Frank Wernecke (v.l.n.r.), Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Steffen Meyer, Finanzstaatssekretär, Nancy Faeser, Bundesinnenministerin, und Karin Welge, Verhandlungsführerin Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst. Zufriedenstellend ist das Ergebnis jedoch nicht. Foto: picture alliance/dpa/Christophe Gateau

Frank Wernecke (v.l.n.r.), Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Steffen Meyer, Finanzstaatssekretär, Nancy Faeser, Bundesinnenministerin, und Karin Welge, Verhandlungsführerin Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst. Zufriedenstellend ist das Ergebnis jedoch nicht. Foto: picture alliance/dpa/Christophe Gateau

13.05.2025
Von Klaus-Hermann Scharf

Ernüchternder Tarifabschluss

sie seien ambitioniert, dies räumte der dbb bereits bei der Vorstellung der Forderungen für die Tarifrunde im Öffentlichen Dienst im Oktober 2024 ein. Ja, es waren recht hohe Forderungen, aufgrund leerer Kassen offensichtlich zu hoch für die Kommunen. Aber angesichts der über eine halbe Million unbesetzter Stellen im gesamten Öffentlichen Dienst und dem somit gestiegenen Bedarf, in der Attraktivität mit anderen Branchen mithalten zu können, waren die hohen Forderungen berechtigt.

Die nun erzielte Tarifeinigung erscheint auf den ersten Blick der am geringsten zufriedenstellende Abschluss seit Bestehen des TVöD zu sein. Die propagierten 5,8 Prozent Entgeltsteigerungen als Gesamtvolumen suggerieren einen guten Kompromiss. Tatsächlich – unter Berücksichtigung von drei Nullmonaten und Entgeltsteigerungen zu zwei Zeitpunkten – sind es nach 27 Monaten Laufzeit effektiv gerade einmal 3,84 Prozent beziehungsweise in den unteren Entgeltgruppen aufgrund des Mindestbetrags in Höhe von 110 Euro maximal 5,5 Prozent Lohnsteigerung. Während der erste Erhöhungsschritt im Vergleich zu den aktuellen Preissteigerungen noch angemessen erscheint, muss man hinter den zweiten Erhöhungsschritt dicke Fragezeichen setzen, gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftslage und seiner unkalkulierbaren Folgen.

Immerhin wird es einen Tag mehr Urlaub geben, wenn auch erst gegen Ende der Laufzeit des ausgehandelten Tarifvertrags. Obwohl nicht gefordert, wird die Jahressonderzahlung erhöht: für die meisten Beschäftigten, die sich in den unteren und mittleren Entgeltgruppen befinden, nur relativ gering, in den höheren dagegen kräftig. Teile der Jahressonderzahlung können nun für bis zu drei freien Tagen genutzt werden – das ist der Teil, der vom zweiten großen Forderungspaket, dem sogenannten „Mehr-Zeit-für-mich-Konto“, übrig geblieben ist.

Bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit hätte man nicht unbedingt eine freiwillige und befristete Erhöhung der Wochenarbeitszeit erwartet, die die Tarifvertragspartner nun vereinbart haben. Natürlich kann auch diese Möglichkeit Bestandteil einer flexiblen Arbeitszeit sein, jedoch ist sie verbunden mit der Befürchtung des Beginns einer zukünftigen generellen Erhöhung der Wochenarbeitszeit. Man muss sehen, inwieweit diese Option in der Praxis und vor allem unter der Vorgabe der Freiwilligkeit angenommen wird.

Nicht ohne Grund verweisen daher die Verhandlungsführer der Gewerkschaften auf die Details der Tarifeinigung. In der Tat gibt es eine Reihe von Verbesserungen für bestimmte Gruppen von Beschäftigten, wie höhere Zulagen für Schichtdienstleistende oder – längst überfällige – Anpassungen von Regelungen des Tarifgebiets Ost an die des westlichen. Zu begrüßen ist auch die Möglichkeit, über Dienstvereinbarungen die Einrichtung von Langzeitkonten zu regeln. In der Bundeswehr ist dies schon längst erfolgt, doch nun ist die Dienstvereinbarung besser auf tarifliche Grundlagen gestellt und kann für weitere Nutzungsmöglichkeiten angepasst werden.

Ein anderes Detail allerdings, das von den Gewerkschaften gefordert wurde, taucht im Einigungspapier nicht auf: die Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte nach Überschreiten ihrer individuell vereinbarten Wochenarbeitszeit. Eigentlich dachte man, dass nach den aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechungen des Bundesarbeitsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs die Forderung als erster Einigungspunkt feststehen würde. Schließlich geht es hierbei um die Beseitigung von Diskriminierung, denn die weit überwiegende Anzahl von Teilzeitbeschäftigten sind nach wie vor Frauen. Doch die Arbeitgeberseite (beide Verhandlungsführer waren Frauen!) sollen auf die Möglichkeit des Klagewegs hingewiesen haben. Völlig unverständlich ist hierbei, dass die Gewerkschaften nicht auf ihren berechtigten Forderungspunkt bestanden haben. Er wäre es wert gewesen, das Zustandekommen der Tarifeinigung von ihm abhängig zu machen.

Die öffentlichen Arbeitgeber scheinen immer noch zu denken, bei einer schlechten Wirtschaftslage muss der Öffentliche Dienst außer der Arbeitsplatzsicherheit nicht sonderlich attraktiv sein. Ein fatales Denken, denn die aktuelle Rezession mit ihren komplexen Ursachen ist nicht mit denen der letzten fünfzig Jahre vergleichbar, ebenso nicht die Demografie. Fachkräftemangel herrscht trotz schlechter Konjunktur weiterhin, sowohl in der Privatwirtschaft als auch im Öffentlichen Dienst. Und es gibt entgegen dem Trend wieder aufwachsende Industriezweige wie die Rüstungsindustrie. Speziell für die Bundeswehr kann dies hinsichtlich der Gewinnung als auch der Bindung von Fachkräften zu einem Problem werden. Das gilt auch für andere Mangelberufe wie z. B. Pflegefachkräfte, bei denen private Arbeitgeber sich inzwischen einiges an attraktiveren Arbeitsbedingungen einfallen lassen.

Wenn die Mitglieder und Gremien der verhandelnden Gewerkschaften die erzielte Einigung bis Mitte Mai annehmen sollten, dann steht der nächste nicht minder spannende Schritt aus: die vom DBwV geforderte zeitgleiche und systemgerechte Übertragung in den Besoldungs- und Versorgungsbereich. Spannend auch deshalb, weil der vom alten Bundeskabinett gebilligte Gesetzesentwurf zur verfassungskonformen Alimentation wohl wieder Makulatur sein soll. Ihre Verknüpfung mit der Besoldungs- und Versorgungsanpassung muss daher vermutet werden. Der DBwV wird diesen Prozess wie gewohnt sehr eng begleiten. Jedoch wird man weiterhin sehr viel Geduld aufbringen müssen, auch weil man mit neuen Playern in den hierfür zuständigen Ministerien zu tun haben wird.

Mit herzlichen Grüßen,
Ihr Vorsitzender Fachbereich Zivile Beschäftigte

Klaus-Hermann Scharf

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