Befehlshaber des neuen Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr wird Generalleutnant Carsten Breuer. Foto: DBwV/Yann Bombeke

25.09.2022
Von Carsten Hoffmann, dpa

Neues Führungskommando – hybride Angriffe gelten als „worst case“

Als Reaktion auf den Überfall Russlands auf die Ukraine stellt die Bundeswehr ein Territoriales Führungskommando auf. Von der Amtshilfe bis zur Landesverteidigung wird nun zentral gesteuert. Zudem wird für die Bundesregierung die Struktur eines Krisenstabes bereitgehalten.

Berlin. Der Befehlshaber des neuen Führungskommandos der Bundeswehr für das Inland, Generalleutnant Carsten Breuer, will die Reaktionsfähigkeit auf eine gezielte Destabilisierung zügig verbessern. Eine „hybride Einflussnahme auf die Sicherheitsarchitektur Deutschlands, also dieser Zustand, bei dem man sagen muss, das ist nicht mehr ganz Frieden, aber es ist auch noch nicht ganz Krieg“, sei der „worst case“ für das Kommando, sagte Breuer der Deutschen Presse-Agentur, bevor die zentrale Befehlsstelle am Montag in Berlin von Kanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (beide SPD) in Dienst gestellt wird.

Als hybride Kriegsführung bezeichnet es das Verteidigungsministerium, wenn gegnerische Mächte auf eine Kombination aus klassischen Militäreinsätzen, wirtschaftlichem Druck, Hackerangriffen auf die Infrastruktur bis hin zu Propaganda in Medien und sozialen Netzwerken setzen. Es entsteht Instabilität, auf die reagiert werden muss. „Dieses zu beherrschen, und zwar in der gesamten Bandbreite, das macht den Kern dieses Kommandos aus“, sagt Breuer dazu.

Als Reaktion auf die veränderte Sicherheitslage nach dem russischen Angriff in der Ukraine hatte die Verteidigungsministerin entschieden, die Führung der Streitkräfte im Inland in dem neuen Kommando in der Berliner Julius-Leber-Kaserne zu bündeln. Für die Führung der Auslandseinsätze hat die Bundeswehr weiter das Einsatzführungskommando in Schwielowsee bei Potsdam.

Das neue Territoriale Führungskommando hat die „operative Führung der Kräfte“ – darunter Heer, Luftwaffe, Marine, Sanitätsdienst und Cyber-/Informationsraum – beim Heimatschutz. Dazu gehören auch Amts- und Katastrophenhilfe, hybride Bedrohungslagen, die zivil-militärische Zusammenarbeit und die Koordination des Aufmarsches verbündeter Kräfte in Deutschland oder die Verlegung über Deutschland. Rund 550 Soldaten und 250 Zivilisten übernehmen die Aufgabe und sind rund um die Uhr in einer Operationszentrale im Einsatz.

„Die Operationszentrale des Kommandos wird 24 Stunden, sieben Tage in der Woche in Betrieb sein. Sie bewertet offene Quellen, wertet aber auch Informationen aus, die militärisch eingestuft sind und führt das Ganze in einem territorialen Lagebild zusammen“, sagt der General. Das Lagebild zeige, wo gehandelt werden müsse und gebe den Rahmen für die weiteren Planungen. Breuer: „Den Wert dieses Kommandos macht eine ununterbrochene, robuste Führungsfähigkeit über das gesamte Intensitätsspektrum hinweg aus, – vom Frieden, von subsidiären Hilfseinsätzen der Streitkräfte über den Spannungs- und Verteidigungsfall bis hin zum Krieg.“

In Deutschland, aber auch anderen europäischen Staaten sind in den Jahren der Entspannung einige eingespielte Verfahren und Praktiken für den Krisen- und Verteidigungsfall nicht mehr geübt oder auch abgebaut worden. Beispiele in Deutschland dafür sind fehlende Sirenen und Alarmierungssysteme, der Verkauf staatlicher Bunker und die Aufgabe von Depots.

„Viele Dinge, die früher auch in der Abstimmung zwischen Bund und Ländern für den Verteidigungsfall geregelt waren, sind vom Ende des Kalten Krieges über die 90er Jahre hinweg bis heute in Vergessenheit geraten“, sagt Breuer. Er nennt die zivil-militärische Zusammenarbeit „in beiden Richtungen“, die Unterstützung der Zivilbevölkerung, aber auch wie Zivilverteidigung, die militärische Landesverteidigung unterstützt. Breuer: „Nur alte Pläne aus der Schublade zu holen und zu entstauben, würde gerade vor dem Hintergrund hybrider Einflussnahme viel zu kurz springen. Wir müssen einer hybriden Einflussnahme genau diese Mittel und Methoden entgegensetzen, die einen Staat, die eine Gesellschaft resilient machen.“

Das neue Kommando soll auch die „Hülle für einen nationalen Krisenstab zur Verfügung stellen“, sagt Breuer. Das Militär hält also Personal und Technik bereit, damit die Bundesregierung Entscheider und Experten künftig schneller an einem Tisch versammeln kann. Breuer hat bereits den Corona-Krisenstab im Kanzleramt geleitet. Der 57-jährige führte als jüngerer Offizier die Heeresflugabwehr, die später aufgelöst wurde. Er ist damit Fachmann für den Einsatz des Flugabwehrkanonenpanzers Gepard, wie er von Deutschland nun der Ukraine zur Verfügung gestellt worden ist.

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