Verteidigungsministerin Christine Lambrecht vor dem Ehrenhain aus Masar-e-Sharif, in dessen Mittelpunkt ein 27 Tonnen schwerer Findling steht. Foto: DBwV/Yann Bombeke

11.11.2022
Von Yann Bombeke

Damit wir niemals vergessen – Ehrenhain aus Masar-e-Sharif eingeweiht

Der letzte Ehrenhain aus Afghanistan hat nun seinen endgültigen und sicheren Standort gefunden: In einer emotionalen Zeremonie wurde die Gedenkstätte im Wald der Erinnerung beim Einsatzführungskommando eingeweiht.

Schwielowsee. Wer während des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr das Camp Marmal, Feldlager der Bundeswehr in Masar-e-Sharif, besuchte, wurde oft zunächst an einen Ort der Stille geführt: Im Ehrenhain wurde der Soldaten gedacht, die im RC North ihr Leben gelassen hatten, gefallen waren. Bis zum Ende der internationalen Mission am Hindukusch im Sommer 2021 waren es 109 Namen, die dort auf Plaketten daran erinnerten, wie gefährlich dieser Einsatz war. Darunter 59 Namen deutscher Soldaten, von denen 35 bei Anschlägen oder Gefechten fielen. Inmitten des Ehrenhains: Ein 27 Tonnen schwerer Findling, ein massives Stück afghanisches Marmal-Gebirge.

Der Findling steht nun im Wald der Erinnerung beim Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Potsdam, gemeinsam mit dem aus afghanischen Ziegeln nachgebauten Ehrenhain. „Wir sind am emotionalsten Ort der Bundeswehr“, sagt Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am neuen Standort des Gedenksteins, der nun nicht mehr in der kargen Ebene Nordafghanistans steht, sondern in einem herbstlichen deutschen Wald, Tausende Kilometer von seinem Herkunftsort entfernt. Mit dem Stein sind die Erinnerungen nach Deutschland gekommen, Erinnerungen an die Toten eines Einsatzes, der zwar abgeschlossen, aber noch lange nicht aufgearbeitet ist.

Im Mai 2021 ist der Stein in Schwielowsee bei Potsdam, Sitz des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr, nach einem aufwendigen Transport angekommen. Nun wird der Ehrenhain durch die Verteidigungsministerin vor zahlreichen Gästen aus Politik, Militär, Gesellschaft eröffnet – im Mittelpunkt stehen jedoch die vielen Angehörigen der Gefallenen, die an diesem Tag in den Wald der Erinnerung gekommen sind. Eine von ihnen ist Tanja Menz. Ihr Sohn fiel am 18. Februar 2011 einem heimtückischen Anschlag zum Opfer.

Stabsgefreiter Konstantin Menz war in der trügerischen Sicherheit des Außenpostens OP North mit weiteren Kameraden dabei, einen Schützenpanzer Marder zu warten, als ein afghanischer Soldat plötzlich das Feuer eröffnete. „Green on Blue“ werden solche Vorfälle im NATO-Jargon genannt, wenn vermeintliche Freunde und Partner plötzlich die Waffe auf einen richten. Der 22-jährige Konstantin Menz fiel diesem Anschlag zum Opfer, ebenso seine Kameraden Hauptfeldwebel Georg Missulia und Hauptgefreiter Georg Kurat. Auch ihre Namen sind auf den am Ehrenhain befestigten Plaketten zu finden.

Tanja Menz ist in den vergangenen Jahren oft im Wald der Erinnerung gewesen, mal allein, mal mit Freunden oder Familienangehörigen, sagt sie bei der Einweihung des Ehrenhains. Sie war auch mehrmals in Afghanistan, stand im Camp Marmal neben dem 27-Tonnen-Findling, um Nähe zu ihrem Sohn, der nicht mehr da ist, zu spüren. Für Tanja Menz ist der Tod ihres Sohnes in Afghanistan, Tausende Kilometer von der Heimat entfernt, kein sinnloses Opfer. Auch wenn dieser Einsatz nicht so zu Ende ging, „wie wir uns alle es gewünscht haben“, sagt sie zu den Anwesenden, unter ihnen auch Stabsfeldwebel Thomas Schwappacher, Stellvertreter des Bundesvorsitzenden.

Tanja Menz zeigt sich heute dankbar, dass der letzte Ehrenhain aus Afghanistan nun in Deutschland ist, wo die Familien und Angehörigen ihren verstorbenen Liebsten „auf ganz besondere Weise nahe sein können, ohne weit reisen zu müssen“. Tanja Menz weiter: „Das Ehrenmal hat hier einen guten und sicheren Ort gefunden.“

„Für die Truppe ist es wichtig zu wissen: Die Verstorbenen und Gefallenen und ihre Hinterbliebenen werden niemals vergessen“, sagt Verteidigungsministerin Lambrecht. Am Ehrenhain ende heute symbolisch die Rückverlegung aus Afghanistan, so die SPD-Politikerin weiter. Nun müssten die richtigen Lehren aus diesem Einsatz gezogen werden. „Das schulden wir den Angehörigen und das schulden wir allen Soldatinnen und Soldaten, die für unser Land im Einsatz sind.“

Zum Ende der Veranstaltung, nach einer multireligiösen Andacht, enthüllen Lambrecht und der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Generalleutnant Markus Laubenthal, die Gedenktafel auf dem Findling. „Zum Gedenken an unsere toten Soldaten. In Deine Hände befehle ich meinen Geist“, steht dort geschrieben. Und, auf Englisch: „Lest we forget“ – damit wir niemals vergessen.

Für den Deutschen BundeswehrVerband ist es von großer Bedeutung, die Erinnerung an die Toten und Gefallenen der Bundeswehr zu wahren. Dass nun der letzte Ehrenhain aus Afghanistan in Deutschland für die Öffentlichkeit eingeweiht wurde, um der Opfer zu gedenken, die in diesem Einsatz gebracht wurden, ist ein wichtiger Baustein der Erinnerungskultur. Stabsfeldwebel Schwappacher sagt beim abschließenden Rundgang durch den Wald der Erinnerung : „Es war eine sehr würdevolle Veranstaltung in einem angemessenen Rahmen.“

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