Wichtigster Gast der 9. Hauptversammlung unter dem Motto „mitarbeiten – mitwirken – mitgestalten“ ist Bundesverteidigungsminister Georg Leber. In einer Grundsatzrede, die den vorgesehenen Zeitrahmen sprengt, warnt er vor einem falsch verstandenen und gefährlichen Sicherheitsgefühl.  Foto: DBwV/Archiv

Wichtigster Gast der 9. Hauptversammlung unter dem Motto „mitarbeiten – mitwirken – mitgestalten“ ist Bundesverteidigungsminister Georg Leber. In einer Grundsatzrede, die den vorgesehenen Zeitrahmen sprengt, warnt er vor einem falsch verstandenen und gefährlichen Sicherheitsgefühl. Foto: DBwV/Archiv

03.05.2023
Von Michael Rudloff

1973 ist das Schlüsseljahr in der Geschichte des DBwV

Vor 50 Jahren nimmt die Entwicklung der „Lebenshilfe-Vereinigung der ersten Stunde“zum politisch einflussreichen Berufsverband in der Ägide des Vorsitzenden Heinz Volland rasant an Fahrt auf.

Bei tropischen Temperaturen versammelten sich am 25. Juni 1973 rund 300 Delegierte des Deutschen BundeswehrVerbandes im inzwischen traditionellen Veranstaltungsort, der Stadthalle Bad Godesberg, zur 9. Hauptversammlung. In den fünf Tagen bis zum 29. Juni berieten sie über Richtungsentscheidungen, die den Verband auf eine neue Grundlage stellten.

Die von ihnen beschlossene neue Satzung, eine Rechtsschutzordnung und ein erstmals in der Verbandsgeschichte angenommenes Grundsatzprogramm markierten „den Start für die programmatische Aufarbeitung der in der Praxis bereits erfolgten stetigen Entwicklung des Verbandes von einer reinen ‚Lebenshilfe-Vereinigung der ersten Stunde’ zu einem politisch mächtigen Berufsverband“.

Öffentlichkeitswirksam bezog der DBwV bei Themen von grundsätzlicher Bedeutung für die Sicherheits- und Gesellschaftspolitik der Bundesrepublik Position. Die Stellungnahmen des Verbandes fanden in zunehmendem Maße Gehör, was sich in der starken Präsenz von Journalisten beim „Parlament der Soldaten“ und einer bis dahin nicht gekannten Resonanz in den Medien manifestierte. Als sichtbares Zeichen für die nun beschleunigte Verbindung von Tradition und Erneuerung ersetzte das Verbandsorgan „Die Bundeswehr“ im Juli 1973 die seit dem ersten Erscheinen 1956 verwendete Titelschrift durch eine nüchterne und damit modern wirkende Typographie.

Heinz Volland hatte seit seiner Wahl zum Bundesvorsitzenden 1967 den DBwV für neue Zielgruppen geöffnet und mit europäischen Partnerorganisationen vernetzt. Durch die Aufnahme von Grundwehrdienstleistenden und die Gründung von Kameradschaften Ehemaliger, die mit auf ihre Interessen zugeschnittenen Angeboten nach ihrem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst im DBwV gehalten wurden, gelang es dem DBwV nach einer Phase der Stagnation innerhalb von sechs Jahren 50.000 Mitglieder hinzuzugewinnen. Anfang 1973 konnte das 160.000ste Mitglied begrüßt werden.

Der DBwV wird gründlich renoviert

Die auf der auf der 9. Hauptversammlung angenommene Satzung enthielt einschneidende Veränderungen der Organisation mit dem Ziel, die soldatische Interessenvertretung kampagnenfähig aufzustellen. Bereits die vorhergehende Hauptversammlung 1969 hatte die Amtsdauer des Bundesvorstandes und den Abstand zwischen den Hauptversammlungen um zwei Jahre und damit auf insgesamt vier Jahre verlängert. Den gewählten Mandatsträgern sollte damit Zeit eingeräumt werden, um grundlegende wehrpolitische Anliegen mit Erfolg durchzusetzen. Es hatte sich gezeigt, dass es immer schwieriger wurde, die Mitglieder des Bundesvorstandes aus ihren im gesamten Bundesgebiet verteilten Dienstorten zu erforderlichen kurzfristigen Entscheidungen zusammenzurufen, um auf aktuelle Entwicklungen schnell reagieren zu können.

Die von der 9. Hauptversammlung beschlossene Einrichtung des Geschäftsführenden Vorstands (GfV) als Satzungsorgan bildete einen wesentlichen Schritt zur Professionalisierung des Verbandes. In den ersten GfV wählte der Bundesvorstand den Bundesvorsitzenden, seinen Stellvertreter, die Vorsitzenden von Heer, Luftwaffe und Marine, den Pressereferenten sowie den Stellvertretenden Vorsitzenden Luftwaffe. In seinen Sitzungen, die an jedem Montag stattfanden, wurden allein in der ersten Legislaturperiode über 500 Beschlüsse zu verbandspolitischen sowie zu Organisations- und Strukturfragen des DBwV gefasst.

Die Konzentration der wesentlichen politischen Entscheidungen auf ein kleines, hauptamtlich arbeitendes Gremium verstärkte das politische Gewicht des jeweiligen Bundesvorsitzenden. Gemildert wurde die Tendenz zur Zentralisation durch eine Aufwertung der Bereichsvorsitzenden. Die federführenden Verbandsbeauftragten in den sechs Wehrbereichen wurden durch Geschäftsstellen mit hauptamtlichen Mitarbeitern unterstützt.

Bis dahin hatten die ehrenamtlichen Bereichsbeauftragten vor allem als Vermittlungsinstanz zwischen den Kameradschaften und dem Bundesvorstand beziehungsweise der Bundesgeschäftsstelle agiert. Ihre Amtszeit wurde auf vier Jahre erweitert und sie erhielten Sitz und Stimme im Bundesvorstand. Statt wie bisher 18, gehörten dem Bundesvorstand nun 25 Mandatsträger an.  Durch diese Aufwertung wurde in den sechs Wehrbereichen eine „Mittelinstanz“ geschaffen. Aus den Bereichen formierten sich Ende der achtziger Jahre die Landesverbände.

Sicherheit kostet ihren Preis

Mit der ersten, umfassenden Positionsbestimmung des DBwV „zu grundlegenden gesellschaftspolitischen Fragen der Soldaten, die bislang widersprüchlich beantwortet worden waren“ in einem Grundsatzprogramm, erfüllte der DBwV einen Auftrag der 8. Hauptversammlung 1969. Es war das Ergebnis einer Diskussion auf allen Verbandsebenen. Schwerpunkte bildeten das Verhältnis von Bundeswehr und Gesellschaft, Thesen zum Berufsbild der Soldaten, ein Forderungskatalog zum Dienst- und Sozialrecht sowie Vorschläge zur Erhöhung der Attraktivität der Bundeswehr.

Der Ausgangspunkt war die Prämisse, dass die Bundeswehr ihrer Funktion nur gerecht werden kann, wenn die Gesellschaft bereit ist, ihren Staat zu verteidigen und „die notwendigen haushaltsmäßigen Voraussetzungen für eine hinreichende personelle und materielle Ausstattung der Bundeswehr zu schaffen. Sicherheit kostet ihren Preis“. Zur Anerkennung der Bundeswehr als Teil der Gesellschaft seien verstärkte Informationen über ihre Bedeutung und Funktion bereits in der Schule erforderlich. Eine entscheidende Voraussetzung für die Bereitschaft, den Wehrdienst abzuleisten, bildete ein höheres Maß an Wehrgerechtigkeit.

In den siebziger Jahren überstieg die Zahl der wehrfähigen jungen Männer wesentlich den Bedarf der Streitkräfte. Um der Tendenz entgegenzuwirken, dass der Wehrdienst als „Sonderopfer gegenüber der Allgemeinheit“ empfunden wird, sprach sich der DBwV für die Einführung einer Gemeinschaftsdienstpflicht aus, der sich jeder junge Staatsbürger zu unterziehen habe. Die Laufbahngestaltung der Soldaten sollte weniger an formalen Bildungsabschlüssen, sondern vielmehr an Erfordernissen der Fachverwendung mit Aufstiegschancen nach dem Leistungsprinzip ausgerichtet werden. Besoldungsbenachteiligungen der Soldaten gegenüber anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes sollten abgebaut und die Besoldung dynamisch an die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung – auch durch vermögenswirksame Leistungen – angepasst werden.

Angeregt wurden verbesserte Übernahmebestimmungen in den öffentlichen Dienst für Zeitsoldaten nach dem Ende der Dienstzeit sowie berufsfördernde Maßnahmen und die bevorzugte Zulassung zu Ausbildungsstätten aller Art, um eine reibungslose Eingliederung der Wehrpflichtigen in das Zivilleben zu erleichtern. Als Gewerkschaftler zeigte sich Verteidigungsminister Georg Leber in einer ausführlichen Rede den sozialen Anliegen der Delegierten der 9. Hauptversammlung gegenüber zugänglich und verwies auf eine Steigerung der sozialen Komponente des Verteidigungshaushalts 1973 gegenüber dem des Vorjahres um immerhin 11,3 Prozent. Er sicherte zu, dass „jede Mark, die wir in diesen Bereich tun können“ auch dort investiert werden wird.

Bewährung in der Krise

Wenige Monate nach der 9. Hauptversammlung, im Oktober 1973, nahmen die arabischen und Erdöl exportierenden Länder den „Yom-Kippur-Krieg“ mit Israel zum Anlass, den Preis für Erdöl drastisch zu erhöhen und die Liefermengen zu verringern, worauf die Bundesregierung mit Sonntagsfahrverboten und Geschwindigkeitsbegrenzungen reagierte. Dies löste die bis dahin schwerste Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik aus. Zum ersten Mal in der Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland ging 1975 das Sozialprodukt zurück. Hohe Arbeitslosigkeit, Preisanstieg und Steuermindereinnahmen setzten den verbandspolitischen Forderungen enge Grenzen. Der DBwV erkannte die Notwendigkeit von Ausgabenkürzungen an, wandte sich aber gegen das am 1. Januar 1976 in Kraft gesetzte Haushaltstrukturgesetz.

Trotz des Anspruchs, die Lasten gleichermaßen zu verteilen und Sonderopfer zu vermeiden, trafen die drastischen Sparmaßnahmen die Soldaten und zivilen Beschäftigten der Bundeswehr am härtesten. Der Bundesvorstand beließ es nicht bei Kritik, sondern legte einen Alternativvorschlag mit Deckungsvorschlägen vor, die einen größeren Spareffekt versprachen. Mit vielfältigen Initiativen – etwa der Aktion „Soldaten helfen sparen“ – und parlamentarischen Vorstößen, die im Bundestag durch den Abgeordneten Peter Würtz unterstützt wurden, gelang es dem DBwV immerhin, die gröbsten Härten des Gesetzes zu mildern. Honoriert wurde das Engagement des Verbandes durch einen weiteren Mitgliederzuwachs. Kurz nach dem 20. Verbandsgeburtstag gelang es dem DBwV im Oktober 1976, die 200.000er-Marke zu „knacken“.

Mit dem Motto der 10. Hauptversammlung im Oktober 1977: „Dem Gemeinwohl verpflichtet“ bekräftigte der DBwV den Anspruch, dass das Ziel der Verbandspolitik nicht im Erringen gruppenegoistischer Vorteile besteht, sondern im „Abbau von Diskriminierungen und Missständen im soldatischen Bereich als Voraussetzung für Erhaltung der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte“.  

Verbandsmagazin im neuen Layout

Die Modernisierung des DBwV in den 1970er Jahren zeigte sich auch an der Gestaltung des Layouts der Verbandszeitschrift „Die Bundeswehr“. Einer Leseranalyse aus dem Jahr 1971 zufolge wurde die in einer Druckauflage von rund 133.000 Exemplaren herausgegebene, „größte deutsche Soldatenzeitschrift“ von 60 Prozent des Offizierskorps, 70 Prozent des Unteroffizierskorps und 29 Prozent des Mannschaftsstandes regelmäßig gelesen.

Nachdem die Zeitschrift seit 1961 unverändert in grünem Umschlag erschienen war, machte sie im Januar 1971 erstmals mit einem ganzseitige Titelbild auf – zunächst in Schwarz-Weiß, ab April 1972 in Farbe. Die abgebildete Ausgabe vom Juni 1973, die den Delegierten der 9. Hauptversammlung des DBwV in Bad Godesberg vorlag, war die letzte mit dem seit 1956 verwendeten „geschwungenen“ Schriftzug. Ab Juli erhielt der Titel eine moderne, sachlich wirkende Schrifttype.

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