Powódz heißt Flut: Militär übt Katastrophenschutz im Grenzgebiet
Wenn die Neiße in der Lausitz bei Hochwasser über die Ufer tritt, sind Deutsche wie Polen betroffen. Die beiden Länder wollen beim Katastrophenschutz im Grenzgebiet noch enger zusammenarbeiten.
Guben/Gubin - Soldaten und Feuerwehrleute aus Deutschland und Polen stechen mit Schaufeln in einen aufgetürmten Sandhügel. Im Akkord. Ihre Kollegen füllen daneben Sandsäcke ab und laden sie auf einen Lastwagen. Im Akkord. Sie kämpfen gegen ein großes Hochwasser an der Neiße im Lausitzer Grenzgebiet. Das Ganze ist nur eine Übung. Ziel dieser Probe ist es, dass sich im Katastrophenfall polnische und deutsche Stellen ohne große Probleme helfen und abstimmen können.
Zur ehemaligen Grenzstation bei Gubin in Polen und einem Deichabschnitt bei Guben (Spree-Neiße) in Südbrandenburg sind sie am Mittwoch alle gekommen: Militär-, Feuerwehr- und Katastrophenschutzkräfte sowie Verwaltungsmitarbeiter von Kommunen und Landkreisen aus beiden Ländern. Militärfahrzeuge sind zu sehen. Dem Landeskommando Brandenburg zufolge ist es in der Region das erste Mal, dass es eine solche kombinierte Katastrophenschutzübung gibt. Geschätzt rund 200 Männer und Frauen sind auf den Beinen. Am Dienstag hatte es bereits Koordinierungstrainings gegeben zwischen den Einsatzstellen, nun stand die Übung im Außengelände an. Am Donnerstag soll das Ganze ausgewertet werden.
Im Grenzgebiet arbeitet Deutschland schon in vielen Bereichen mit Polen zusammen. Es gibt zum Beispiel gemeinsame Polizeieinsätze und Ermittlerteams.
Ein Problem, das auf der Hand liegt: Die Sprachen. Denn nicht alle der Einsatzkräfte beherrschen Deutsch und Polnisch gleichermaßen. Oberst Olaf Detlefsen, der die Übung leitet, erläutert, dass man sich auf ein gemeinsames Zeichensystem geeinigt habe. Etwas später betont er auch: «Entscheidend ist, dass wir uns kennen.» Das könne wichtige Zeit einsparen, wenn der Ernstfall eintritt.
Ein Tross von Verwaltungsmitarbeitern und Vertreter der beteiligten Stellen beobachten das Training. Lautsprecher sind aufgestellt, ein Redner erläutert die einzelnen Schritte. Das Hochwasser-Szenario der Übung Flut (polnisch: Powódz) stellt sich so dar: Das Wasser ist über die Ufer der Neiße getreten. Wege zu Krankenhäusern in der Region sind abgeschnitten. Die Deiche müssen gesichert werden. Und Evakuierungen stehen an.
An der Deichanlage unweit der Grenzstation häufen deutsche und polnische Einsatzkräfte Sandsäcke auf. Sie tragen Handschuhe - denn theoretisch können schon Tierkadaver das Wasser verunreinigt haben. Als ein Tross von Militär, Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und Journalisten aus einem Bus steigt und durch ein Waldstück zu der Trainingsstation am Deich geht, ist eine vorbeifahrende Radlergruppe völlig verblüfft. Eine Frau sagt: «Das gibt's doch nicht. Ist hier ein Unfall passiert?»
Das Szenario ist angelehnt an ein Neiße-Hochwasser aus dem Jahre 2010. Spree-Neiße-Landrat Harald Altekrüger (CDU) erinnert sich, dass es damals durch Überschwemmungen in der südbrandenburgischen Grenzregion große Schäden für die Landwirtschaft gab. Nach dem Hochwasser sei angeregt worden, zusätzliche Pegel im Neiße-Bereich zu installieren. Bislang gebe es aber noch keine neuen, sagt Altekrüger. Auch bei der Deichsanierung bestehe stellenweise immer noch Nachholbedarf.
Kritik kommt auch aus Polen. Der Bürgermeister der polnischen Kleinstadt Gubin, Bartlomiej Bartczak, moniert, dass der Hochwasserschutz auf der polnischen Seite schlechter sei als auf der deutschen Seite. Und er spricht einen weiteren Punkt an: Bislang könnten Rettungsdienste noch nicht über die Grenze hinweg zusammenarbeiten. Krankenwagen müssten beim Patiententransport an der Grenze stoppen. «Es ist schlimm», sagt der Bürgermeister. Das müsse sich unbedingt ändern.