Stellvertretende Vorsitzende Sanitätsdienst, Hauptmann Petra Böhm

Stellvertretende Vorsitzende Sanitätsdienst, Hauptmann Petra Böhm

13.01.2015

15 Jahre nach dem Kreil-Urteil – Eine Standortbestimmung

15 Jahre ist es her, dass im Jahr 2000 der Europäische Gerichtshof (EuGH) durch das Urteil im Fall Tanja Kreil die Öffnung der Bundeswehr in allen Verwendungen und ohne Einschränkungen für Frauen ermöglichte. Denn bei Gründung der Bundeswehr wurden Frauen vom militärischen Dienst zunächst ausgeschlossen. Ab 1975 wurde es aufgrund des Ärztemangels zunächst Ärztinnen und ab 1991 dann weiblichem medizinischem Fachpersonal ermöglicht, im Status Soldatin in der Bundeswehr Dienst zu leisten.

Es war der Deutsche BundeswehrVerband, der Tanja Kreil als Musterklägerin unterstützte und den Prozess finanzierte. Er hat diese Entscheidung nie bereut, denn die Bundeswehr kann allein aufgrund dieser Initiative auf das doppelte Bewerberpotential für alle Laufbahnen in den Streitkräften zurückgreifen. Angesichts der demografischen Entwicklung ist das dringend nötig.

Doch wie ist die Situation der Soldatinnen heute? Ist der Umgang im Dienstalltag „gelebte Normalität“? Dazu möchte ich aus meiner persönlichen Wahrnehmung und nunmehr auf 23 Dienstjahre zurückblickend mit einem entschiedenen „Teils – Teils“ antworten. Denn eine solche Veränderung in der Zusammensetzung der Bundeswehr bedeutete eine große Herausforderung in struktureller, kultureller und gerade auch in mentaler Hinsicht. Dies bedarf einer stetigen Anstrengung aller und dem Willen sich weiterzuentwickeln, z.B. um dabei gängigen Vorurteilen zum Trotz Frauen gleichberechtigte Karrierechancen zu bieten.

Viele wichtige Meilensteine wurden im Zuge der Öffnung bereits erreicht und wichtige Reformen in Gang gebracht. Hier sei beispielsweise der Erlass zum Umgang mit Sexualität genannt, der die homosexuellen Soldaten davon befreite, ihre sexuelle Orientierung zu verheimlichen und dazu führte dass Beziehungen zwischen Soldaten und Soldatinnen nicht mehr zwangsläufig dienstrechtlich verfolgt werden mussten. Oder auch das Soldatengleichstellungsgesetz, welches im Jahr 2005 in Kraft gesetzt wurde. Hierin finden sich zahlreiche Maßnahmen, um beispielsweise bestehende und künftige Diskriminierung zu beseitigen, sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz zu verhindern und zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beizutragen. Diese sind zwar durchaus Folgen der Öffnung der Streitkräfte für Frauen, stellen aber zugleich auch unverzichtbare Punkte zur Steigerung der Attraktivität des militärischen Dienstes dar. Davon profitieren Männer wie Frauen gleichermaßen. Doch gerade im Hinblick auf die demographische Entwicklung in Deutschland stellen sich Frauen als wichtige Zielgruppe der Nachwuchswerbung dar. So stellte das statistische Bundesamt in Bevölkerungsvorberechnungen bereits 2005 fest, dass sich die Gruppe der 16 bis 25 jährigen Männer von etwa fünf Millionen recht kontinuierlich auf vier Millionen im Jahr 2025 verkleinern wird. Das bedeutet: Junge Frauen schließen diese Lücke in der Bewerberlage der Bundeswehr zu einem großen Teil.

Umso wichtiger ist es, den Integrationsprozess der Soldatinnen in der Bundeswehr voranzubringen. Hier gibt es noch einiges zu tun, denn Vorurteile gegenüber Soldatinnen halten sich hartnäckig. Beispielsweise wird die Leistungsfähigkeit von Soldatinnen durch Soldaten häufig schlechter eingeschätzt. Eine Soldatin berichtete mir dass sie sportliche Werte nach Ablegung, nochmals unter Aufsicht ablegen musste, da die zuerst erbrachten und bestätigten Leistungen angezweifelt wurden. Bei Beurteilungsgesprächen von Soldatinnen in Telearbeitszeitmodell wurde „fehlende Präsenz“ als Begründung einer Verschlechterung angeführt, oder Soldatinnen in der Ausübung der Vorgesetzten Funktion behindert. Es wird nach wie vor von Ausgrenzung und teilweise von Mobbing berichtet. Weibliche Führungskräfte sind bisher kaum vorhanden, selbst im Zentralen Sanitätsdienst mit einem Frauenanteil von inzwischen beinahe 50 %. Auch in Sachen Ausrüstung, Bekleidung und Ausstattung besteht teilweise noch Anpassungsbedarf an die weibliche Anatomie zur Verbesserung der Funktionalität.

Der Deutsche Bundeswehrverband beabsichtigt daher, ab März 2015 eine Arbeitsgruppe zum Thema „Frauen in der Bundeswehr“ zu etablieren um in diesem Themengebiet, wichtige Hinweise aufzugreifen und Impulse zur Weiterentwicklung zu geben.

Petra Böhm
Stv. Vorsitzende Sanitätsdienst, Beauftragte zur Vereinbarkeit von Familie und Dienst und Frauen in der Bundeswehr

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