Christian Sørensen, Gründungspräsident von EUROMIL (l.), im Gespräch mit Vizepräsident Heinz Volland bei der Vorbereitung der Sitzung des vorläufigen Präsidiums im März 1971 in Bonn.   Fotos: DBwV/Archiv

Christian Sørensen, Gründungspräsident von EUROMIL (l.), im Gespräch mit Vizepräsident Heinz Volland bei der Vorbereitung der Sitzung des vorläufigen Präsidiums im März 1971 in Bonn. Fotos: DBwV/Archiv

07.09.2022
Von Michael Rudloff

Mit diplomatischem Geschick auf dem Weg zu EUROMIL

Ein Aschenbecher für Friedenspfeifen wurde zum Symbol des Beginns der Zusammenarbeit europäischer Soldatenverbände.

Als am 17. Juni 1969 die 8. Hauptversammlung des DBwV in der Stadthalle Bad Godesberg zusammentrat, konnte der Bundesvorsitzende Heinz Volland neben ausländischen Militärattachés erstmals Spitzenvertreter von 14 befreundeten Soldatenverbänden in offizieller Mission begrüßen. Sie waren aus Belgien, Dänemark, Norwegen, Österreich, Schweden und der Schweiz angereist. Bereits am Vorabend der Hauptversammlung kam man sich bei einem gemeinsamen Abendessen im Godesberger Park-Hotel näher. Dabei wurden Überlegungen laut, die Zusammenarbeit der Soldatenverbände zu verstetigen, um gegenseitig Erfahrungen auszutauschen, wie die sozialen Interessen der Militärangehörigen in einem zusammenwachsenden Europa effektiv vertreten werden können.

Soldatenrechte in Europa: Von Garantie bis Tabu

Das gemeinsame Ziel der Verbesserung der sozialen Situation und der gesellschaftlichen Anerkennung der Soldaten und ihrer Familien verfolgten die Verbände auf verschiedenen Wegen und unter Bedingungen, die kaum unterschiedlicher sein konnten. In den nordischen Ländern war das Koalitionsrecht der Soldaten gesetzlich garantiert, in südwesteuropäischen Ländern sowie Großbritannien und Frankreich hingegen ein Tabu. Auch in den Armeen der NATO-Partner USA und Kanada kannten die Soldaten ein solches Recht nicht. Während der DBwV Soldaten aller militärischen Statusgruppen vereinte, waren in den anderen Verbänden Offiziere, Unteroffiziere und Feldwebeldienstgrade in getrennten Verbänden organisiert. In einigen Ländern existierten zudem konfessionell sowie ideologisch unterschiedlich ausgerichtete Organisationen. Allein aus Norwegen nahmen vier Verbände an der Hauptversammlung des DBwV teil. In einer Grußadresse brachte der Norweger Tor Berge seine „große Bewunderung zum Ausdruck?…, wie man es in Deutschland verstanden hat, eine berufsständische Organisation der Soldaten aller Dienstgrade“ aufzubauen.

Erstaunliches aus Skandinavien

Der Präsident des dänischen Offiziersverbandes, Generalmajor Engell, plädierte dafür, sich nicht auf berechtigte Gruppeninteressen zu beschränken, sondern sich gemeinsam mit Kooperationspartnern für soziale und sicherheitspolitische Ziele einzusetzen. Erstaunliches wussten die in getrennten Verbänden organisierten schwedischen Offiziere, Unteroffiziere und Feldwebel zu berichten. Seit 1966 verfügten sie sogar über das Recht zu streiken, falls bei Verhandlungen kein Übereinkommen mit dem Dienstherrn erzielt werden konnte.

Eine kostbare Vase, die der Vertreter des Vereins der dänischen Sergeanten, Jens Rotbøll, überreichte, wurde durch das gemeinsame Gastgeschenk der schwedischen Verbände getoppt?: eine überdimensionale Glasschüssel. Der Vorsitzende des schwedischen Offiziersbundes, Oberst Sten Ljungqvist, schlug in seiner Ansprache vor, sie „als Aschenbecher für die Friedenspfeife“ zu benutzen, „die hoffentlich zwischen dem Verband und den ökonomischen Behörden Ihres Landes hell brennen wird“.

Fingerspitzengefühl vonnöten

Das Gastgeschenk dürfte allerdings eher für die Verhandlungen zwischen den Spitzen der Soldatenverbände benötigt worden sein. Über das Ziel der Bildung eines europäischen Dachverbandes war man sich schnell einig geworden. Auf dem Weg dorthin war diplomatisches Geschick gefragt. Unmittelbar im Anschluss an die 8. Hauptversammlung besuchte Heinz Volland die belgische Offiziervereinigung. Gespräche mit zwei weiteren belgischen Verbänden und einem Soldatenverband aus Luxemburg folgten. Ein intensiver Austausch verband den DBwV mit dem dänischen Unteroffiziersverband. Bis September 1970 stellte der DBwV auf diese Weise Beziehungen zu Soldatenverbänden in sieben westeuropäischen Ländern her.

Beim Vergleich der Verhältnisse in den nationalen Streitkräften der verbündeten europäischen Staaten wurden die markanten Unterschiede in dem ungleichen Anspruch auf Bildung berufsständischer Organisationen mit Verhandlungsrecht offenbar. In den Ländern mit einer längeren Tradition anerkannter soldatischer Interessenvertretungen erschwerte wiederum Standesdenken einen Zusammenschluss. Heinz Volland berichtete von der Herausforderung, Vertreter von Offizieren und Unteroffizieren aus Belgien und den Niederlanden in denselben Raum und an einen Tisch zu bringen. Keinesfalls durften sie Seite an Seite platziert werden. Nicht zu unterschätzen war die immer noch präsente Erinnerung an die Weltkriege. Der Gedanke an eine Organisation, in der deutsche Soldaten eine prägende Rolle spielten, stieß auf Vorbehalte. Die Schwierigkeiten des Anfangs brachte Jens Rotbøll als Präsident von EUROMIL bei einer späteren Mitgliederversammlung auf den Punkt: „Wir mussten erst lernen, einander zu verstehen, nicht nur in der Sprache, auch in Gedanken.“

Den geeigneten Rahmen für die organisatorische Vorbereitung der europäischen Vereinigung der Soldatenverbände bot die feierliche Eröffnung der neu erbauten Bundesgeschäftsstelle des DBwV in der Bonner Südstraße am 10. November 1970. Vertreter von zwölf Soldatenverbänden aus Dänemark, Norwegen, den Niederlanden, Belgien und Italien waren der Einladung des DBwV gefolgt. In der ersten Konferenz im neuen Haus des DBwV berieten sie am 11. November mit dem Bundesvorstand des DBwV konkrete Schritte für die Bildung eines gemeinsamen Dachverbandes.

Einigung auf belgischen Vorschlag

Am 13. Dezember 1970 wurde im Haus des DBwV der Grundstein für die Europäische Organisation der Militärverbände mit vorläufigem Sitz in Bonn gelegt. Mit dem Namen „EUROMIL“ verständigte man sich auf einen Vorschlag aus Belgien. Die Ziele der neuen Organisation wurden recht allgemein gehalten und niederschwellig formuliert. Sie sollten darin bestehen, „– die Verständigung und Freundschaft zwischen den Völkern zu vertiefen,– den regelmäßigen Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedsverbänden zu pflegen und – die allgemeinen ideellen, sozialen und beruflichen Interessen der Soldaten zu fördern“.

Dennoch unterzeichneten nur die Repräsentanten des dänischen Unteroffizersverbandes, von fünf belgischen Verbänden, des niederländischen Sint Martinus und des DBwV die Erklärung über die zukünftige Zusammenarbeit. An die Spitze des vorläufigen Präsidiums wählten sie den Dänen Christian Sørensen. Er war Vorsitzender der Dachorganisation Centralforeningen for Seniorsergenter og Stampersonel (CSS), die nahezu alle längerdienenden dänischen Soldaten unterhalb der Offiziersdienstgrade vertrat. Der engagierte Sozialdemokrat war im Verteidigungsministerium bestens vernetzt. Heinz Volland wurde einer der drei Vizepräsidenten. Das Präsidium übernahm die Aufgabe, eine endgültige Satzung der Organisation zu erarbeiten, die Einberufung einer Mitgliederversammlung vorzubereiten und weitere interessierte Soldatenverbände in Europa für einen Beitritt zu gewinnen.

Nicht alle unterzeichneten die Erklärung

Die Vertreter der Verbände aus Norwegen, Italien, der dänischen Offiziere und eines niederländischen Verbandes meldeten Diskussionsbedarf an und unterzeichneten die gemeinsame Erklärung nicht. Gleichwohl stellten sie einen späteren Beitritt in Aussicht. Der Schriftführer und spätere EUROMIL-Sekretär Guido Daleman erinnert sich, dass die Offiziersverbände Probleme damit hatten, dass Christian Sørensen, der zu dieser Zeit einen dem deutschen Stabsfeldwebel vergleichbaren Dienstgrad trug, kein Offizier war. Aus den Niederlanden wollte Ons Belang (die frühere Königliche Unteroffiziersvereinigung der Luftwaffe und des Heeres der Niederlande; heute AFMP) nicht mitmachen, weil ein konkurrierender Unteroffiziersverband beteiligt war.

Der Widerhall auf die Bemühungen des vorläufigen Präsidiums, weitere Verbände aus möglichst vielen europäischen Staaten für einen Anschluss an die in Gründung befindliche Dachorganisation zu gewinnen, blieb zunächst überschaubar. Die Gründe dafür waren vielfältig. Einige Verbände verfügten nur über geringe finanzielle Mittel und fürchteten die für den Unterhalt einer Geschäftsstelle und Reisen erforderlichen Ausgaben. Konkurrenzdenken, die schwierigen politischen Bedingungen in einzelnen Ländern und Unklarheiten über die Zukunft des europäischen Zusammenschlusses bewirkten eher zurückhaltende Reaktionen.

Am 13. September 1972 ist es endlich so weit

Das vorläufige Präsidium trieb unterdessen die offizielle Gründung von EUROMIL voran und bereitete die erste Mitgliederversammlung vor. Nach fast zweijähriger Vorbereitungszeit, am 13. September 1972, war es endlich so weit. An diesem Tag wurde in Bergisch Gladbach die offizielle Gründung vollzogen. Christian Sørensen wurde in seinem Amt bestätigt und einstimmig zum nun offiziellen Präsidenten von EUROMIL gewählt.

Bis dahin mussten viele Friedenspfeifen geraucht werden. Ob dabei der Kristall-Aschenbecher der Schweden zum Einsatz kam, ist nicht überliefert.

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