Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer traf sich in Kabul auch zu Gesprächen mit dem afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani. Foto: picture alliance / AA

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer traf sich in Kabul auch zu Gesprächen mit dem afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani. Foto: picture alliance / AA

03.12.2019
DBwV

Wann gehen wir raus aus Afghanistan?

Masar-e-Sharif/Berlin. Lange hat man nichts von Afghanistan gehört oder gelesen, und auch dieser Tage dominieren der Nato-Gipfel und der unsägliche Zustand der Großen Koalition die Politikseiten der Zeitungen. Jetzt ist Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer an den Hindukusch geflogen, ihre Reise dürfte die Lage vor Ort auch hierzulande wieder etwas mehr ins Licht rücken.

Während sich die Ministerin in Begleitung einiger Bundestagsabgeordneter und des Bundesvorsitzenden Oberstleutnant André Wüstner drei Tage detailliert mit der Lage vor Ort auseinandersetzt, gehen in unterschiedlichen Bereichen des Landes die Kämpfe auf regionaler Ebene weiter.

Das gilt nicht nur für den Norden, traditionell Schwerpunkt des deutschen Interesses: Überall in Afghanistan ringen die Taliban mir den afghanischen Sicherheitskräften um die Vorherrschaft. Beide Seiten wollen sich die bestmögliche Ausgangsposition für die im Hintergrund laufenden inoffiziellen Friedensverhandlungen sichern. Und unabhängig davon, wann diese abgeschlossen werden können, liegt auf der Hand: Es wird keine einfachen Antworten geben. Nicht für den künftigen Weg, nicht für die Frage nach Integration und Regierungsbeteiligung der Taliban.

Soldaten sind zuversichtlich
Die Soldaten vor Ort, egal welcher Nation, setzen große Hoffnung in die Verhandlungen.  Das ist in ihren Heimatländern ganz genau so: Jeder möchte, dass seine Truppen nach rund 19 Jahren Terrorismusbekämpfung nach Hause kommen, lieber heute als morgen.
 
Kann das funktionieren? Sicher nicht. Eine Reduzierung muss international gut durchdacht vollzogen werden. Aller Voraussicht nach wird man sich am Ende auf Kabul konzentrieren. Die USA werden vermutlich noch einen größeren militärischen Fußabdruck in der Region belassen, zu wichtig ist die Drehscheibe Afghanistan in diesem Teil Asiens. Und im Notfall könnte man doch noch eingreifen, sollten sich die afghanischen Sicherheitskräfte später einmal nicht gegen die IS- oder Al Quaida-Ableger durchsetzen können.

Bei allen Schwierigkeiten: Es wurde viel erreicht
Inzwischen ist allen klar: Manche Ziele waren von Beginn an zu hochgesteckt. Die idealtypische „Westminster-Demokratie“ war für dieses Land, für diesen Kulturraum nicht durchsetzbar. Das wussten die Soldatinnen und Soldaten sehr schnell, die Politik hat das erst später verstanden. Aber das Kernziel, die Bekämpfung des Terrorismus und das Zerschlagen der radikalen Taliban, wurde weitestgehend erreicht. Und unterdessen wurde einer jungen Generation von Afghanen mit zivilen Hilfsprojekten Mut gemacht, ihr Schicksal besser als zuvor in die eigene Hand zu nehmen.

Auf der taktischen Ebene nichts Neues
Aktuell hält man den Status Quo aufrecht: Auf der taktischen Ebene läuft weiterhin die Beratung des afghanischen Militärs auf Korpsebene, außerdem werden afghanische Spezialkräfte ausgebildet. Und es wird gekämpft. Wenn bei den Friedensverhandlungen ein Durchbruch gelingt, bleibt die größte Herausforderung eine Integration der heute gemäßigten Taliban.

Deutschland sollte mit seinen guten Kontakten an den Friedensverhandlungen mitwirken, auch wenn natürlich die USA den Takt vorgeben. Genau wie bei der militärischen Durchsetzungsfähigkeit in der Fläche sind die USA bei den Friedensverhandlungen der ausschlaggebende Faktor. Präsident Donald Trump, der im nächsten Jahr für eine zweite Amtszeit kandidiert, könnte eines seiner Wahlversprechen einlösen: Die Übergabe in Verantwortung und Reduzierung der US-Präsenz in sogenannten endlosen Kriegen. Wenn er das auch in Afghanistan tut, wird er automatisch eine Kettenreaktion auslösen. Denn sind die USA nicht mehr mit Ihren Fähigkeiten wie Aufklärung, Sanität oder Kampfunterstützung für die Partnernationen verfügbar, ist die Konsequenz unweigerlich eine Reduzierung, wenn nicht gar ein Abzug. Denn niemand möchte als „Kevin allein zu Haus“ in Afghanistan zurückbleiben.

Das sehen auch viele Soldatinnen und Soldaten aller Partner-Nationen in Afghanistan so, wie Oberstleutnant Wüstner in vielen Gesprächen erfahren hat. Das Zeitfenster für die Friedensverhandlungen und eine später folgende Truppenreduzierung ist günstig. Alle hoffen, dass diese Gelegenheit genutzt wird und 2021, im zwanzigsten Jahr des Afghanistan-Einsatzes, die Reduzierung oder im Weiteren den Abzug eingeleitet wird. Man hinterließe eine Gesellschaft, die sicher noch mit zivilen Instrumenten unterstützt werden muss, die aber eine für afghanische Verhältnisse bestmögliche Sicherheitsarchitektur vorweist. Und Menschen, die ohne Krieg zuversichtlich in eine nach afghanischen Maßstäben gute Zukunft blicken.

Im Jahr 2020 keine wesentliche Mandatsanpassung
Unabhängig von den Dingen, die sich mittelfristig ergeben, wird das im Frühjahr zu beratende neue Mandat noch keine Veränderungen zulassen. Allerdings könnten im nächsten Jahr die Voraussetzungen für einen ersten Reduzierungsschritt geschaffen werden. Dann wäre ein politischer Erfolg absehbar. Und die Streitkräfte aller Verbündeten könnten für sich feststellen, dass es das enorme Engagement sowie die unzähligen Verluste in dieser Region wert war. Wollen wir hoffen, dass das gelingt.

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