15.10.2018
Carsten Hoffmann, dpa

Panzerballett in der Heide: Bundeswehr führt Hightech-Armee vor

Der Feind steht unverkennbar im Osten: Die diesjährige Leistungsschau der Bundeswehr zeigt Szenarien, wie sie von den Nato-Partnern im Baltikum befürchtet werden. Das Heer zieht alle Register vom hochintensiven Gefecht bis hin zur Störung gegnerischer IT-Systeme.

Bergen/Munster - Die Bundeswehr stellt die Weichen zurück zu ihrer Kernaufgabe: Das Heer hat dem Offiziersnachwuchs und künftigen Generalstabsoffizieren am Freitag (12. Oktober 2018) Szenarien der Landes- und Bündnisverteidigung präsentiert. «Wir müssen in der Lage sein, unsere ostwärtigen Nato-Mitglieder, also alle die neu hinzugekommen sind, schützen zu können», sagte der Inspekteur des Heeres, Jörg Vollmer, bei der jährlichen Informationslehrübung Landoperationen auf dem Truppenübungsplatz Bergen/Munster in Niedersachsen.

Hintergrund ist das Jahr 2014, als Russland die Souveränität der Ukraine verletzte und die Krim annektierte. Beides hat innerhalb der Nato zu einer Neubewertung der Bedrohungslage geführt, die sich auf dem Truppenübungplatz widerspiegelt. Dort sind in der insgesamt drei Wochen dauernden Übung rund 2000 Soldaten sowie mehr als 100 Ketten- und 450 Radfahrzeuge im Einsatz.

Zunächst drängen Feldjäger einen Protest eines aufgewiegelten Mobs zurück, der ein Dienstfahrzeug blockiert und angreift. Gegen die aggressive Gruppe werden alle Eskalationsstufen vom Schlagstock über Diensthund und Wasserwerfer bis zum Schuss aus der Waffe vorgeführt. Dann präsentiert die Bundeswehr modernes Großgerät wie den Kampfpanzer Leopard 2A7 oder den Kampfhubschrauber «Tiger» im Manövereinsatz.

Es folgt der Auftritt der «Infanteristen der Zukunft», die mit neuen Zieloptiken und Datenverbindung an andere Einheiten angebunden sind. «Die Anforderungen an die Soldatinnen und Soldaten im 21. Jahrhundert werden immer höher», sagt Presseoffizier Martin Waltemathe.

Erstmals präsentiert die Bundeswehr in diesem Rahmen die im Aufbau befindlichen Cyberfähigkeiten, die auch in das Lagebild des Manövers eingebunden sind. Die Bezugnahme auf die Situation im Baltikum ist nicht zu verkennen. Das Land «Wislanien» bedroht den Nachbarn «Altraverdo», wo sich eine «wislanische Minderheit» vor den Karren des Mutterlandes spannen lässt. Sogar eine wislanientreue Rockergang wird erwähnt.

Es kommt zu einem internationalen Einsatz zum Schutz des schwächeren Verbündeten. Zur Erstellung des Lagebildes werten deutsche Cyber-Soldaten Informationen aus dem Internet, dem Telefonverkehr, Satellitendaten und sozialen Medien aus - bis hin zum Ablauf einer Störung feindlicher IT-Anlagen, einer «Degradierung der Systeme».

Letztlich kommt es zum offenen Schlagabtausch: Abschluss der Demonstration ist eine «Operation verbundener Kräfte». Der Einsatz eines mit Kampfpanzern verstärkten Panzergrenadierbataillons im intensiven Gefecht mit Artillerie- und Luftunterstützung wird auf dem Besuchertag auch von einem Fachpublikum aus anderen Nato-Staaten verfolgt.

Der Inspekteur des Heeres sieht in der Lehrübung eine Demonstration der Leistungsfähigkeit der Truppe. «Das, was wir hier heute sehen, ist ja keine Fake-Show. Das ist real da», sagt er. «Aber was uns fehlt, ist die vollständige Ausstattung unserer Verbände.»

Der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Peter Tauber, weist während der Übung auf die veränderte Realität hin: «Der nächste Konflikt beginnt nicht zwingend mit einer abgeschossenen Granate, sondern im Cyber-Raum unter Umständen. Und darauf müssen wir uns einstellen.»

Die ebenfalls anwesende FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagt, die Übung habe gezeigt, was die Bundeswehr leisten könne. Für die Modernisierung werde der Verteidigungshaushalt um fast fünf Milliarden erhöht. Sie will die Ausgaben aber in einem Gesamtpaket sehen und nicht nur über das Nato-Ziel von Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts diskutieren. «Diplomatie, Verteidigung und Entwicklungshilfe: Diese drei Dinge zusammen müssen letztendlich drei Prozent des BIP ausmachen», sagt sie.