Theodor Blank, Chef des Amtes Blank und dann Verteidigungsminister, überreicht den ersten Offizieren der neugegründeten Bundeswehr ihre Ernennungsurkunden. Foto: UPI/Süddeutsche Zeitung

Theodor Blank, Chef des Amtes Blank und dann Verteidigungsminister, überreicht den ersten Offizieren der neugegründeten Bundeswehr ihre Ernennungsurkunden. Foto: UPI/Süddeutsche Zeitung

11.11.2015

Geburtstag mit kleinen Pannen

Konrad Adenauer ist im Nachhinein enttäuscht: Nicht alle Angetretenen haben schon die neue Uniform und ihm fehlt die Nationalhymne. So hatte sich der Bundeskanzler die Vereidigung der ersten 101 Freiwilligen der neuen Armee der Bundesrepublik Deutschland nicht vorgestellt. Der Festakt findet am 12. November 1955 in der Ermekeil-Kaserne in Bonn in einer Fahrzeughalle statt. Die Wände sind mit Stoffbahnen bedeckt, neben der Nationalflagge hängt über dem Rednerpult ein großes Eisernes Kreuz.

In diesem schlichten Ambiente überreicht Verteidigungsminister Theodor Blank den Soldaten ihre Ernennungsurkunden. Angetreten sind 95 Offiziere und sechs Unteroffiziere. Die höchsten Dienstgrade sind die beiden Generalleutnante Hans Speidel und Adolf Heusinger. In seiner Rede gibt Blank das Motto aus, „aus den Trümmern des Alten wirklich etwas Neues wachsen zu lassen, das unserer veränderten sozialen, politischen und geistigen Situation gerecht wird.“

In der Tradition preußischer Reformer

Der 12. November ist für den Festakt ganz bewusst als Datum gewählt worden: Es ist der 200. Geburtstag des preußischen Heeresreformers General Gerhard von Scharnhorst. Damit wollen die neuen westdeutschen Streitkräfte eine ihrer wichtigsten Traditionslinien unterstreichen.

Der offizielle Aufbau der Truppe hatte nach dem Beitritt der Bundesrepublik zur Nato am 9. Mai 1955 begonnen. Am 7. Juni 1955 entsteht das Bundesministerium für (später: der) Verteidigung (BMVg) aus der „Dienststelle Blank“. Diese war bereits seit 1950 mit Verteidigungsfragen befasst. Ihr Leiter Blank wird zugleich der erste Bundesminister der Verteidigung. Zuvor hieß er noch „Bevollmächtigter des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen“.

Theodor Blank gibt Ende Juni im Deutschen Bundestag eine Erklärung ab. „Wir wollen Streitkräfte in der Demokratie, die sich dem Vorrang der Politik fügen. Sie sollen die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit achten, die staatsbürgerlichen Grundrechte und Grundpflichten ernst nehmen und die Würde des Menschen anerkennen. Sie sollen bereit sein zur Verteidigung gegen jeden, der den Frieden bricht.“

Mit der Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in das Nato-Bündnis war zugleich eine heftige innenpolitische Auseinandersetzung über die Wiederbewaffnung, die sich über fünf Jahre hingezogen hatte, zu einem vorläufigen Ab­schluss gekommen. Die Politik des Regierungslagers unter Bundeskanzler Konrad Adenauer, bestehend aus CDU/CSU, FDP, DP und BHE (ab 1953), hatte sich durchgesetzt. Unter den vier Hauptzielen damaliger deutscher Politik – Souveränität, Sicherheit, Wiedervereinigung, Wiederaufbau – hatte Adenauer eine klare Prioritätsentscheidung zugunsten der beiden ersten Ziele getroffen.

Keine homogenen Lager

Für die SPD, stärkste Oppositionspartei im Deutschen Bundestag, waren die deutsche Einheit und der wirtschaftliche und soziale Wiederaufbau die politischen Primärziele. Doch bildeten weder die Gegner noch die Befürworter der Wiederbewaffnung ein geschlossenes, homogenes Lager. Kein anderes Problem hat die Deutschen in der Bundesrepublik mehr bewegt als die Frage, ob es so kurz nach der Katastrophe von 1945 wieder deutsche Soldaten geben sollte.

Ab Mitte der 50er Jahre wurde allmählich spürbar, was man später das „Wirtschaftswunder“ nannte. Die Verbesserung der allgemeinen Lebensverhältnisse mündete in eine wachsende Zustimmung zur Politik Adenauers. Die Entscheidung für die Wiederbewaffnung wurde von dieser grundsätzlichen Zustimmung mitgetragen und als unvermeidlich akzeptiert („notwendiges Übel“). Das fiel umso leichter, als der Antikommunismus weit verbreitet war und die wachsende Aufrüstung in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) die von der Berlin-Blockade 1948 und dem Korea-Krieg 1950 verursachten Bedrohungsgefühle weiter nährte.

Noch im Sommer 1955 schafft der Bundestag die rechtlichen Grundlagen für den Aufbau der Streitkräfte. Er verabschiedet zunächst Wehrgesetze ein Gesetz über die vorläufige Rechtsstellung der künftigen Freiwilligen sowie ein Gesetz über den Personalgutachterausschuss. Dieser entscheidet über die Einstellung ehemaliger Wehrmachtsoffiziere. Bis August liegen im Ministerium schon insgesamt 150.000 Bewerbungen vor.

 

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60 Jahre: Die Bundeswehr in Zahlen

 

Berlin (dpa) - Mit der Wiedervereinigung 1990 war die Bundeswehr am größten. Heute ist sie so klein wie seit den Anfangsjahren nicht mehr. Bei Flugzeugabstürzen im Inland verlor sie doppelt so viele Soldaten wie im Afghanistan-Einsatz. Hier einige interessante Zahlen aus 60 Jahren Bundeswehr.

 

Die 101 ersten Soldaten der Bundeswehr erhielten am 12.11.1955 in Bonn ihre Ernennungsurkunde. Im Kalten Krieg gehörten der Bundeswehr bis zu 493.000 Soldaten an.


Kurz nach der Wiedervereinigung waren es sogar deutlich mehr als eine halbe Million Soldaten. Danach schrumpfte die Truppe kontinuierlich. Heute gehören ihr 176.590 Soldaten an, darunter 7.750 Wehrdienstleistende (Stand 13.10.)

10,8 Prozent der Soldaten sind Frauen. Erklärtes Ziel der Bundeswehr sind 15 Prozent.


Die Bundeswehr nahm am 3. Oktober 1990 88.797 Soldaten der Nationalen Volksarmee der DDR auf. Davon blieben bis 1998 nur rund 9.300 in der Truppe, heute sind es 2213 (Stand 29.10.).

385.000 Soldaten wurden seit Anfang der 90er Jahre in Auslandseinsätze geschickt - viele Soldaten waren mehrmals im Ausland. Derzeit nehmen 2.960 Soldaten an 16 Missionen teil (Stand 26.10.)


106 Soldaten kamen im Auslandseinsatz ums Leben, 37 davon starben in Gefechten oder durch Anschläge - allein 35 in Afghanistan.

Zwischen 1960 und 1987 stürzten 292 Bundeswehr-Kampfjets vom Typ «Starfighter» ab. 116 Piloten kamen dabei ums Leben - mehr als in allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr zusammen.


An 328 Standorten in Deutschland sind Soldaten stationiert.

33 Milliarden Euro sind in diesem Jahr im Bundeshaushalt für die Bundeswehr veranschlagt. Die Verteidigungsausgaben machen 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Nato-Ziel sind zwei Prozent.


Die Bundeswehr hat 635 Kampfpanzer («Leopard 2» und «Marder»), 207 Kampfjets («Eurofighter» und «Tornados») und 20 Kriegsschiffe (Fregatten und Korvetten).

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Am 4. Oktober unterzeichnet der Minister den Aufstellungsbefehl Nr. 1, den Befehl zur Aufstellung der drei Teilstreitkräfte. Nach dem Festakt in der Ermelkeil-Kaserne werden die Freiwilligen im wöchentlichen Rhythmus – immer samstags – zu Soldaten der Bundeswehr ernannt. Die ersten kommen überwiegend aus dem Bundesgrenzschutz. 1956 wechseln fast 10.000 seiner rund 17.000 Beamten zu den Streitkräften. Die ersten Standorte sind Andernach (Heer), Nörvenich (Luftwaffe) und Wilhelmshaven (Marine).

Die Armee ohne Namen

Ein Truppenbesuch von Bundeskanzler Adenauer in Andernach am 20. Januar 1956 offenbart allerdings ein Problem: Der Kanzler beginnt seine Rede mit „Soldaten der neuen Streitkräfte“, denn offiziell hat die neue westdeutsche Truppe gar keinen Namen. Der Name Bundeswehr wird erst am 20. März 1956 durch den Bundestag festgelegt.

Wenige Wochen später verabschiedet das Parlament das Wehrpflichtgesetz. Am 1. April 1957 werden erstmals knapp 10.000 Wehrpflichtige des Geburtsjahrgangs 1937 zu den Einheiten des Heeres einberufen. Der Start der Wehrpflicht ist ein Erfolg. Voraussagen, dass ein beachtlicher Teil den Wehrdienst verweigern wird, bestätigen sich nicht. 62.198 junge Männer des Jahrgangs 1937 leisten Grundwehrdienst in der Bundeswehr. Kriegsdienstverweigerer können dagegen erstmals im Jahre 1961 zur zivilen Ersatzdienstleistung herangezogen werden, weil das Ersatzdienstgesetz erst Anfang 1960 in Kraft tritt.

Mit Material von bundes­wehr.de, Albrecht Müller, und der BpB, Bernhard Fleckenstein

 

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