrbeauftragte von Truppenbesuchen mitgebracht hat. Immerhin 60 Besuche bei der Truppe und wenigstens auch drei Besuche in Einsatzgebieten, konnte die Wehrbeauftragte trotz Pandemie unternehmen.

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