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Der Kniefall von Bundeskanzler Willy Brandt bei der Kranzniederlegung am Ghetto-Ehrenmal in Warschau am 7. Dezember 1970. Foto: picture alliance/Sven Simon
Es ist eines dieser ikonischen Bilder, die heute in fast jedem deutschen Schulbuch zu sehen sind: Der Kniefall von Willy Brandt am 7. Dezember 1970 in Warschau. Die Geste des damaligen Bundeskanzlers hat auch heute, 55 Jahre später, nichts von ihrer Symbolkraft eingebüßt.
Im Dezember 1970 waren die Schrecken der jüngeren Vergangenheit noch sehr präsent – waren doch gerade mal 25 Jahre seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs vergangen. Seinen Anfang hatte dieser Krieg am 1. September 1939 mit dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Polen genommen. Erst Anfang 1945 vertrieb die sowjetische Armee die letzten deutschen Soldaten, sodass die Zeit des Nazi-Terrors in Polen länger andauerte als jedem anderen von Deutschland besetzten Staat. Besonders früh und brutal wüteten in Polen die deutschen „Einsatzgruppen“, die zunächst gegen die polnische Intelligenz, dann mit erbarmungsloser Gründlichkeit gegen die jüdische Bevölkerung vorgingen.
Als Willy Brandt 1969 zum ersten sozial-demokratischen Bundekanzler gewählt wird und eine neue Ostpolitik, eine Politik der Annäherung an den kommunistischen Warschauer Pakt, anstrebt, sind die Wunden der Vergangenheit in Europa noch nicht verheilt, zu präsent sind die Erinnerungen der Überlebenden. Am 7. Dezember 1970 ist Brandt in Warschau, um dort einen Vertrag zur Regelung und Normalisierung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Polen zu unterzeichnen. Teil des Besuchsprogramms ist eine Kranzniederlegung am Ehrenmal für die Helden des Warschauer Ghettos. Die dort gefangenen Juden hatten sich im April 1943 gegen die deutschen Besatzer und die drohende Deportation erhoben. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen, das Warschauer Ghetto in der Folge komplett zerstört.
Eine Geste, die nicht im Protokoll steht
Als Brandt vor dem Ehrenmal steht, bewegt er sich zunächst auf den niedergelegten Kranz zu, richtet die Schleifen, tritt dann zurück – wie es bei einem solchen Zeremoniell üblich ist. Was dann folgt, ist nicht Teil des Protokolls: Willy Brandt sinkt auf die Knie, verharrt einen langen Moment in Schweigen, erhebt sich dann wieder.
Es ist nur eine kurze Geste, die jedoch viel Aufmerksamkeit erregt. Die deutsche Presse nimmt das Ereignis überwiegend positiv auf. So schreibt Hermann Schreiber im Spiegel: „Dann kniet er, der das nicht nötig hat, da für alle, die es nötig haben, aber nicht da knien – weil sie es nicht wagen oder nicht können oder nicht wagen können. Dann bekennt er sich zu einer Schuld, an der er selber nicht zu tragen hat, und bittet um eine Vergebung, derer er selber nicht bedarf. Dann kniet er da für Deutschland.“ Es gibt jedoch auch andere Reaktionen: So ist in der Welt von einem „Akt freiwilliger Selbsterniedrigung“ und einem „Kotau vor dem Kommunismus“ zu lesen.
„Wenn die Sprache versagt“
Brandt sagte später, dass die Aktion nicht geplant gewesen sei. Vor dem Besuch des Ehrenmals habe er seine Unterkunft in dem Gefühl verlassen, „die Besonderheit des Gedenkens am Ghetto-Monument zum Ausdruck bringen zu müssen. Am Abgrund der deutschen Geschichte und unter der Last der Millionen Ermordeten tat ich, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt“.
55 Jahre später ist das deutsch-polnische Verhältnis immer noch kein einfaches, doch ohne die unkonventionelle und mutige Geste des Bundeskanzlers Willy Brandt wäre es vielleicht noch deutlich komplizierter. In Polen jedenfalls wird die Geste später gewürdigt: Das Land hat im Jahr 2000 in der Nähe des Ehrenmals eine Gedenktafel zur Erinnerung an den Kniefall errichtet – das Areal wurde später in Willy-Brandt-Platz umbenannt.
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