Mit der militärischen Evakuierungsoperation Ende August 2021 konnte ein Teil der Ortskräfte aus Afghanistan ausgeflogen werden. Viele konnten das Land jedoch noch nicht verlassen, sie sind nach wie vor gefährdet. Foto: Bundeswehr/Tessensohn

02.09.2022
Von Klaus-Hermann Scharf

Deutschland muss seine Ortskräfte unterstützen

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

in den beiden Afghanistan-Missionen der Bundeswehr waren bis zum überstürzten Abzug vor einem Jahr tausende Ortskräfte eingesetzt. Sie arbeiteten sowohl für zivile deutsche Einrichtungen als auch für die Bundeswehr. Somit zählen sie im weiteren Sinne zum Zivilpersonal. Seit der Machtübernahme der Taliban unterliegen die Ortskräfte einer erheblichen Bedrohung. Als „Verräter“ droht ihnen sogar der Tod! Und nicht nur den Ortskräften, sondern auch ihren Familien, denn das Talibanregime geht nach dem Prinzip der Sippenhaftung vor. Dementsprechend haben die Ortskräfte für sich und ihre Familien Anträge auf eine Aufnahme in Deutschland gestellt.

Etwa drei Viertel der antragstellenden Ortskräfte konnten zum Teil mit ihren Familien unter sehr erschwerten Bedingungen nach Deutschland reisen. Neben den Problemen der Visaausstellung und der nach wie vor fehlenden einheitlichen Koordination der Evakuierung von afghanischen Ortskräften gibt es weiterhin rechtliche Hürden. Sie betreffen insbesondere den Familiennachzug. Gemäß des Aufenthaltsgesetzes dürfen nur Ehepartner, Eltern sowie nicht volljährige Kinder und Geschwister nachgeholt werden.Nicht minder gefährdet sind jedoch auch volljährige Kinder und Geschwister. Natürlich kann es keinen grenzenlosen Familiennachzug geben, hier muss neben dem Familiengrad und dem Alter jedoch auch die individuelle Gefährdung berücksichtigt werden. Es bedarf einer wesentlich größeren Flexibilisierung des Ermessens bei der Auslegung von Vorschriften. Immerhin ist dies inzwischen politisch gewollt, jedoch scheitert die Umsetzung an der Bürokratie sowohl in den betreffenden Ministerien als auch den zuständigen Behörden.

Es ist und bleibt die Pflicht Deutschlands, für sie tätig gewesene und dadurch gefährdete Ortskräfte und ihre Familien zu unterstützen. Wir sind bei unseren zivilen und militärischen Engagements im Ausland auf Ortskräfte angewiesen. Dabei schauen ganz besonders diejenigen Ortskräfte, die für uns in instabilen Ländern tätig sind, wie wir mit ihnen nach einem – möglicherweise unfreiwilligen – Ende unseres Engagements umgehen. Mali könnte bereits in Kürze die nächste Bewährungsprobe sein. Es zeigt aber auch grundsätzlich die dringende Notwendigkeit, die Unterstützung von Ortskräften einschließlich ihrer Familien in einer Exitstrategie bei unplanmäßigen Beendigungen von Einsätzen zu berücksichtigen.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Vorsitzender Fachbereich Zivile Beschäftigte
Klaus-Hermann Scharf

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