Es darf bei keinem Gipfel fehlen: Das offizielle Gruppenbild mit den politischen Führern des transatlantischen Bündnisses. Foto: Nato

Es darf bei keinem Gipfel fehlen: Das offizielle Gruppenbild mit den politischen Führern des transatlantischen Bündnisses. Foto: Nato

15.06.2021
yb/fk/dpa

Nato-Gipfel: Für US-Präsident Biden ist der Beistand für Europa „heilige Pflicht“

Eine „systemische Herausforderung“ – als solche hat die Nato auf ihrem Gipfeltreffen in Brüssel die aufstrebende Macht China definiert. Die Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs des Bündnisses war die erste mit US-Präsident Joe Biden. Die Tonlage ist nun wieder wesentlich harmonischer als unter seinem Amtsvorgänger Donald Trump.

Nach schwierigen Jahren schließt die Nato wieder die Reihen und nimmt neben Russland erstmals auch China als strategischen Rivalen ins Visier. Bei ihrem Gipfel äußerten die 30 Mitgliedsstaaten am Montag unter anderem Sorge über Chinas schnelle atomare Aufrüstung, aber auch über koordinierte politische Aktionen Moskaus und Pekings. Wichtig sei deshalb eine enge politische Abstimmung, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie unterstützte das geplante neue Nato -Strategiekonzept. Den Gipfel nannte sie einen Neuanfang.

Denn anders als sein Vorgänger Trump bekannte sich der neue US-Präsident Joe Biden in Brüssel ausdrücklich zur Allianz und zur Beistandspflicht der USA für Europa. Das sei für die USA eine „heilige Pflicht“, sagte Biden in Brüssel. „Ich will ganz Europa wissen lassen, dass die Vereinigten Staaten da sind.“ Damit soll der teils bittere Streit der Trump-Jahre der Vergangenheit angehören. Doch steckt die Nato mitten in einer Reformdebatte, um die von ihr gesehenen neuen Herausforderungen zu meistern.

Die Notwendigkeit des Reformprozesses Nato 2030 ist unbestritten – zu viel hat sich weltpolitisch seit der Verabschiedung des letzten Grundsatzpapiers von 2010 getan. Das Verhältnis zu Russland ist seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 belastet. Für neuen Konfliktstoff haben in den vergangenen Wochen die Vorkommnisse in Belarus gesorgt und die russische Unterstützung aus Moskau für die Politik des weißrussischen Machthabers Lukaschenko.

Für die USA ist der Umgang mit China die große Herausforderung der kommenden Jahre. So sorgen Handelskonflikte, die angespannte Sicherheitslage im Südchinesischen Meer oder Umgang mit der Opposition in Hongkong für politischen Zündstoff. Mit Sorge wird zudem beobachtet, wie China zunehmend versucht, kritische Infrastruktur auch in den Bündnisstaaten unter eigene Kontrolle zu bringen. Hinzu kommt, dass China seine Militärkooperation mit Russland verstärkt hat. Biden warnte nach dem Gipfel: „Russland und China versuchen beide, einen Keil in unsere transatlantische Solidarität zu treiben.“ Er unterstrich aber auch: „Die Nato steht zusammen.“

Zum Abschluss seiner ersten Europareise trifft Biden am Mittwoch in Genf Kremlchef Wladimir Putin. „Ich werde Präsident Putin zu verstehen geben, dass es Bereiche gibt, in denen wir zusammenarbeiten können, wenn er sich dafür entscheidet“, sagte Biden nach dem Nato -Gipfel. „Und in den Bereichen, in denen wir nicht übereinstimmen, klarmachen, was die roten Linien sind.“ Die Staats- und Regierungschefs der Nato hätten ihm gedankt, dass er sich jetzt mit Putin treffe. Er habe mit ihnen darüber beraten, welche Themen bei dem Gipfel mit dem Kremlchef angesprochen werden sollten. Der britische Premierminister Boris Johnson forderte Moskau auf, sein Verhalten zu ändern. „Ich weiß, dass Präsident Biden in den nächsten Tagen einige recht harte Botschaften an Präsident Putin richten wird“, sagte Johnson mit Blick auf das Treffen in Genf.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach nach dem Gipfel von einem „neuen Kapitel“ für das Bündnis. Die Allianz stehe geschlossen gegen Bedrohungen durch autoritäre Systeme wie in Russland und China und wolle gemeinsam „ihre Werte und Interessen verteidigen“. Das gelte besonders in einer Zeit, „in der autoritäre Regime wie Russland und China die auf Regeln basierende internationale Ordnung herausfordern“.

Bundeskanzlerin Merkel machte deutlich, dass ihre Hauptsorge Russland gilt, zumal Moskau die Nato nicht als Partner, sondern als Gegner sehe. Mögliche Bedrohungen durch China solle man nicht negieren, aber auch nicht überbewerten, sagte die CDU-Politikerin. „Also: Wir müssen da die richtige Balance finden.“ Sie fügte hinzu: „China ist Rivale in vielen Fragen. Und China ist gleichzeitig auch Partner für viele Fragen.“ Bei China wie auch bei Russland sei neben Abschreckung auch Gesprächsbereitschaft wichtig.


Merkel lobte die geplante Überarbeitung des Nato -Strategiekonzepts. „Ich unterstütze die Absicht, dass ein neues strategisches Konzept erarbeitet wird, das dann die Herausforderungen noch einmal klar beschreibt und die Reaktionen der Nato“, sagte die Kanzlerin schon vor dem Gipfel. Im bisherigen Strategiekonzept von 2010 wird China in keinem Wort erwähnt. Das neue soll 2022 fertig sein.

Es ging aber nicht nur um Russland und China: Neue und künftige technologische Herausforderungen im Cyber- wie auch im Weltraum wurden besprochen. Bei Attacken in diesen Bereichen soll auch hier künftig die Erklärung des Bündnisfalls nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages möglich sein. Weitere globale Herausforderungen sieht die Nato im Klimawandel, Pandemien, Terrorismus sowie in der Bedeutung kritischer Infrastrukturen – nicht ohne Grund ist Resilienz einer der Schwerpunkte von Nato 2030.

Streitpunkte gibt es allerdings auch: So sind die Mehraufwendungen der Mitgliedsstaaten im Rahmen von Nato 2030 nicht unumstritten für das Bündnis-eigene, zivile Budget. Insbesondere Deutschland und Frankreich vertreten hier unterschiedliche Positionen. Für Dissonanzen hat in vergangener Zeit auch immer wieder das Verhalten einzelner Mitgliedstaaten gesorgt. So gab es Streit mit der Türkei, die in Syrien oder bei der Rohstoffsuche im östlichen Mittelmeer auch gegenüber den Bündnispartnern einen provokativen Kurs gefahren ist. Davon war allerdings zumindest öffentlich beim Gipfel nichts zu spüren: Auch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan demonstrierte man vor den Kameras Geschlossenheit.

In Bezug auf den Einsatz in Afghanistan, der nach fast 20 Jahren endet, bekannte sich das Bündnis zu weiterer Unterstützung auch nach dem Abzug, das politische wie zivile Engagement soll fortgesetzt werden. Merkel warb zudem nach eigenen Worten für eine Aufarbeitung Militäreinsatzes in Afghanistan. Man müsse darüber sprechen, was gelungen sei und was nicht, sagte die Kanzlerin. Das sei man auch den Soldaten schuldig, die in Afghanistan ihr Leben verloren haben. Alleine bei der Bundeswehr waren das 59 Soldaten, 35 davon wurden bei Anschlägen oder in Gefechten getötet.

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