12.02.2024
dpa

Deutsche Zusagen an Nato: Generalinspekteur erwartet Verzögerungen

Kurz vor der Münchner Sicherheitskonferenz wartet Deutschlands oberster Soldat mit einer schlechten Nachricht auf. Einige deutsche Zusagen an die Nato werden später als angekündigt erfüllt.

Berlin. Deutschland wird mehr Zeit als angekündigt brauchen, um seine militärischen Beiträge zur Verteidigung im Nato-Bündnis zu leisten. Das hat der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, in einem Interview mit der «Welt am Sonntag» eingeräumt. Auf die Frage, ob es militärische Fähigkeiten gebe, die von der Bundesregierung zugesagt wurden, aber nun voraussichtlich erst später zur Verfügung gestellt werden könnten, antwortete er: «Die gibt es.»

Um welche Fähigkeiten es sich dabei im Einzelnen handelt, wollte er nicht sagen. Er begründete dies damit, dass ein Gegner von solchen Erkenntnissen profitieren könne.

Breuer: Deutschland will gegenüber Nato ehrlich bleiben

Die deutschen Streitkräfte steckten - ebenso wie die Nato - in einer Phase des Umbruchs, sagte Breuer. Er fügte hinzu: «Zur Ehrlichkeit gehört auch der Satz: Das wird jetzt nochmal ein bisschen rumpeln - aber im positiven Sinne.» Er stehe in ständigem Kontakt mit dem Nato-Oberbefehlshaber in Europa, Christopher Cavoli. Der habe ihm gesagt: «Ja, sagt uns bitte, was ihr jetzt schon könnt und ab wann ihr alles könnt. Damit kommen wir viel besser klar, als wenn man ein Wolkenkuckucksheim baut.»

Unionspolitiker sieht Schuld bei Scholz und Pistorius

Unions-Fraktionsvize Johann Wadephul (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Aussagen Breuers machten ihn fassungslos. «Zwei Jahre nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, zwei Jahre nach der erklärten Zeitenwende, anderthalb Jahre nach der Nationalen Sicherheitsstrategie und über ein halbes Jahr nach dem historischen Gipfel der Nato in Vilnius erklärt der oberste militärische Berater der Bundesregierung, dass Deutschland im Bündnis im Grunde genommen blank da steht», kritisierte der Verteidigungspolitiker. Die Bundesregierung habe zwar das richtige Ziel formuliert, dass die Bundeswehr das Rückgrat der konventionellen Verteidigung der Nato in Europa darstellen solle. Doch sehe es jetzt eher so aus, als wolle Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seine eigene Zeitenwende «aussitzen».

Aus Sicht von Wadephul wirft das auch kein gutes Licht auf Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der sich in wenigen Tagen bei der Münchner Sicherheitskonferenz sicher auch Fragen nach dem deutschen Beitrag zur Bündnis-Verteidigung wird stellen müssen. Der Minister sei ein «Scheinriese», der «aus der Ferne der Umfragen» vermeintlich riesengroß wirke, «doch je näher man kommt, sieht man, wie klein er in seinen Taten ist».

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg mahnte in der «Welt am Sonntag», Russlands Präsident Wladimir Putin bereite die Wirtschaft seines Landes auf einen langen Krieg vor. Er sagte: «Weil Russland seine gesamte Wirtschaft auf Krieg ausrichtet, müssen wir auch mehr für unsere Sicherheit tun.»

Für «Kriegstüchtigkeit» der Bundeswehr bleiben fünf Jahre Zeit

Die Bundeswehr muss aus Sicht ihres Generalinspekteurs in fünf Jahren kriegstüchtig sein. «Kriegstüchtigkeit ist ein Prozess, den wir durchlaufen werden. Aber wir haben nicht endlos Zeit dafür», sagte Breuer in dem Interview. Erstmals seit Ende des Kalten Krieges werde ein möglicher Krieg von außen vorgegeben. «Wenn ich den Analysten folge und sehe, welches militärische Bedrohungspotenzial von Russland ausgeht, dann heißt das für uns fünf bis acht Jahre Vorbereitungszeit.» Das heiße nicht, dass es dann Krieg geben werde - aber er sei möglich. «Und weil ich Militär bin, sage ich: In fünf Jahren müssen wir kriegstüchtig sein.»

Es gehe am Ende darum, sich verteidigen zu können und dadurch für einen Gegner das Risiko so hoch anzusetzen, dass er sich gegen einen Angriff entscheide. «Das ist Abschreckung. Für mich ist das Sondervermögen schon ein Ausdruck dessen, dass das in der Politik angekommen ist.»

Auch Verteidigungsminister Pistorius hatte zuletzt davon gesprochen, dass Deutschland kriegstüchtig werden müsse. In Verteidigungspolitischen Richtlinien, die er im November vorlegte, wird «Kriegstüchtigkeit als Handlungsmaxime» bezeichnet. Pistorius und Generalinspekteur Breuer schreiben in dem Dokument: «Wir müssen Rückgrat der Abschreckung und kollektiven Verteidigung in Europa sein. Unsere Bevölkerung, aber auch unsere Partner in Europa, Nordamerika und der Welt erwarten von uns, dass wir uns dieser Verantwortung stellen.»

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter verknüpft die Frage der deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine mit dem vor allem von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) durchgesetzten Festhalten an der Schuldenbremse. «Wir müssen jetzt schnell deutlich mehr investieren, um die Ukraine mit ausreichend Waffen und Munition auszustatten und selbst abwehrbereit zu werden», sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Angesichts der großen Herausforderungen wäre ein Festhalten an der Schuldenbremse ein Sicherheitsrisiko.»

Die Blockade der Ukraine-Hilfen im US-Kongress mache klar, dass «wir in Europa umso mehr gefragt sind, für unsere eigene Sicherheit zu sorgen». «Die Ukraine muss die russische Armee aufhalten, um eine Ausweitung des Krieges zu verhindern.»

Heusgen hält russischen Angriff auf Nato-Gebiet für denkbar

Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, hält im Fall einer Niederlage der Ukraine einen russischen Angriff auf andere Länder und Nato-Gebiet für nicht ausgeschlossen. «Sollte Putin den Krieg in der Ukraine nicht verlieren, müssen wir damit rechnen, dass er auch nach der Republik Moldau oder den baltischen Staaten greift», sagte er der «Rheinischen Post» und dem Bonner «General-Anzeiger» (Samstag).

Generalinspekteur Breuer sagte der «Welt am Sonntag» auf die Frage, wie hoch er die Wahrscheinlichkeit einschätze, dass Putin über die Ukraine hinausgreife: «Dazu gehört zunächst die Intention. Die erkenne ich bei Putin aus dem, was er geschrieben und gesagt hat - und aus seinen Handlungen in der Ukraine.» Weiter gehöre ein militärisches Potenzial dazu. «Wir haben gesehen, dass in Russland per Duma-Beschluss auf Kriegswirtschaft umgestellt worden ist. Das Potenzial wächst also zurzeit.»