«Bürokratiemonster Bundeswehr» - Bartels macht ein großes Fass auf
Der Wehrbeauftragte des Bundestags sieht die Streitkräfte in den Fängen einer lähmenden Verwaltung. Er beklagt Unterbesetzung und Überorganisation zugleich. Mehr Verantwortung müsse in die Hand der militärischen Führer.
Berlin - «Lückenbüßertum», die Anwerbung neuer Soldaten niedrig wie nie, ein Ruf nach dem «Befreiungsschlag»: Der neue Jahresbericht des Wehrbeauftragten Hans-Peters Bartels kommt dem Rumms einer Panzerhaubitze gleich. Vor allem dem Verwaltungsapparat der deutschen Streitkräfte müssen die Ohren klingeln. Bartels, der «Anwalt der Soldatinnen und Soldaten», spricht am Dienstag (29. Januar 2019) in Berlin von einem «Bürokratiemonster Bundeswehr». Dies sei ein Grund dafür, dass die Modernisierung der Streitkräfte zu langsam vorankomme.
Vor Journalisten macht der Wehrbeauftragte eine lange Mängelliste auf, die von fehlendem Gerät, unklar organisierter Verantwortung bis zu einem kritikwürdigen Lufttransport von Soldaten in wenig geschützten, zivilen Hubschraubern in Afghanistan reicht. Die von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen angekündigten Trendwenden seien noch nicht eingetreten.
Die CDU-Politikerin hielt umgehend dagegen: 25 Jahre des Schrumpfens und des Kürzens in der Bundeswehr ließen sich nicht in wenigen Jahren umkehren. «Wir haben im Schnitt jede Woche einen neuen Panzer in der Truppe, im Schnitt jeden Monat ein neues Flugzeug oder einen neuen Hubschrauber und im Schnitt jedes Jahr ein neues Schiff. Das sind gute Nachrichten für die Truppe», sagte von der Leyen.
Insgesamt bleibe die Einsatzbereitschaft des Großgeräts überwiegend aber unbefriedigend, stellte Bartels fest. «Bei einer Verfügbarkeit von einsatzbereiten Panzern, Schiffen und Flugzeugen von teilweise deutlich unter 50 Prozent des Gesamtbestandes kann man noch nicht von einer spürbaren Trendwende sprechen.»
In einem «Befreiungsschlag» müsse nun fehlende Ausrüstung beschafft werden. Bartels nannte Schutzwesten, die schneller, womöglich auch im Ausland beschafft werden könnten. «Man kann sie kaufen», sagte er.
Dass zu wenig vorankomme, sei dem Verwaltungsmanagement geschuldet. Die Bundeswehr leide an Unterbesetzung und gleichzeitig an Überorganisation. «Zu viel Arbeit wird doppelt getan oder gegeneinander. Zu viel Arbeitszeit muss an schlechte Strukturen verschwendet werden.» Und nicht immer seien teure Digitalisierungsprojekte eine Hilfe. Bartels: «Mir sagen viele Soldaten: Wir verwalten uns zu Tode.»
Er plädierte dafür, die Rolle der überforderten «Beschaffer» zu stutzen und die Pflege der Einsatzbereitschaft und teils auch Personalpolitik in die Hände der militärischen Führer zu legen. Sein Negativbeispiel: «Dem Kommodore eines Taktischen Luftwaffengeschwaders mit 1.500 militärischen und zivilen Mitarbeitern und einem fliegenden Vermögen von drei Milliarden Euro steht ein Fonds für selbstverantwortete Ausgaben in Höhe von 250 Euro im Jahr zur Verfügung.»
Fälle unangemessenen Verhaltens von Vorgesetzten gebe es weiter, der «Meldeboom» flache aber ab. Gestiegen ist die Zahl gemeldeter Sexismus-Fälle - um mehr als 22 Prozent. Bartels machte darauf aufmerksam, dass die Sensibilisierung durch die Me-too-Debatte eine Rolle gespielt haben mag, wie der wachsende Frauenanteil insgesamt.
Die geringer werdende Zahl neu angeworbener Soldaten sieht Bartels mit Sorge, denn es würden vor allem Zeitverträge verlängert. «Obwohl die Bundeswehr im Berichtsjahr ein Plus von 4.000 Zeit- und Berufssoldaten meldet, ist im Gegensatz dazu die Zahl der neu in die Bundeswehr eingetretenen Soldatinnen und Soldaten um 3.000 auf nur noch 20.000 Neueintritte gesunken, der niedrigste Stand in ihrer Geschichte», erklärte Bartels. Die Bundeswehr wachse damit, aber sie gewinnt immer weniger neues Personal. Die Frage ist, wie lange sich das fortsetzen lässt.
«Ich würde gern berichten: Es ist Frühling, alles wird neu. Aber die Wahrheit lautet: Es ist immer noch Winter», stellte Bartels fest. Aber: Der Verteidigungshaushalt für 2019 sei gut - mit 43,2 Milliarden Euro fast um fünf Milliarden größer als im Vorjahr. An fehlendem Geld müsse es also nicht scheitern.