Der stellvertretende Vorsitzende des Verbands deutscher Soldaten und ehemalige RdB-Funktionär Otto Mosbach begrüßt die erste Hauptversammlung des Deutschen BundeswehrVerbands im Mai 1957. Foto: privat

Der stellvertretende Vorsitzende des Verbands deutscher Soldaten und ehemalige RdB-Funktionär Otto Mosbach begrüßt die erste Hauptversammlung des Deutschen BundeswehrVerbands im Mai 1957. Foto: privat

12.09.2020
Dr. Michael Rudloff, Verbandshistoriker im DBwV

Der vergessene Vorläufer des DBwV: Unteroffiziere machten den Anfang

Im kommenden Jahr kann der Deutsche BundeswehrVerband auf eine 65-jährige Erfolgsgeschichte zurückblicken. Einhundert Jahre zuvor scheiterte ein erster hoffnungsvoller Anlauf zu einer einheitlichen soldatischen Interessenvertretung am Widerstand konservativer Kräfte in Armee und Politik.

Als im November 1918 die monarchistische Ordnung zusammenbrach, war das kaiserliche Offizierkorps zunächst paralysiert. Sich rasch formierende Soldatenräte brachten sich in die nun mögliche Offiziers- und Führerwahl ein. Gegen deren zum Teil unkoordinierte Eingriffe schlossen sich Unteroffiziere in Vereinigungen zusammen. Bei der Rückführung der Truppen nach dem Waffenstillstand übernahmen sie Verantwortung bei der Aufrechterhaltung der militärischen Disziplin.

Am 16. November 1918 gründeten Berufsunteroffiziere auf Initiative des Offizierstellvertreters Gustav Suppe die „Vereinigung der aktiven Unteroffiziere der Garnisonen Groß-Berlins“, der sich innerhalb weniger Tage 5000 Unteroffiziere anschlossen. Im Bewusstsein der historischen Bedeutung dieses ersten Schrittes zu einer reichsweiten Interessenorganisation erklärte Suppe: „Kameraden, unsere Vereinigung ist ein Kind der Zeit! Es ist das erste Mal, seitdem es preußische und deutsche Geschichte und deutsche Unteroffiziere gibt, dass diese sich versammeln.“ In allen Teilen des Reichs folgten Unteroffiziere dem Beispiel und bildeten Orts- und Landesverbände eines „Bundes der Vereinigungen aktiver Unteroffiziere der deutschen Armee, Marine und Schutztruppen“. Bereits Mitte Dezember 1918 trafen sich Delegierte zu einer ersten Reichskonferenz in Leipzig. Innerhalb der ersten drei Monate erklärten 73 269 Unteroffiziere ihren Beitritt.

Als Gegenleistung für die Zusicherung, die aus der Revolution hervorgegangene Regierung bei der Aufrechterhaltung von „Ruhe und Ordnung“ zu unterstützen, erhoben die organisierten aktiven Unteroffiziere konkrete sozialpolitische Forderungen. Die Entscheidung entsprang eher Pragmatismus als republikanischer Überzeugung. Vom Kaiser fühlten sie sich im Stich gelassen und erwarteten nun von dem gemäßigten Sozialdemokraten Friedrich Ebert die Aufrechterhaltung der erworbenen Ansprüche und die Sicherung der materiellen Existenz. Zum Schutz der Reichskanzlei stellte Suppe eine Truppe aus 300 Unteroffizieren zusammen, die als „Suppe-Garde“ in die Geschichtsschreibung eingegangen ist.

Im Frühjahr 1919 zeigte sich, dass die im Zuge der Demobilisierung dahinschmelzende Zielgruppe der aktiven Unteroffiziere für die Organisation ausgeschöpft war. Eine reine Berufsvertretung der Unteroffiziere hätte in einem durch den Versailler Vertrag zugestandenen 100 000-Mann-Heer keine Zukunft gehabt. Der im Juli 1919 neu gewählte Bundesvorsitzende Otto Franke setzte einen Neustart als „Reichswirtschaftsverband deutscher derzeitiger und ehemaliger Berufssoldaten e.V.“ (RdB) durch. Mit einem „Programm der wirtschaftlichen Selbsthilfe“ warb er um Berufssoldaten und Militärbeamte aller Dienstgrade, Angehörige von Soldaten, Hinterbliebene und Personen, die sich um den Verband verdient gemacht hatten. Neben einem Arbeitsnachweis bot der Verband unter anderem eine Rechtsschutzabteilung, eine Abteilung für Fortbildung, eine Ein- und Verkaufsgenossenschaft, eine General-Versicherungsagentur, eine Spar- und Darlehenskasse, eine Fürsorge- und Unterstützungskasse mit angegliederter Sterbekasse, eine Siedlungs-Genossenschaft, einen Zeitungsverlag und schließlich eine Abteilung für Vorzugsverträge (unter anderem beim Einkauf oder für günstigere Reisen). Geplant war der Bau eines Erholungsheims für Verbandsangehörige.

Im Zentrum der Verbandsarbeit stand der Bildungsgedanke. Um die Chancen ausscheidender Unteroffiziere auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, organisierte der RdB „Militäranwärterkurse“. Die verbandseigene Siedlungsgenossenschaft „Schild und Scholle“ erwarb Land und verteilte Parzellen von 40 bis 60 Morgen an Soldaten, die nach zwölf Dienstjahren aus der Armee ausschieden, um ihnen eine landwirtschaftliche Existenz zu ermöglichen. Die Abteilung Siedlung wurde eine Zeitlang durch den späteren Bundespräsidenten Heinrich Lübke geleitet.

Der Verband richtete seine Geschäftsstelle im Berliner Sportpalast ein und gab bis zu sechsmal monatlich die Zeitschrift „Schild und Scholle“ heraus. Nach eigenen Angaben existierten bis Ende 1919 bereits 500 Ortsgruppen in 14 Landesgruppen. 1920 meldete der Verband 96 000 Mitglieder. Bis April 1921 erfolgte eine moderate Steigerung der Mitgliederzahl auf 110 000, davon sollen 60 000 aktive Reichswehrangehörige und 50 000 ehemalige Berufssoldaten oder deren Angehörige gewesen sein. Bemühungen, mit den im Deutschen Offizierbund organisierten aktiven und ehemaligen Offizieren eine Einheitsorganisation zu bilden, führten immerhin zu einer Arbeitsgemeinschaft.

Der heterogenen Zusammensetzung der Mitgliedschaft trugen die ab 1920 gebildeten Reichsfachgruppen innerhalb des RdB Rechnung. Die wichtigste war die Reichsfachgruppe Reichswehr, in der sich bis zu 60 000 aktive Soldaten organisiert hatten. Mit der Leitung wurde der Offizier-Stellvertreter Otto Mosbach betraut, der sich seit 1919 als Beauftragter für Unteroffizierfragen anfangs im Preußischen Kriegsministerium und danach im Stab des Reichswehrministers Gustav Noske einen Namen gemacht hatte.

Von dem ehrgeizigen Ziel, 150 000 Mitglieder zu gewinnen, blieb man indessen weit entfernt. Zunehmend bremsten das Misstrauen Vorgesetzter und Behinderungen militärischer Dienststellen – wohl aber auch Organisationsprobleme und interne Auseinandersetzungen über die politische Ausrichtung des Verbands – das weitere Wachstum.

Der RdB betonte seine parteipolitische Neutralität und verpflichtete sich, ein festes Vertrauensverhältnis zwischen Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften zu fördern, parteipolitische Betätigung aus der Truppe herauszuhalten und sich nicht in militärdienstliche Angelegenheiten einzumischen. Auch wenn er sich anfangs als „Organisation auf gewerkschaftlicher Grundlage“ bezeichnete, verzichtete der Reichswirtschaftsverband ausdrücklich auf den Einsatz gewerkschaftlicher Kampfmittel – insbesondere das Streikrecht.

Der RdB vertrat das Menschenbild einer modernen Armee, in der aus „Untertanen … Bürger und aus Untergebenen Geführte“ geworden sind, die das „Vorgesetztenheer“ in ein „Volksheer“ umwandeln werden. Dies musste früher oder später mit der durch General von Seeckt vorangetriebenen „Entpolitisierung“ der Reichswehr kollidieren.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet die Parteinahme des RdB für die legitime Reichsregierung während des Kapp-Putsches zum Wendepunkt der bis dahin erfolgreichen Geschichte der soldatischen Interessenvertretung wurde. Bei einem informellen Gespräch am Abend des 13. März 1920 mit Kapps Stadthalter im Bendlerblock, Oberst Max Bauer, wurden Franke und Mosbach Ohrenzeugen der Absicht, die nach Dresden ausgewichene Führung des Reichs durch den Befehlshaber des Wehrkreiskommandos, Generalmajor Maercker, festnehmen zu lassen. Für einen solchen Fall erwogen sie eine Befreiung durch das in Dresden ansässige Unteroffizier-Bataillon. Die RdB-Führung folgte noch in derselben Nacht der Reichsregierung nach Dresden. Dort warnte sie Reichswehrminister Noske vor der nicht verlässlichen Position Maerckers. Am 14. März distanzierte sich der RdB in einem Aufruf an die Bevölkerung von dem „verbrecherische(n) Anschlag meuternder Offiziere gegen die rechtmäßige Regierung“ und rief in einer weiteren Erklärung die „Soldaten der deutschen Republik“ entsprechend des in freier Entscheidung getroffenen Treueeids auf, „fest hinter der verfassungsmäßigen Regierung zu stehen“.

Rückblickend bedauerte Otto Mosbach, dass die bei dem Putsch gezeigte staatspolitische Haltung des RdB bewirkt habe, „dass sich im damaligen Reichswehrministerium und in politischen Kreisen Ablehnung und Widerstand gegen (die) Gewährung aller Staatsbürgerrechte an die Soldaten bemerkbar machten. Man wünschte keinerlei aktive Anteilnahme der Soldaten, auch nicht der Berufssoldaten, am politischen Geschehen in der parlamentarischen Demokratie. Das Auftreten des RdB gegen die Meuterer wurde paradoxerweise vielfach als Gehorsamsverweigerung oder Meuterei angesehen.“

Im Juli 1921 verbot Reichswehrminister Otto Geßler aktiven Soldaten die Zugehörigkeit zum RdB. Im Interesse eines Fortbestands des Staates sei es demnach besser, lieber kein Heer zu besitzen als eine „bewaffnete Gewerkschaft, die der Regierung bei jeder Gelegenheit ihren Willen aufzuzwingen versucht“. Darüber hinaus müsse ein „Zusammenschluss von Vorgesetzten und Untergebenen … auch bei noch so gutem Willen zwangsläufig zur Schädigung der Disziplin einerseits und zum Missbrauch der Dienstgewalt andererseits führen“.

Der damit seines organisatorischen Kerns beraubte RdB bemühte sich um Konsolidierung. 1923 zählte er noch 15 000 Mitglieder – zum größten Teil Militäranwärter. Vor dem endgültigen Aus rettete den RdB der Zusammenschluss mit dem Bund deutscher Militäranwärter.

Otto Mosbach setzte sein Eintreten für die sozialen Belange der Berufssoldaten fort – zuletzt als Ehrenvorsitzender des Verbands deutscher Soldaten in der Bundesrepublik. 1957 begrüßte er die 1. Hauptversammlung des DBwV. Mehr als drei Jahrzehnte nach dem ersten Anlauf sah er nun die Zeit für eine Einheitsorganisation der Soldaten gekommen.

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