Zwei verwundete Veteranen mit Prothesen bei den Invictus Games 2022 in Den Haag. Foto: DBwV/Yann Bombeke
09.09.2023
Von Philipp Kohlhöfer

Alles Sieger

Um Medaillen geht es nicht: Die Invictus Games sind vermutlich der einzige Sportwettkampf der Welt in dem alle Teilnehmer Gewinner sind – noch bevor die Wettkämpfe überhaupt starten.

Düsseldorf ist die sechste Station. Als Prince Harry 2013 die Warrior Games in Colorado Springs besucht, einen Wettkampf, den die die US-Armee jährlich für ihre versehrten Veteranen ausrichtet, ist er so inspiriert, dass er beschließt, eine ähnliche Veranstaltung zu schaffen, die weltweit stattfinden kann: die Invictus Games.

Schließlich weiß er, um was es geht: Zweimal, 2007 und 2008, ist Harry als Offizier der britischen Armee in Helmand eingesetzt, der afghanischen Unruheprovinz. Auf dem Rückflug seines ersten Einsatzes fliegt er mit drei schwerverletzten Kameraden zurück, er sieht welche Verletzungen improvisierte Sprengfallen verursachen – und merkt bald, dass es nicht nur um körperliche Schäden geht, sondern auch um seelische Traumata. Beides, dass ist die Idee, soll wenn schon nicht überwunden, dann bestmöglich verarbeitet werden. Nur ein knappes Jahr später finden 2014 in London die ersten Wettkämpfe statt.

Die aber so viel mehr sind als das: Die Spiele bieten den Soldaten nicht nur eine Plattform, um ihre sportlichen Fähigkeiten zu demonstrieren. In erster Linie geht es darum Genesungserfolge zu feiern. Die Idee: Wenn der Körper beim Sport funktioniert, kann der Kopf auch den Alltag bewältigen. Und so ist der Wettbewerb weniger einer mit den Gegnern, sondern einer, der mit sich selbst ausgemacht wird. Die Platzierung ist daher auch nicht besonders wichtig, die Teilnahme alleine ist der Erfolg. Dafür steht schon der Name: Invictus kommt aus dem Lateinischen und bedeutet unbezwungen, unüberwindlich, unbesiegbar.

Die Games sind dabei ein Baustein und der Höhepunkt in der Sporttherapie. Schließlich hilft gezieltes Training nicht nur die körperliche Fitness wiederherstellen und die motorischen Fähigkeiten verbessern, sondern vor allem dabei, mentale Stärke aufzubauen und psychische Gesundheit zu fördern. Die Invictus Games sind dabei ein wichtiger Meilenstein in der Genesung, denn sie helfen Selbstvertrauen und Motivation zurückzugewinnen. Es geht darum, sich selbst zu zeigen, zu was man noch fähig ist. Das Bild, das vermittelt werden soll: Hier sind keine gestrandeten Veteranen, hier wird vielmehr immer noch gekämpft. Die Front mag eine andere sein, aber hier sind Soldaten. Der Sport konditioniert darüber hinaus anders und sorgt für eine positive Umlenkung des Stresses, das ist zumindest der Plan.

Dazu kommt, dass die Spiele, bisher ausgetragen in London, Orlando, Toronto, Sydney und Den Haag, nach innen den Zusammenhalt und die Kameradschaft unter den Teilnehmern fördern. Und nach außen dabei helfen können, ein besseres Verständnis zwischen den Soldaten und der Gesellschaft zu schaffen, die sie in ihre Einsätze geschickt hat.

In Deutschland mag das schwieriger sein, weil es, auch historisch bedingt, leider ein anderes Verständnis von Veteranen gibt, als etwa in den USA, Großbritannien und den Niederlanden, aber die Games sind ein erster Schritt – auf den weitere folgen müssen. So setzt sich etwa der DBwV für einen Veteranentag ein, wie es ihn in anderen Ländern schon lange gibt.

Schließlich ist die auch in der Zivilgesellschaft verbreitete Idee, über den Sport Geist und Körper zu kontrollieren, im Grunde eine sehr soldatische: Ziel setzen, negative Gedanken ausschalten, fokussieren, Körper beherrschen, Ziel umsetzen. Die Invictus Games, die heute starten, sind daher viel mehr Teil der Gesellschaft, als die Gesellschaft denkt – sie muss es nur noch mitbekommen. Die Sportler selbst haben das bereits. Und so ist es auch kein Wunder, das die Spiele immer größer werden. Mittlerweile nehmen 21 Nationen an den Spielen teil.

„Our bodies have all kinds of limitations“, sagt etwa die Ukrainerin Yuliia Paievska, die 2022 in Den Haag teilnahm, „but not the Spirit, that is unbreakable”.

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