Holzkreuz im Eingangsbereich des Feldlagers Camp Castor in Gao, Mali. Foto: Bundeswehr/Thiel

Holzkreuz im Eingangsbereich des Feldlagers Camp Castor in Gao, Mali. Foto: Bundeswehr/Thiel

12.09.2019
ch

Militärseelsorge: Absolutes Vertrauen

Am Ende seines vierten Monats im Auslandseinsatz erhielt Hauptmann Schmidt (Name geändert) einen Brief seiner Ehefrau, in dem sie die Scheidung verlangte. Für den Soldaten kam das völlig unerwartet, er musste mit jemandem darüber reden. Für ihn war klar, dass er sich damit nur an den Militärpfarrer wenden wollte.

Die Bundeswehr: Was ist während Ihres Afghanistan-Einsatzes passiert?
Hauptmann Schmidt: Das war Anfang des Jahres in meinem viermonatigen Einsatz, der eigentlich fünf Monate dauern sollte. Ich hatte zwei Monate vor dem Einsatz noch kirchlich geheiratet und wir waren schon dabei, die weitere Lebensplanung gemeinsam abzustecken. Dann erhielt ich von meiner Frau einen Brief, in dem sie mir aus heiterem Himmel mitteilte, dass sie mich nicht mehr liebt und dass sie die Scheidung möchte.

Das hat Sie aus der Bahn geworfen ...
Das hat mich richtig aus der Bahn geworfen. Ich habe den Brief erst zwei-, dreimal lesen müssen, bevor ich ihn verstanden habe. Ich habe versucht, sie anzurufen, aber sie ist zuerst nicht rangegangen und hat mir dann geschrieben, dass sie keine Zeit für mich hat.
Das erste, was ich dann gemacht habe, war, in die Seelsorgestelle zum Militärpfarrer zu gehen. Denn ich brauchte dringend jemandem, mit dem ich darüber reden konnte. Der Pfarrer hat mir gleich angesehen, dass es mir überhaupt nicht gut geht. Er hat seinen Besuch aus dem Büro hinausgebeten und mich erst einmal reden lassen. Bestimmt den halben Nachmittag ist er mit mir durchs Camp gelaufen und hat mir Fragen zu meiner Ehe gestellt, hat ein bisschen nachgebohrt und auch ein paar unangenehme Fragen gestellt. Er hat im Endeffekt dafür gesorgt, dass ich das Ganze ordnen konnte. Er hat auch sofort seine Hilfe angeboten, was die Rückverlegung nach Deutschland anbelangt, doch ich hatte das Glück, dass mein Kommandeur sehr verständnisvoll war und ich mit dem nächsten militärischen Flug, der rausging, nach Hause fliegen konnte. Aber es war auf jeden Fall gut, dass ich wusste, dass sich der Pfarrer für mich einsetzt, wenn ich nicht weiterkomme.

Welchen Stellenwert hat der Glaube in Ihrem Leben?
Ich gehe in die Militärgottesdienste, soweit mir das möglich ist. Da spielt es auch keine Rolle, ob sie von einem evangelischen oder katholischen Pfarrer geleitet werden. Ich hatte jetzt in meinem Einsatz das Glück, dass ein katholischer Pfarrer da war, weil man in den Glaubensvorstellungen doch ein bisschen näher beieinander ist. Ich bin Katholik, aber es ist nicht so, dass ich alles, was in der Bibel steht, wortwörtlich glaube. Dazu bin ich zu sehr Realist. Aber meine Werte und Normen nehme ich sehr stark aus meinem Glauben heraus.

Ging es in Ihrem Gespräch mit dem Militär­pfarrer vorrangig um den Glauben oder um eine realistische Einschätzung der Situation?
Es ging ein Stück weit um beides: zum einen um die Situation und wie es mir damit geht, zum anderen aber auch um den Glauben. Eine Ehe ist ja im katholischen Glauben etwas, was für immer hält und was man nicht auflösen kann. Meine Angst bestand darin, dass ich mich, weil ich mich in meiner Frau getäuscht habe, nie wieder kirchlich trauen lassen kann. Hier hat mir der katholische Militärpfarrer Kontakte vermittelt, wie ich die kirchliche Ehe annullieren lassen kann. Das hat mich sehr stark beruhigt.

Wie lange hat es gedauert, bis Sie schließlich nach Hause fliegen konnten?
Ich war noch eine knappe Woche vor Ort. Das hat ausgereicht, um meine Aufgaben und Projekte zu übergeben. Wenn ich neben dem Dienst Freizeit hatte, dann hat sich der Pfarrer darum gekümmert, dass ich abgelenkt war und nicht allein vor mich hin gegrübelt habe. Er hat mir auch seine private Nummer gegeben und mir angeboten, dass ich ihn zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen kann. Er war also rund um die Uhr als Ansprechpartner für mich da.

Wie präsent war der Militär­pfarrer im Einsatz und woher wussten Sie, dass dieses Angebot besteht?
In Afghanistan haben die Militärgeistlichen ein Büro in der Chaplaincy und in der Regel sind sie sehr gut zu erreichen und sofort da. In meiner Zeit gab es beispielsweise einen Vorfall in Kundus und zwei Stunden nach dem Anruf war der Pfarrer schon mit dem Hubschrauber auf dem Weg dorthin.
Über das Angebot habe ich durch meinen Vorgänger erfahren. Der hat mich direkt am zweiten Tag zum Bibelfrühstück mitgenommen. Das war der erste Kontakt, den ich mit dem Pfarrer hatte. Ansonsten gibt es überall im Camp die Aushänge und der Pfarrer hat mehrere Themenabende organisiert, unter anderem ein „Ritteressen“. Das war eine schöne Ablenkung, ein schöner Abend.

Wie oft fanden Gottesdienste im Camp statt?
Die deutschen Gottesdienste, das sind einmal eine Andacht am Dienstagabend und ein normaler Gottesdienst in deutscher Sprache am Sonntag. Es gab natürlich auch englische Gottesdienste: Wir hatten einen englischen und einen kroatischen Militärpfarrer da, die die Kapelle genutzt und teilweise gemeinschaftliche Gottesdienste veranstaltet haben.

Hat der Glaube im Einsatz eine andere Bedeutung?
Ich war jetzt keiner von denen, die regelmäßig rausgefahren sind. Für mich ist mein Glaube ein moralischer Kompass, der mir auch sagt, was richtig ist und was falsch. Wenn man sich im Einsatz befindet, denkt man häufiger darüber nach. Ich habe mich im Einsatz intensiver mit meinem Gewissen beschäftigt, als ich es im Inland tue. Außerdem stärkt der Glaube auch sehr das Gemeinschaftsgefühl. Die Kameraden, die häufig im Gottesdienst waren, waren auch unter der Woche im Camp häufige Gesprächspartner. Das ist noch einmal eine kleine Gemeinschaft innerhalb der Kameradschaft.

Haben Sie auch nach der Rückkehr aus dem Einsatz den Kontakt zum Militärpfarrer gehalten?
Ja, der Pfarrer steht mir weiterhin als Ratgeber und Unterstützer zu Seite. Durch einen glücklichen Zufall führt sein Heimweg an meiner Kaserne vorbei und dort hat er mich schon zwei-, dreimal besucht. Es dauert mit der Scheidung beziehungsweise Annullierung länger und so erkundigt er sich, ob ich Hilfe und Unterstützung benötige. Er betreut mich quasi über den Einsatz hinaus. Für mich selbst war es unglaublich wichtig, dass ich alles, was ich erlebt und durchgemacht habe, nicht noch einmal mit einem neuen Pfarrer durchsprechen und noch einmal bei Null anfangen muss. Wenn einen der Pfarrer weiter begleitet, ist das eine unglaublich gute Sache, da man auf das Erlebte aufbauen kann.

Hätten Sie sich auch einem Kameraden oder anderen Ansprechpartner anvertraut?
Nicht in der Tiefe, wie ich das mit dem Pfarrer getan habe. Beim Militärpfarrer konnte ich mir sicher sein, dass bei ihm alles, was ich ihm anvertraut habe, gut aufgehoben ist. Ich habe ihm absolut vertraut.

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