Bundeskanzlerin Angela Merkel, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (l.) und der CSU-Vorsitzende Markus Söder geben eine Pressekonferenz im Bundeskanzleramt zu den Ergebnissen der Bund-Länder-Beratungen. Der bis Ende Januar befristete Lockdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Deutschland wird bis Mitte Februar verlängert. Foto: picture alliance/dpa/Reuters/Pool/Hannibal Hanschke

Bundeskanzlerin Angela Merkel, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (l.) und der CSU-Vorsitzende Markus Söder geben eine Pressekonferenz im Bundeskanzleramt zu den Ergebnissen der Bund-Länder-Beratungen. Der bis Ende Januar befristete Lockdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Deutschland wird bis Mitte Februar verlängert. Foto: picture alliance/dpa/Reuters/Pool/Hannibal Hanschke

20.01.2021
dpa

Langes Ringen um Einigkeit: Bund und Länder schärfen Corona-Kurs nach

Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten stecken in einem Dilemma: Die Corona-Zahlen hierzulande sinken, Hoffnungen und Erwartungen auf Lockdown-Lockerungen wachsen - doch die Sorge vor der Virusmutation ist groß. Das Ringen um einen gemeinsamen Kurs wird komplizierter.

Berlin. Am Anfang geht es zügig. Sehr schnell einigen sich Bund und Länder am Dienstag (19. Januar) vorzeitig auf eine Verlängerung des coronabedingten Lockdowns bis zum 14. Februar. Doch dann ist es mit der schnellen Einigkeit vorbei. Vor allem beim Thema Schulen verhaken sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten. Und auch sonst gibt es viele lange Debatten - ein Vorgeschmack auf den Bundestagswahlkampf? Jedenfalls zieht es sich wie lange nicht mehr.

Als Merkel nach mehr als siebenstündigen Beratungen vor die Kameras tritt, haben sich Bund und Länder aber zusammengerauft, wenn auch mit Mühen. «Es hat lange gedauert, ich glaube, es hat sich gelohnt», sagt die Kanzlerin. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), resümiert: «Wir können gemeinsam auch weiterhin viel erreichen.» Und Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) sagt zwar, es wäre «vielleicht noch ein bisschen mehr drin gewesen» - man habe aber doch viel erreicht. «Leidenschaftlich» habe man gerungen, das bestätigen alle Drei.

Die Lage ist kompliziert: Einerseits wächst angesichts der gesunkenen Corona-Zahlen der Wunsch der Menschen nach Lockerungen, insbesondere an Schulen und Kitas. Andererseits gibt es große Sorgen vor der britischen Virusvariante. Klar ist deshalb am Dienstag sehr schnell: Der Lockdown wird zwar noch einmal vorzeitig bis zum 14. Februar verlängert - aber nur an einigen Stellen noch einmal verschärft. Also definitiv kein «Mega-Lockdown», wie es kürzlich mal geheißen hatte.

Sinkende Zahlen und wachsende Sorge

Schon in den Beratungen von Merkel und den Ministerpräsidenten mit einer ganzen Phalanx von Experten am Montagabend war Teilnehmern zufolge das Dilemma deutlich geworden: Zwar entspannen sich nach wochenlangem Lockdown die Infektionszahlen etwas. Auch der wegen Silvester befürchtete Anstieg scheint ausgeblieben. Doch die große Unbekannte bleibt die veränderte Virusvariante, die in Großbritannien und Irland für einen steilen Anstieg der Zahlen gesorgt hatte.

Nicht nur im Kanzleramt ist die Sorge groß, dass die Kurve der Infektionszahlen auch in Deutschland steil nach oben schießen könnte, wenn sich die Mutation durchsetzt. Auch etliche Wissenschaftler sollen in der Anhörung vor einem solchen Szenario gewarnt haben.

Doch nicht nur SPD-Ministerpräsidenten befürchten, dass sie angesichts von wachsendem Unverständnis der Bürger über Beschlüsse, die mindestens zum Teil für manche kaum mehr nachvollziehbar sind, bald die Quittung bekommen. Hinzu kommt Ärger um Verzögerungen bei den Impfungen - aber auch die verbreitete Hoffnung, dass die Impfungen bald die Wende bringen. Schon in den üblichen Besprechungen vor den entscheidenden Beratungen mit Merkel zeichnete sich deshalb ab, dass die Verhandlungen alles andere als einfach werden dürften.

Keine Verschärfung der Kontakt- und 15-Kilometer-Regeln

Nicht nur aus SPD-, auch aus Unionsländern gab es beispielsweise Bedenken gegen eine Verschärfung der Kontaktregeln. Das Kanzleramt schlug einem Beschlussentwurf vom Dienstagmittag zufolge striktere Regeln auch für Länder beziehungsweise Landkreise vor, die aufgrund ihrer hohen Sieben-Tage-Inzidenz bis Mitte Februar «absehbar die Inzidenz von 50 nicht unterschreiten können» - dort sollten fortan auch unter einer Inzidenz von 200 schärfere Ausgangsbeschränkungen und eine Einschränkung des Bewegungsradius auf 15 Kilometer um den Wohnort möglich sein. Am Ende gibt es dafür aber keine Mehrheit - es bleibt hier bei sehr vagen, allgemeinen, unkonkreten Formulierungen.

Lange Diskussion um Schulen

Zur Sache geht es bei der Debatte über Kitas und Schulen. Schon ziemlich zu Anfang verhakt man sich und verschiebt die Diskussion auf den Schluss. Und spät am Abend wird dann noch einmal lange um einen Kompromiss gerungen, einmal wird die große Runde sogar für längere Zeit unterbrochen - das gab es in der Form schon lange nicht mehr.

Am Ende allerdings steht ein Kompromiss - der letztlich sogar eine Nachschärfung bedeutet: Bund und Länder verweisen gemeinsam darauf, dass es «ernstzunehmende Hinweise» gebe, dass die neue Virusvariante sich auch stärker unter Kinder und Jugendlichen verbreite, als das bei dem bisher bekannten Virus der Fall sei. Deshalb müssten die bisherigen Maßnahmen verlängert werden. Und: Bund und Länder verständigen sich auf eine «restriktive Umsetzung». «Grundsätzlich» sollen Schulen demnach geschlossen beziehungsweise die Präsenzpflicht ausgesetzt bleiben, in Kitas soll analog verfahren werden.

Das Wort «grundsätzlich» schließt aber offenkundig nicht aus, dass Länder ausscheren. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) etwa kündigt am Abend sogleich an, Grundschulen und Kitas voraussichtlich vom 1. Februar an schrittweise wieder zu öffnen - mit der Einschränkung allerdings: «wenn die Infektionslage das zulässt».

Schärfere Maskenpflicht und mehr Homeoffice

Auf einige weitere Verschärfungen einigen sich Bund und Länder etwas zügiger: Im öffentlichen Personenverkehr und in Geschäften werden künftig besser schützende Masken, mindestens sogenannte OP-Masken, Pflicht. Von einer FFP2-Maskenpflicht, wie sie seit Montag in Bayern gilt, nimmt die Runde dagegen Abstand - offenbar auch deshalb, weil das Angebot an diesen (teureren) Masken nicht endlos ist.

Und: Der Druck auf Arbeitgeber, mehr Homeoffice zu ermöglichen, soll erhöht werden. Ein entsprechender Verordnungsentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) liegt bereits vor.

Zügig und geräuschlos geht aber fast nichts an diesem Dienstag. Dem Vernehmen nach knirscht es immer wieder, insbesondere zwischen der Kanzlerin und SPD-Ländern. Merkel wird in einer Auseinandersetzung mit SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig von mehreren Ohrenzeugen mit den Worten zitiert, sie lasse sich nicht anhängen, dass sie Kinder quäle und Arbeitnehmerrechte missachte. Die Stimmung - das zeigt schon die lange Dauer der Runde - ist alles andere als einfach.

Am Ende sind aber auch diese Beratungen nur eine weitere, kleine Zwischenetappe im Kampf gegen das Virus. Die Frage ist: Sinken die Zahlen weiter, oder schlägt die britische Virusmutation am Ende doch auch hierzulande durch? Fakt ist zudem: Die einstige Zielmarke von maximal 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen einer Woche ist noch in weiterer Ferne. Wie es Mitte Februar weitergeht, ist also offen.

Mit Rat und Hilfe stets an Ihrer Seite!

Nehmen Sie Kontakt zu uns auf.

Alle Ansprechpartner im Überblick