Die Wissenschaftlerin Charlotte Kröger von der Netherlands Defence Academy referierte am zweiten Tag der 126. Generalversammlung von EUROMIL in Berlin über Aufnahmerituale. Foto: Sarina Flachsmeier

21.10.2022
Von Frank Schauka

„Der Klimawandel kann dazu führen, dass die Anzahl der Konflikte um 50 Prozent zunimmt.“

Klimawandel und Sicherheit, das war einer der Diskussionsschwerpunkte am zweiten Tag der 126. Generalversammlung von EUROMIL in Berlin. „Der Klimawandel ist der stärkste Auslöser für gesellschaftliche Umbrüche, die zu erheblichen Störungen der Macht- und Weltordnung führen werden“, warnte Dr. Veronika Bock, Direktorin des Zentrums für ethische Bildung in den Streitkräften (zebis) in Hamburg. Immerhin werde der Klimawandel inzwischen als Problem der Sicherheits- und Verteidigungspolitik wahrgenommen.

Klimawandel sei zunächst einmal ein Konfliktverstärker, führte Dr. Veronika Bock vor etwa 80 Delegierten der europäischen Dachorganisation der europäischen Militärverbände EUROMIL aus, die in diesem Jahr ein Jubiläum begeht, den 50. Geburtstag. Millionen von Menschen, vor allem in Regionen, die Extremwetterereignissen und Naturkatastrophen relativ schutzlos ausgeliefert seien, würden vom Klimawandel bedroht – mit verheerenden Folgen: Kampf um Ressourcen, Massenmigration und die Schwächung ganzer Staatsgebilde.

Besonders groß sei die Gefahr auf dem afrikanischen Kontinent. Der Klimawandel führe dort in weiten Gebieten auch dazu, dass der jüngeren Generation die Zukunftsperspektive geraubt werde – woraus ein weiteres Sicherheitsrisiko erwachse: Gerade bei jüngeren Menschen könnte die Hoffnungslosigkeit die Bereitschaft steigern, sich internationalen Terrorgruppen anzuschließen und Terrorakte zu begehen.

Um die Dimension des durch den Klimawandel verschärften Problems darzustellen, wies Dr. Veronika Bock auf eine Untersuchung hin, wonach im Jahr 2008 etwa 265 Millionen Menschen durch Naturkatastrophen gezwungen worden seien, ihre zerstörte Heimat zu verlassen. Und 2019 seien 25 Millionen Menschen durch Naturkatastrophen entwurzelt worden. In Zukunft sei sogar mit noch zerstörerischen Folgen des Klimawandels zu rechnen.

„Der Klimawandel kann dazu führen, dass die Anzahl der Konflikte um 50 Prozent zunimmt“, sagt zebis-Direktorin Bock. Mit mehreren Hundertmillionen Toten zusätzlich sei deshalb zu rechnen.

Daneben, so Dr. Veronika Bock, gebe es gravierende unmittelbare Auswirkungen des Klimawandels. Der Anstieg des Meeresspiegels bedrohe Marinebasen und andere militärische Infrastruktur weltweit. Aus immensen Schäden würden gewaltige Kosten erwachsen.

Neben dem Klimawandel stellen demographische Veränderungen in westlichen Gesellschaften eine Bedrohung der Verteidigungsfähigkeit dar, wie LtCol Diana Morais vortrug, Leiterin des Gleichstellungsbüros des portugiesischen Verteidigungsministeriums. „Wir brauchen mehr Personal. Allein deshalb können wir nicht auf 50 Prozent der Bevölkerung verzichten“, sagte Diana Morais mit Blick auf den Frauenanteil in der Bevölkerung. „Wir müssen mehr Frauen rekrutieren. Das Problem ist nur: Frauen fühlen sich in der Regel von Militär nicht so angezogen wie Männer.“

Sinnvoll und hilfreich könne es sein, so LtCol Diana Morais, wenn man darauf hinweise, dass Frauen in militärischen Konflikten nicht zwangsläufig Opfer seien, sondern auch Akteure in Kampfhandlungen seien könnten. Im Ukrainekrieg betrage der Anteil der an der Front kämpfenden Frauen in der ukrainischen Armee immerhin 16 Prozent. „Was kann EUROMIL besser machen, damit die Fähigkeiten von Frauen besser genutzt werden?“, stellte Diana Morais als Frage in den Raum – und gab selbst folgende Antwort: beim Kampf um die Rechte von Soldatinnen und Soldaten stets daran denken, dass Soldatinnen und Soldaten unterschiedliche Bedürfnisse, Probleme und Erwartungen haben, die es zu beachten gelte!

Vorschläge zur Attraktivitätssteigerung der Streitkräfte trug die Wissenschaftlerin Charlotte Kröger von der Netherlands Defence Academy in ihrem Vortrag über schikanierende Aufnahmerituale in den Streitkräften vor. Charlotte Kröger verdeutlichte das Problem nicht nur mit zahlreichen, zum Teil brutalen Beispielen, sondern zeigte auch Lösungswege auf.

Wie man Schikanen verhindern kann? Charlotte Kröger unterbreitete folgende Vorschläge: durch Aufklärung über Schikanieren, durch Suche nach Alternativen zum Schikanieren, durch Zeremonien, Sportveranstaltungen und andere Aktivitäten, die die Zugehörigkeit fördern, auch durch klare und konkrete Normen für den Begriff des Schikanierens. „Verbotsprotokolle, Regeln, Strategien und Strafen sind wichtig, reichen aber möglicherweise nicht aus, um Schikanen zu verhindern“, sagte Charlotte Kröger. Stattdessen schlägt sie Maßnahmen vor, „die sich auf die Militärkultur, die Förderung des Dialogs und das Lernen aus der Vergangenheit konzentrieren“. Über diese Punkte haben wir mit Charlotte Kröger auch in unserem Podcast gesprochen.

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