Die Fotografin Daniela Skrzypczak bei der Vernissage zu ihrer Ausstellung am Zentrum Innere Führung im vergangenen Mai. Foto: Heike Jasper

28.08.2022
Von Jürgen Görlich

Mit viel Energie zum Erfolg

Ein Jahr „Gesichter des Lebens“ bedeutet ein Jahr mit viel Energie und Hartnäckigkeit, mit Empathie und Freude, ein Ziel zu verfolgen. So und nicht anders ist die Fotografin Daniela Skrzypczak an ihr Projekt herangegangen. Zuerst hieß es, Unterstützer finden, andere von der Idee zu überzeugen und dann mit Dirk Meyer-Schumann das erste Gesicht zu finden. Was für eine Energieleistung dahintersteckt, kann man als Außenstehender kaum wahrnehmen, aber das Ergebnis hat alle überzeugt: Es sind Bilder entstanden mit einer wahnsinnigen Aussagekraft, Texte voller Emotionen und Interviews, die uns alle sehr berührt haben. Nun wollen wir die Künstlerin aber selber fragen, was sie über das Projekt denkt.

Frau Skrzypczak, wie sind Sie auf die Idee gekommen, Soldatinnen und Soldaten als Gesichter des Lebens zu fotografieren?

Das war nie so geplant, eigentlich wollte ich ältere Menschen in Senioreneinrichtungen fotografieren. Begonnen hat alles 2020/2021, da habe ich zirka 2500 Herzenspost-Postkarten von Nord – bis Süddeutschland für die Menschen in Senioreneinrichtungen geschrieben. Erst ganz allein und dann haben ganze Familien und sogar Schulklassen mitgeschrieben und sie an verschiedene Senioreneinrichtungen übergeben. Als dann im März 2021 die Einrichtungen wieder geöffnet wurden, wollte ich den Menschen Zeit schenken, sie dabei fotografieren. Und gleichzeitig aber auch in Interviews mehr über sie erfahren. Eines Tages sagte mein Sohn zu mir, der mal bei der Bundeswehr war: „Mama, auch bei der Bundeswehr gibt es Menschen, die nicht gesehen werden, so die Kameraden, die z.B. in Auslandseinsätzen waren und seelische oder körperliche Schädigungen mit nach Hause bringen.“ Ich schaute ihn an und sagte: „Davon habe ich eigentlich keine Ahnung.“ Aber ich begann mich darüber zu informieren und dachte: „Okay Dani, du in der grauen Bundeswehrwelt, das passt.“

Das Konzept kam dann irgendwie aus der „Dusche“ getröpfelt – die meisten kreativen Ideen von mir entstehen dort – und ich wusste, wie das Konzept auszusehen hat. Ich wollte fotografieren, musste eine Webseite umsetzen, denn jedes teilnehmende Gesicht sollte seine eigene Seite bekommen. Gleichzeitig wollte ich auch einen Bildband machen, möglichst in meinem kleinen Verlag, denn als Fotografin gibt es nicht schöneres, als die eigene Fotografie gedruckt zu sehen. Dazu waren in meinem Kopf noch Ausstellungen für die Menschen, damit sie richtig gesehen werden. Mir war klar, dass dies einer disziplinierten Planung und guter Partner bzw. Unterstützer bedarf, damit dieses Projekt funktionieren kann. Denn allein ist es für mich unmöglich, dies alles finanziell zu tragen. Ja, ich habe es geschafft, besser: Wir haben es geschafft. Partner, die mich unterstützen, damit ich fotografieren kann, einen großartigen Partner für den Bildband und für die Ausstellung. Die Präsentation der Ausstellung habe ich von Afrika aus am Diani Beach gemacht, am schönsten Strand des indischen Ozeans und es hat funktioniert.

Jedes einzelne Gesicht von Gesichter des Lebens ist auch Botschafter, Mensch, Soldat, Kamerad, Veteran und wir begegnen uns alle an diesem „großen Tisch“. Ich habe eine Plattform geschaffen, die nun wachsen kann, damit wir uns alle mit viel Menschlichkeit begegnen, austauschen und unterstützen können. Magda, die ich fotografierte, sagte beim Shooting: „Dani wir müssen ‚Gesichter des Lebens‘ zu einem guten Ort machen.“ Ich denke, dies ist auch gelungen.

Wie bekommt man Soldaten, vor allem mit Einsatzstörungen, so offen vor die Kamera?

Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich mache es einfach und versuche mit ganz viel Menschlichkeit, Offenheit, Quirligkeit, positivem Lächeln und meiner grundhaften positiven Lebenseinstellung den Menschen zu begegnen. Mir ist es egal, welchen Beruf ein Mensch ausübt, ich sehe nur den Menschen und fotografiere ihn. Es hat was mit ganz tiefem Vertrauen ins Leben zu tun, was ich den Menschen entgegenbringe, und sie schenken mir ihr Vertrauen. Sich viel Zeit nehmen und den Menschen Raum geben. Das Wichtigste, was wir geben können, ist unsere Zeit, Zeit für unsere Mitmenschen. Da seit über 20 Jahren mein zweites Zuhause in Ostafrika ist, weiß ich was es bedeutet, wenn die Menschen z.B. von Afghanistan erzählen, der Armut vor Ort und wie es sich anfühlt, wenn sie wieder nach Deutschland kommen. Ich kenne die bittere Armut bei Menschen. Es kann mich nicht erschrecken, sondern ich fühle mit und verstehe, was sie damit meinen, wenn sie von ihren Auslandseinsätzen erzählen.

Was passiert während so einem Shooting, wie müssen wir uns das vorstellen?

Mittlerweile schreiben mir viele Soldaten Emails oder WhatsApp-Nachrichten, sie schreiben von ihrem Empfinden, als sie „Gesichter des Lebens“ entdeckt haben. Sie wollen dann auch Teil der Familie werden und an dem „Tisch“ Platz nehmen. Wir machen ein Treffen aus. Meist fahre ich auch zu ihnen, da sie sich zuhause aufgrund ihrer seelischen Erkrankung sicherer fühlen. Bevor ich dann mit einem Shooting beginne, reden wir zuerst miteinander. Wir lernen uns kennen und spüren, wie der andere so ist. Und dann gehen wir sozusagen „Fotografie spazieren“. Ich fotografiere, die Menschen erzählen und wir begegnen uns mit und durch meine Kameras. Es gibt bestimmte Verhaltensweisen bei Menschen, wenn sie vor Kameras stehen und wenn du die kennst, geht es einfacher. Die Aufregung geht und du begegnest den Menschen. Spätestens, wenn ich dann auf den Fußboden liege, um eine tolle Perspektive zu fotografieren, ist das Eis gebrochen.

Bei dem Interview habe ich ganz schnell gelernt, die Menschen „im hier und jetzt“ zu lassen. Ich muss nicht wissen, was andere schon hundert Mal über ihre Vergangenheit gefragt haben. Und dies scheint zu funktionieren, da die Menschen mir vertrauen. Manchmal passiert es auch, dass sie über Erlebnisse und Erfahrungen erzählen, über die sie vorher noch nie mit einem Menschen geredet haben. Bei diesem Vertrauen bin dann auch ich sprachlos und emotional berührt. Mit meiner Fotografie den Menschen Wertschätzung, Interesse und viel Zeit zu schenken – es gibt für mich als Fotografin nichts Schöneres.

Haben Sie noch Kontakt zu den Gesichtern? Welche besonderen Geschichten fallen Ihnen spontan ein?

Man bleibt miteinander immer verbunden, dies muss ja nicht immer an einem gemeinsamen Ort sein. Durch die Webseite, durch Facebook, Instagram oder jetzt auch beim Gestalten des Bildbandes bleiben die Verbindungen erhalten. Es passiert auch, dass ich auf Veranstaltungen mit der Soldaten und Veteranen Stiftung, meinem Partner, bin. Wir stellen dort „Gesichter des Lebens“ den anwesenden Gästen vor. Dabei versuchen wir, einzelne „Gesichter“ immer mit einzubinden. Heute habe ich eine Nachricht bekommen: „Dani ich bin das dritte Mal bei den Invictus Games mit dabei, schau hier ist das Schreiben.“ Das ist dieses verbunden bleiben.

Was ist in den nächsten Wochen geplant? Wie geht es kurzfristig mit „Gesichter des Lebens“ weiter?

In den nächsten Wochen liegt der Fokus auf der Produktion des 200- seitigen Bildbandes, der am 10. Oktober gedruckt werden soll. Im November ist der Bildband dann im deutschen Buchhandel und auch direkt bei „Gesichter des Lebens“ zu erwerben. Ich bin wahnsinnig stolz darauf, denn diesen Bildband entwerfen ausschließlich Frauen. Franziska Seibel ist die Grafikerin, Iris Kuschel schreibt die Texte, die Lektorin ist Katrin Gade und ich bin Fotografin und Verlegerin. Manchmal muss ich mich kneifen, ob das wirklich alles wahr ist. Hinter „Gesichter des Lebens“ steht ein ganz kleiner Kreis an Personen, die bewegen, tun, ankurbeln, machen, neue Ideen umsetzen möchten und dazu immer Wege zur Weiterentwicklung suchen. Das allein schon macht mich unendlich stolz.

Was passiert nächstes Jahr, gibt es eine Weiterentwicklung des Projektes?

Ja, es wird eine Weiterentwicklung von „Gesichter des Lebens“ geben. Ich möchte eigentlich so viel tun, aber alles geht nicht. Da ich meine fotografische Arbeit gerne 120-prozentig machen möchte, kann ich schon sehr diszipliniert sein. Daher ist es wichtig, bei der Weiterentwicklung von „Gesichter des Lebens“, den richtigen Fokus und somit den Weg dazu zu finden. Aber ich habe da ganz besondere, wertvolle Menschen an meiner Seite, die mich auch einmal bremsen und die Richtung finden für mich.

Wie fühlen Sie sich persönlich nach einem Jahr intensiver Fotoarbeit?

Intensiv im Leben, fokussiert und stolz. Wir haben einfach so viel gemeinsam erreicht. Diese Aussagen von den Menschen die ich porträtiert habe – „eh Dani ich bin Stolz ein ‚Gesicht des Lebens‘ zu sein“ – hören sich schon toll an. Gemeinsam, mit viel Menschlichkeit, jeder in dem Umfang, wie er es kann.

Wissen Sie, wie viele Gesichter Sie fotografiert haben und wie viele Kilometer sie dafür zurückgelegt haben?

Es müssten 39 Soldatinnen und Soldaten, Veteraninnen und Veteranen und somit 39 Kameradinnen und Kameraden sein. Ich hoffe nur, dass ich ja niemanden im Bildband vergesse.
Nein, wieviel Kilometer ich gefahren bin, weiß ich nicht. Da ich ja immer mit der Deutschen Bahn unterwegs bin, müssen es einige Züge gewesen sein, in denen ich saß.

Haben Sie noch ein Schlusswort für uns zu „Gesichter des Lebens“?

Gesichter des Lebens wird ja durch verschiedene Säulen getragen, die gleichzeitig alle so wichtig sind. Für das Fotoshooting nehme ich mir viel Zeit und reise auch zu Euch. Schaut euch die Website der Shootings und Interviews an und ihr werdet verstehen und viel über die Menschen lernen. Ich freue mich so sehr auf den Bildband, der jetzt entsteht. Ich hoffe, dass ich viele Menschen damit erreiche, die eigentlich gar nichts mit der Bundeswehr zu tun haben. Und danach noch die Ausstellungen in verschiedenen Einrichtungen und Räumlichkeiten. So wie sie bereits im Zentrum Innere Führung stattgefunden hat. Nochmals alle, die am Tisch sitzen, mitten in die Gesellschaft zu tragen, offen und sichtbar. Und was bin ich froh, dass es so wahnsinnig tolle Partner gibt, die uns dabei unterstützen. Bei ihnen möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Danke an meine Partner, der Soldaten und Veteranen Stiftung und den Deutschen BundeswehrVerband inklusive seiner Förderungsgesellschaft (FÖG) für die Unterstützung und Partnerschaft. Danke an die Deutsche Härtefallstiftung als weiterer toller Partner und Unterstützer sowie an den Rohdich’schen Legatenfonds. Danke auch an MWV-Training, persönlich Bernd Friedlein. Herzensprojekt – Menschlichkeit – Mitgefühl – Miteinander! DANKE!

Was bleibt am Schluss von unserer Seite noch anderes zu sagen, als den Dank zurückzugeben. Es hat uns sehr gefreut, das Projekt zu begleiten und dieses Interview zu führen. Viel Erfolg für die Weiterentwicklung von „Gesichter des Lebens“!

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