Der Nato-Russland-Rat kam zum ersten Mal seit Juli 2019 in Brüssel zusammen. Foto: Nato

Der Nato-Russland-Rat kam zum ersten Mal seit Juli 2019 wieder in Brüssel zusammen. Foto: Nato

12.01.2022
dpa

Versuch der Wiederannäherung: Russland und Nato reden in Brüssel

Zum ersten Mal seit Juli 2019 tagt in Brüssel wieder der Nato-Russland-Rat. Gelingt eine Wiederannäherung, um die Sorgen vor einem großen militärischen Konflikt in Osteuropa zu dämpfen?

Brüssel. Die Nato und Russland haben angesichts der Gefahr eines neuen Krieges in Osteuropa einen vorsichtigen Versuch der Wiederannäherung unternommen. Bei der ersten Sitzung des Nato-Russland-Rates seit etwa zweieinhalb Jahren tauschten sich Vertreter beider Seiten am Mittwoch in Brüssel rund vier Stunden lang zum Ukraine-Konflikt und anderen aktuellen Streitthemen aus.

Konkrete Ergebnisse konnten am Ende zwar nicht verkündet werden. Nach Angaben von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sind allerdings beide Seiten bereit, den Dialog fortzuführen und einen Zeitplan für künftige Treffen auszuloten.

„Es ist ein positives Zeichen, dass alle Nato-Verbündeten und Russland am gleichen Tisch saßen und sich substanziellen Themen gewidmet haben“, sagte Stoltenberg. Er verwies darauf, dass der Nat-Russland-Rat zuletzt im Juli 2019 getagt hatte. „Das war keine einfache Diskussion. Aber genau deshalb war dieses Treffen so wichtig.“

Zugleich machte der Norweger deutlich, dass die Kriegsgefahr aus Sicht der Nato noch lange nicht gebannt ist. „Es besteht ein echtes Risiko für einen neuen bewaffneten Konflikt in Europa“, sagte er mit Blick auf die Lage um die Ex-Sowjetrepublik Ukraine.

Thema bei den Gesprächen waren nach Angaben von Stoltenberg insbesondere der aktuelle russische Truppenaufmarsch nahe der Ukraine und die Forderungen Moskaus nach neuen Sicherheitsgarantien der Nato. Nach Einschätzung westlicher Geheimdienste soll der Truppenaufmarsch vor allem Ängste vor einem russischen Einmarsch in der Ukraine schüren, um die Nato zu Zugeständnissen zu bewegen.

Konkret fordert Moskau unter anderem den Verzicht der Nato auf eine Aufnahme von Ländern wie der Ukraine und Georgien sowie den Rückzug von Streitkräften aus östlichen Bündnisstaaten, was die Nato hingegen kategorisch ablehnt.

Stoltenberg sagte nach dem Treffen, die Alliierten hätten die „Politik der offenen Tür“ der Nato bekräftigt. Jeder Staat habe demnach das Recht, selbst über seine Sicherheitsstrukturen zu entscheiden.

Reden wolle man aber über mehr Transparenz bei Militärmanövern sowie über Wege, gefährliche militärische Zwischenfälle zu verhindern und Weltraum- und Cybergefahren zu reduzieren. Zudem sei angeboten worden, Fragen der Rüstungskontrolle und Abrüstung zu thematisieren. Dies umfasse auch Raketen und die Atomwaffenpolitik.

Für die russische Regierung nahmen unter anderem Vize-Außenminister Alexander Gruschko und der stellvertretende Verteidigungsminister, Alexander Fomin, an dem Treffen im Nato-Hauptquartier teil. Die Nato-Staaten wurden von ihren Botschaftern beim Militärbündnis oder von Vertretern aus den Hauptstädten repräsentiert. Für Deutschland war Staatssekretär Andreas Michaelis dabei, für die USA Vizeaußenministerin Wendy Sherman.

Sherman sagte nach dem Treffen, die russische Seite habe bei dem Gespräch keine Zusage für Entspannungsmaßnahmen abgegeben, allerdings auch keine gegenteilige Aussage getroffen. Sie forderte Moskau erneut zur Deeskalation auf, „wenn Russland auf diplomatischem Weg zum Erfolg kommen will». Andernfalls drohten «schwerwiegende Konsequenzen“.

Die Delegationsleiterin kritisierte neben dem russischen Truppenaufbau aggressive Rhetorik, Propaganda und Desinformation Moskaus. „Während wir hier sprechen, hat Russland mehr als 100.000 Soldaten entlang der ukrainischen Grenzen zusammengezogen.“

Sherman hatte bereits am Montag die US-Delegation bei bilateralen Gesprächen mit Russland in Genf angeführt. Diese waren auch nicht in konkreten Ergebnissen gemündet, wurden allerdings ebenfalls als möglicher Schritt hin zu einem längeren Dialog gewertet. An diesem Donnerstag soll es auch Gespräche über den Ukraine-Konflikt im Ständigen Rat der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien geben.

Die Atmosphäre zu Beginn des Treffens in Brüssel wirkte angesichts der Probleme dennoch vergleichsweise entspannt. Gruschko und Fomin wurden zu der Sitzung von Stoltenberg begrüßt, der die beiden dann in den Sitzungssaal begleitete. Gruschko begrüßte dort die Vertreter der Nato-Staaten Corona-konform per Faust.

In Russland habe sich in den vergangenen Jahren Misstrauen gegenüber dem „friedliebenden Charakter“ der Nato angestaut, meinte Gruschko vor Beginn des Treffens. Ziel der Zusammenkunft sei eine Stärkung der europäischen Sicherheit, sagte er. Vertreter des russischen Außenministeriums hatten zuletzt immer wieder damit gedroht, dass sich die Spannungen zwischen Russland und dem Westen deutlich verschärfen würden, sollten die USA und die Nato nicht auf Russlands Forderungen nach Sicherheitsgarantien eingehen. Russland sieht sich durch das Voranschreiten der Nato nach Osten in seiner Sicherheit bedroht.

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