25.03.2024
dpa

Schwere russische Luftangriffe auf die Ukraine

Neue russische Luftangriffe auf ukrainische Städte: Die Flugabwehr kann viele Flugobjekte abwehren, aber nicht alle. In der Nacht kommt es zudem zu einem Zwischenfall über Polen - mit diplomatischen Folgen.

Kiew. Das russische Militär hat am Wochenende erneut ukrainische Städte ins Visier genommen und dabei vor allem Objekte der Energieversorgung getroffen und beschädigt. Eine russische Rakete durchquerte dabei in der Nacht zum Sonntag polnischen Luftraum, was bei dem Nato-Mitglied für Verstimmung sorgte und diplomatische Folgen nach sich zieht. Die Ukraine wiederum griff Ziele auf der von Russland besetzten Halbinsel Krim an und traf dabei nach eigenen Angaben zwei Landungsschiffe der Kriegsmarine.

Der großflächige russische Luftangriff in der Nacht zum Sonntag führte in der Ukraine wieder zu Bränden und Stromausfällen. In der Industriestadt Krywyj Rih im Süden hätten herabfallende Trümmer Heizungs- und Stromnetze beschädigt, teilte der Verwaltungschef des Gebiets Dnipropetrowsk, Serhij Lysak, mit. «Mehrere Heizkraftwerke in der Stadt wurden wegen des Spannungsabfalls abgeschaltet.» Deshalb seien sechs Krankenhäuser, mehr als 150 Schulen sowie 3000 Wohnhäuser mit 76 000 Bewohnern vorübergehend ohne Heizung.

Im westukrainischen Gebiet Lwiw wurde nach Behördenangaben eine nicht näher bezeichnete Anlage der kritischen Infrastruktur getroffen. «Dort brach ein Brand aus. Feuerwehrleute sind im Einsatz», schrieb Gebietsgouverneur Maksym Kosyzkyj auf Telegram. Wenige Stunden später bei einem erneuten landesweiten Luftalarm schlugen zwei russische Hyperschallraketen Kinschal an der gleichen Stelle ein, wie Kosyzkyj mitteilte. Die Feuerwehrleute seien rechtzeitig gewarnt worden und hätten sich in Sicherheit gebracht.

Auch über der Hauptstadt Kiew wurden russische Flugobjekte abgefangen. Berichtet wurde aber nur von einem Schaden an einer Gebäudefassade. Nach Zählung der ukrainischen Luftwaffe griff Russland nachts mit 29 Marschflugkörpern der Typen Ch-101 und CH-555 an. Sie seien von 14 strategischen Bombern über dem Wolga-Gebiet abgefeuert worden, teilte Kommandeur Mykola Oleschtschuk mit. Außerdem seien von der annektierten Halbinsel Krim 28 Kampfdrohnen gestartet worden. Die ukrainische Armee habe 18 der Marschflugkörper und 25 Drohnen abgefangen. Die Flugabwehr sei in allen Landesteilen im Einsatz gewesen.

Es war nach relativer Ruhe seit Jahresbeginn der dritte schwere russische Luftangriff binnen weniger Tage. Die Ukraine wehrt seit mehr als zwei Jahren eine großangelegte russische Invasion ab. Sie wird dabei von vielen westlichen Ländern mit Waffenlieferungen unterstützt, die aber nicht ausreichen für einen vollständigen Schutz des Landes. Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Westen in den vergangenen Tagen mehrfach um weitere Flugabwehrsysteme gebeten.

Russische Rakete im polnischen Luftraum

Bei den Raketenangriffen auf die Westukraine am Sonntagmorgen verletzte Russland polnischen Angaben zufolge kurzzeitig den Luftraum des Nato-Mitglieds Polen. Am 24. März um 4.23 Uhr habe es eine Verletzung des polnischen Luftraums durch einen in dieser Nacht von einem Langstreckenflugzeug Russlands abgeschossenen Marschflugkörper gegeben, schrieb der Generalstab der polnischen Streitkräfte auf der Plattform X (vormals Twitter). Der Zwischenfall hat diplomatische Konsequenzen. Das Außenministerium in Warschau werde den russischen Botschafter einbestellen, der sich dazu erklären müsse, sagte Vize-Außenminister Andrzej Szejna nach Angaben der Agentur PAP. Von den Informationen des Botschafters hänge das weitere Vorgehen ab.

Ukraine: Haben russische Marineschiffe getroffen

Die Ukraine nimmt nach Militärangaben für sich in Anspruch, bei einem nächtlichen Luftangriff auf die Hafenstadt Sewastopol zwei große russische Marineschiffe getroffen zu haben. Es handele sich um die Landungsschiffe «Jamal» und «Asow», teilte das Militär in Kiew am Sonntag mit. Zudem sei in Sewastopol eine Befehlsstelle zerstört worden, berichtete die ukrainische Agentur Unian unter Berufung auf Untergrundkämpfer. Dabei seien mindestens 34 russische Soldaten, unter ihnen 11 Offiziere, getötet worden. Am nahe gelegenen Flughafen Belbek seien durch herabfallende Trümmer abgeschossener Raketen drei russische Kampfflugzeuge beschädigt worden. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.

Stadtverwaltung spricht von beschädigten Fähren

Über einen schweren Luftangriff hatte in der Nacht auch die Stadtverwaltung von Sewastopol auf der seit 2014 von Russland annektierten Halbinsel berichtet. Stadtchef Michail Raswoschajew sprach auf Telegram vom «massivsten Angriff der vergangenen Zeit», der aber abgewehrt worden sei. In sozialen Medien kursierten nicht verifizierte Videos, die mehrere heftige Explosionen an verschiedenen Stellen von Sewastopol zeigten. Eine unabhängige Bestätigung für die ukrainischen Informationen gab es allerdings nicht. Raswoschajew berichtete lediglich, dass fünf kleine Hafenfähren beschädigt worden seien. Seinen Angaben nach wurde ein Mann durch Raketensplitter getötet; vier weitere Personen seien verletzt worden.

Ukraine setzt wohl Marschflugkörper ein

Anhand der Internetquellen analysierten Experten, dass die ukrainische Armee mindestens drei Marschflugkörper eingesetzt habe, wie Großbritannien und Frankreich sie zur Verfügung gestellt haben. Die Ukraine, die selbst keine funktionsfähige Marine hat, hatte in den vergangenen Monaten den Schiffsbestand der russischen Schwarzmeerflotte dezimiert.

Raketenalarm in Belgorod

In der südrussischen Stadt Belgorod unweit der Grenze zur Ukraine wurde am Sonntag erneut Luftalarm wegen angeblich anfliegender Raketen auslöst. Die Bewohner der bereits mehrfach von ukrainischen Angriffen getroffenen Stadt wurden aufgerufen, sich in Sicherheit zu begeben.