Deutsche Kriegsgräber auf dem Soldatenfriedhof Cernay im Elsass. In ganz Europa wird in diesen Tagen an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erinnert. Foto: dpa

Deutsche Kriegsgräber auf dem Soldatenfriedhof Cernay im Elsass. In ganz Europa wird in diesen Tagen an das Ende des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erinnert. Foto: dpa

09.11.2018
yb/mit Material von dpa

Europa gedenkt des Kriegsendes vor 100 Jahren

Berlin. Am 11. November 1918 schwiegen an den Fronten die Waffen: Um 12 Uhr mittags endete mit dem Waffenstillstand der Erste Weltkrieg und damit das größte Massensterben, das die Menschheit bis dahin gekannt hatte. Der Krieg, der am 28. Juli 1914 ausgebrochen war, hatte mehr als 17 Millionen Menschen das Leben gekostet.
 
In ganz Europa wird in diesen Tagen an das Kriegsende erinnert – wenn auch in Deutschland der Schwerpunkt eher auf dem 9. November 1918 liegt: An diesem Tag rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann von einem Balkon des Reichstagsgebäudes die Deutsche Republik aus. Damit war das Erste Deutsche Reich Geschichte. Reichskanzler Max von Baden gab die Abdankung des deutschen Kaisers und den Thronverzicht des Kronprinzen bekannt. Wilhelm II. ging am 10. November ins niederländische Exil.

Diesem Umbruch war die Novemberrevolution vorausgegangen. Ende Oktober 1918 hatte die Marineführung den sogenannten Flottenbefehl erlassen. Die Schiffe der hochgerüsteten deutschen Marine, die den Großteil des Krieges in den Häfen verbracht hatten und kaum zum Einsatz gekommen waren, sollten ein letztes Mal auslaufen und sich in einem hoffnungslos anmutendem Unterfangen der Britischen Flotte stellen. Kurz darauf kam es zu ersten Befehlsverweigerungen auf größeren deutschen Schiffen. Immer mehr Matrosen wollten diesen sinnlosen Opfergang nicht mittragen. Es war die Geburtsstunde des Matrosenaufstands, der sich von Kiel aus ausbreitete und immer mehr Städte erfasste. Überall im Land bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte, in Berlin wurde der Generalstreik ausgerufen, Tausende zogen mit roten Fahnen durch die Straßen.

100 Jahre später wurde in Berlin  der Aufstand von 1918 mit einer Gedenkstunde im Bundestag gewürdigt, die auch der stellvertretende DBwV-Vorsitzende Hauptmann Andreas Steinmetz im Plenarsaal mitverfolgte. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warb dafür, der Novemberrevolution endlich den Platz zu geben, der dem Ereignis gebührt. Der 9. November 1918, als Philipp Scheidemann vom Berliner Reichstagsgebäude aus die Republik ausrief, sei ein historischer „Meilenstein“, aber leider immer noch „ein Stiefkind unserer Demokratiegeschichte.“ Schon im Vorfeld hatte Steinmeier zur positiven Erinnerung an den Aufstand aufgerufen: „Es war die Geburtsstunde der parlamentarischen Demokratie in Deutschland.“ Demokratie sei keine Selbstverständlichkeit, sondern sei erkämpft worden, betonte Steinmeier. Viele Männer und Frauen hätten dafür ihr Leben gelassen. „Und wir erinnern uns auch, in welche Abgründe es führt, wenn die Gegner der Demokratie die Mehrheit erringen“, warnte der Bundespräsident.

Eine weitere Gedenkveranstaltung fand an eben jener Stelle, an der Scheidemann 100 Jahre zuvor die Republik ausgerufen hatte, auf einem Balkon auf der Westseite des Reichstagsgebäudes statt. Neben zahlreichen Parlamentariern war auch hier der DBwV mit Hauptmann Steinmetz und dem Vorsitzenden Marine, Fregattenkapitän Marco Thiele, vertreten. Flottillenadmiral Christian Bock, Kommandeur Einsatzflottille 1, beschrieb in einem Grußwort, wie schwer sich die Marine über viele Jahre hinweg mit der Deutung des Matrosenaufstands getan hat. „Ganze Generationen von Marinesoldaten – im Kern die Offiziere –, stellvertretend aber auch die Marinehistoriker, haben noch bis Anfang der achtziger Jahre gestritten, wie die Rolle der Marine, des Marineoffizierkorps oder der Matrosen zu interpretieren ist“, sagte Bock.

Insgesamt seien die Ereignisse von 1918 als solche für die Marine nicht vorbildlich oder traditionsstiftend, dafür seien die Ereignisse aber zum historischen Lehrbeispiel geworden. Flottillenadmiral Bock wörtlich: „Sie wurden zu einem Beispiel der Väter der Inneren Führung, um genau solche Situationen nicht zu wiederholen; zum Beispiel für die soldatenrechtliche Verankerung von Zivilcourage von Soldaten, ungesetzliche Befehle nicht zu befolgen; zum Beispiel dafür, dass jeder Soldat als ‚Bürger in Uniform‘ gleichzeitig immer auch politischer Mensch, Teil der Gesellschaft mit eigener Meinung und oftmals sogar ehrenamtlich politisch Aktiver ist.“

Auch bei unseren europäischen Nachbarn wird in diesen Tagen die Erinnerung an jene Tage im November vor 100 Jahren aufrecht erhalten, allerdings steht dort eher das Kriegsende am 11. November 1918 im Vordergrund. Vor allem in Belgien und Frankreich hat sich der  Erste Weltkrieg noch viel stärker ins kollektive Gedächtnis eingebrannt als in Deutschland. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass ein Großteil des Konflikts zwischen der Entente und den Mittelmächten auf dem Staatsgebiet Frankreichs und Belgiens ausgetragen wurde, an den Fronten zwischen Flandern und Verdun. Ganze Landstriche wurden durch den jahrelangen Grabenkrieg komplett verwüstet. Dadurch ist der Krieg auch heute noch im Alltag präsent: Immer wieder finden Landwirte in Nordfrankreich auf ihren Äckern und Feldern Munitionsreste aus der „Grande Guerre“, dem „Großen Krieg“, wie er in Frankreich noch oft genannt wird.

Und auch das menschliche Leid des Kriegs ist spürbar: Jahr für Jahr werden menschliche Überreste von Gefallenen geborgen. Noch vor wenigen Tagen berichteten französische Medien von der Beisetzung zweier australischer Soldaten, die in der Nähe von Arras in Nordfrankreich gefunden worden waren. Sie waren 1917 in ihrem Unterstand verschüttet worden – nur ein Beispiel für das unvorstellbare Grauen dieses Kriegs.

100 Jahre nach der Kapitulation des Deutschen Reiches haben sich Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron am Samstag (10. November) in Compiègne getroffen, dem Ort rund 80 Kilometer nördlich von Paris, an dem der Waffenstillstand besiegelt wurde. Das deutsch-französische Gedenken im Wald bei Compiègne wurde im Élysée lange vorbereitet, so richtig einfach war es nicht. In der abgelegenen Gedenkstätte gibt es eine riesige Platte mit der Inschrift: „Hier unterlag am 11. November 1918 der verbrecherische Hochmut des Deutschen Reiches, besiegt von den freien Völkern, die zu unterjochen es beansprucht hatte.“

Merkel und Macron wollen nun eine neue Tafel hinzufügen. „Es wird eine neue Botschaft geben, die positiver ist“, kündigte ein Macron-Berater an. Er räumte zugleich ein, dass die historische Inschrift aus der Epoche nach dem Ersten Weltkrieg deutschfeindlich sei.

Das Treffen der Kanzlerin mit dem französischen Präsidenten ist nur eine von zahlreichen Gedenkfeiern an diesem Wochenende. In Paris werden rund 60 Staats- und Regierungschefs erwartet - unter ihnen die Präsidenten Russlands und der USA, Wladimir Putin und Donald Trump. Auch ein „Friedensforum“ über die chaotisch anmutende Welt von heute ist geplant, die Bundeskanzlerin soll dort die Eröffnungsrede halten. Nach Plänen des Élyséepalasts soll diese Veranstaltung im Jahrestakt fortgeführt werden, als eine Art „Davos an der Seine“.

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