Mehr als 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der insgesamt 42 Bundeswehr-Dienstleistungszentren sind zuständig für die Betreuung und Versorgung der rund 1500 militärischen und zivilen Dienststellen der Bundeswehr. Foto: Bundeswehr/Jennifer Quehl

Mehr als 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der insgesamt 42 Bundeswehr-Dienstleistungszentren sind zuständig für die Betreuung und Versorgung der rund 1500 militärischen und zivilen Dienststellen der Bundeswehr. Foto: Bundeswehr/Jennifer Quehl

01.08.2025
Von Bernd Kaufmann

Die Wehrverwaltung im Wandel: Vom Friedensbetrieb zur Verteidigungsverwaltung

Der Deutsche BundeswehrVerband hat konkrete Reformforderungen aufgestellt.

Neue Bedrohungen erfordern strukturelle Reformen

Die sicherheitspolitische Zeitenwende seit 2022 hat nicht nur die Bundeswehr, sondern auch ihre administrative Basis fundamental verändert. Während die Diskussion über militärische Fähigkeiten im Vordergrund steht, rückt ein oft übersehener, aber entscheidender Bereich in den Fokus: die Wehrverwaltung. Sie ist das administrative Rückgrat der Streitkräfte und muss sich ebenso anpassen wie die Truppe selbst.

Mehr als nur Administration

Die Wehrverwaltung verantwortet als ziviler Teil des Verteidigungsministeriums zentrale Bereiche wie Personalmanagement, Beschaffung, Infrastruktur, Recht, Finanzen und IT. Ihre Leistungsfähigkeit entscheidet maßgeblich darüber, ob die Bundeswehr im Ernstfall durchhaltefähig und reaktionsschnell agieren kann. „Eine moderne, leistungsfähige und resiliente Wehrverwaltung ist kein reiner administrativer Hintergrunddienst, sondern ein strategischer Erfolgsfaktor für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands", heißt es in einer aktuellen Analyse des Deutschen BundeswehrVerbandes (DBwV).

Strukturelle Schwächen werden sichtbar

Bereits beim geplanten Aufwuchs der Bundeswehr zeigten sich erhebliche Defizite: langwierige Beschaffungsverfahren, träges Personal- und Ressourcenmanagement sowie eine mangelnde Krisenfestigkeit administrativer Strukturen. Viele Abläufe setzen stabile Rahmenbedingungen voraus und sind weder redundant noch dezentralisiert ausgelegt. Besonders problematisch ist die strikte Trennung zwischen zivilen und militärischen Strukturen, die in Krisenlagen zu Reibungsverlusten und Zeitverzug führt. Die Verwaltung ist bislang nicht durchgängig in militärische Führungsprozesse eingebunden, was ihre Wirksamkeit erheblich einschränkt.

Neue Szenarien, neue Anforderungen

Ein realistisches Bedrohungsszenario umfasst nicht nur direkte militärische Angriffe, sondern auch hybride Operationen: Cyberangriffe auf kritische Infrastrukturen, gezielte Desinformationskampagnen und wirtschaftliche Erpressungsversuche. Deutschland könnte massiv betroffen sein, ohne dass es zu direkten militärischen Aktionen auf deutschem Staatsgebiet kommt. Solche Szenarien erfordern eine völlig neue Herangehensweise an die Verwaltungsarbeit. Die Wehrverwaltung muss nicht nur funktionsfähig bleiben, sondern aktiv zur Wirksamkeit der Streitkräfte beitragen – auch bei eingeschränkter Infrastruktur und unter hohem Zeitdruck.

Das Zielbild 2030: Verteidigungsverwaltung

Die Vision ist klar: Die Wehrverwaltung der Zukunft muss mehr sein als ein Dienstleister des Friedensbetriebs. Als Verteidigungsverwaltung soll sie unter Hochdruck und in Krisenlagen leistungsfähig bleiben und als integraler Bestandteil der nationalen Sicherheitsvorsorge zwischen zivilen Verwaltungen und militärischen Strukturen vermitteln. Dabei bringt sie entscheidende Vorteile mit: Für die Wehrverwaltung gelten die verfassungsrechtlichen Einschränkungen des Soldateneinsatzes im Innern nur eingeschränkt – sie kann daher auch in innerstaatlichen Krisenlagen handlungsfähig sein.

Konkrete Reformforderungen

Der DBwV hat einen umfassenden Katalog von Maßnahmen entwickelt:
Strukturelle Reformen: Aufbau einer eigenständigen verwaltungsseitigen Führungsorganisation analog zu den militärischen Kommandostrukturen. Für Verbände ab Bataillonsebene sollen wieder Verwaltungselemente als feste Bestandteile der Stäbe eingerichtet werden.

Rechtliche Anpassungen: Das Beschaffungsrecht muss flexibilisiert werden, um schnellere und vereinfachte Verfahren zu ermöglichen. Digitale Beschaffungsplattformen mit automatisierter Priorisierung in Krisenfällen sind zu entwickeln.
Reservenaufbau: Personelle, materielle und organisatorische Reserven müssen geschaffen werden, die im Verteidigungsfall mobilisiert werden können. Ein zentrales Mobilmachungsregister für relevante Verwaltungskapazitäten ist erforderlich.

Übungen und Ausbildung: Die regelmäßige Einbindung der Wehrverwaltung in Übungen zur Landes- und Bündnisverteidigung ist essenziell. Simulationsgestützte Szenarien und Krisenmanagement-Schulungen müssen Standard werden.

Erweiterte Aufgaben und Kompetenzen

Neben den bereits eingeleiteten Beschleunigungsmöglichkeiten im Beschaffungswesen sind im Vorgriff auf die Anpassung der Leistungsgesetze konkrete Vorbereitungen zu treffen:

Wehrerfassung und Wehrüberwachung neu denken: Die Wehrüberwachung sollte auf Basis des Arbeitssicherstellungsgesetzes (ASG) als bundesweit geltende Kartei potenzieller Helferinnen und Helfer konzipiert werden. Dabei ist auch Personal zu berücksichtigen, das derzeit für militärische Bedarfe nicht eingeplant wird, aber für zivile Zwecke von besonderer Relevanz sein könnte. Für Personal, das nicht der Personalverwaltung der Bundeswehr unterliegt, sollte der Zugriff durch Katastrophenschutzbehörden und Hilfsorganisationen ermöglicht werden. Angehörige der Bundeswehr und Reservisten, die in den derzeitigen Aufwuchsplanungen nicht benötigt werden, sollten für Zwecke der zivilen Krisenvorsorge eingeplant werden können.

Bundeswehr-Dienstleistungszentren ausbauen: Fähigkeiten der BwDLZ, des Verpflegungsamts und anderer Dienststellen sollten so ausgebaut werden, dass sie in Zusammenarbeit mit anderen Bundesressorts, den Ländern und Kommunen zur gegenseitigen Amtshilfe genutzt werden können – etwa durch die Erfassung und Nutzung zivilen Geräts (z. B. Baumaschinen, LKW) für Krisenszenarien oder dezentrale Bevorratungs- und Verteilungskapazitäten für Hilfs- und Versorgungsgüter.

Wehrverwaltung als Krisenunterstützung: Als bundeseigene Verwaltung mit ausgebauter Struktur und ausgebildeten Mitarbeitern ist die Wehrverwaltung grundsätzlich in der Lage, Aufgaben einer zivilen Verwaltung in Krisensituationen zu übernehmen – sei es in Organleihe für andere Bundesressorts oder Landesbehörden oder durch Unterstützung mit personellen und sachlichen Mitteln. Sie könnte aus dem Stand heraus Haushaltsmittel des Bundes bewirtschaften.

Kulturwandel als Schlüssel

Entscheidend ist ein neues Selbstverständnis in der Wehrverwaltung als aktiver und verantwortungsvoller Teil der Verteidigungsfähigkeit. Dies umfasst eine stärkere Orientierung an operativen Erfordernissen, die Bereitschaft zu pragmatischen Lösungsansätzen im Ausnahmefall sowie eine enge Zusammenarbeit mit militärischen Partnern. Die Verwaltungsausbildung muss reformiert werden mit einem klaren Fokus auf Landes- und Bündnisverteidigung. Ein Wechsel zwischen verschiedenen Bereichen der Wehrverwaltung im Laufe der Laufbahn soll sicherstellen, dass Führungskräfte auch in ungeregelten Situationen schnell und verantwortlich entscheiden können.

Fazit: Jetzt handeln, nicht erst im Krisenfall

Die Transformation der Wehrverwaltung zur Verteidigungsverwaltung ist sicherheitspolitisch unabdingbar. Ohne eine leistungsfähige und krisenfeste administrative Basis ist eine wirksame Landes- und Bündnisverteidigung nicht möglich. Der Handlungsbedarf ist evident, die Lösungsansätze sind bekannt. Jetzt kommt es darauf an, die notwendigen Reformen konsequent umzusetzen – bevor der Ernstfall eintritt. Eine wehrfähige Verwaltung ist ein Schlüssel zur Einsatzbereitschaft der Streitkräfte und damit ein zentraler Pfeiler der nationalen und europäischen Sicherheit im 21. Jahrhundert.

Das vollständige Positionspapier haben wir hier für Sie bereitgestellt.

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