11.11.2016
BS

Bundeswehr-Einsatz in Türkei soll trotz Bedenken verlängert werden

Der Bundeswehr-Einsatz gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wurde am Donnerstag (10. November) trotz der innenpolitischen Verwerfungen in der Türkei verlängert. Die Bedenken deutscher Politiker gegen diesen Einsatz sind aber groß. Einige SPD-Politiker haben Bauchschmerzen dem Antrag zuzustimmen, weil in der Türkei zuletzt mehrere Journalisten und Abgeordnete festgenommen wurden. Außerdem steht dort die Wiedereinführung der Todesstrafe zur Diskussion.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bestellte Ende letzter Woche den türkischen Geschäftsträger ein und drohte indirekt mit einem Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen: „Es ist jetzt an den Verantwortlichen in der Türkei, sich darüber klar zu werden, welchen Weg ihr Land gehen will und was das bedeutet für die Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union“, sagte Steinmeier.

Nach Kanzlerin Angela Merkel hatte auch Bundespräsident Joachim Gauck das Vorgehen der türkischen Regierung verurteilt: „Was ich derzeit in der Türkei beobachte, bestürzt mich“, sagte er dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Wenn Ankara den Putschversuch nutze, „um etwa die Pressefreiheit faktisch auszuhebeln, wenn es die Justiz instrumentalisiert und der Präsident die Wiedereinführung der Todesstrafe betreibt“, dann würden zentrale Grundlagen eines demokratischen Rechtsstaats außer Kraft gesetzt, betonte Gauck. In jedem Fall sei dies „eine Eskalation, die die Europäer nicht unbeantwortet lassen können“.

Deswegen wollen SPD-Politiker Alternativstandorte für diesen Einsatz prüfen und sich bei der türkischen Regierung mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die Abgeordneten weiterhin die deutschen Soldaten auf dem türkischen Nato-Stützpunkt Incirlik besuchen können. Zwar hatte eine Delegation deutscher Abgeordneter im Oktober Incirlik besucht, offenbar war dies aber nur eine Ausnahme: Wie die „Welt am Sonntag“ berichtete, ignoriert die türkische Regierung den Besuchsantrag des Linken-Abgeordneten Jan van Aken bis heute.
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir urteilte: „Wenn es nicht sofort zu einer Änderung kommt, dann können wir unsere Soldaten dort nicht belassen.“

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte hingegen, ein Rückzug der Soldaten aus Incirlik sei nicht im Interesse derjenigen, die dort gemeinsam mit Deutschland gegen den IS kämpften. Die Entwicklung in der Türkei sei „in höchstem Maße erschreckend“, aber die Entscheidung über das Bundeswehr-Mandat habe damit nichts zu tun. „Die Türkei hat sich unter Erdogan von Europa immer weiter entfernt“, sagte die CSU-Politikerin. Die EU-Beitrittsverhandlungen müssten deshalb „zumindest unterbrochen werden“. Am Flüchtlingspakt mit Ankara solle jedoch festgehalten werden.

Die politischen Spannungen in der Türkei haben unmittelbare Folgen auf Incirlik: Nicht nur Besuche von Bundestagsabgeordneten auf dem deutschen Stützpunkt werden blockiert, auch die Baumaßnahmen: Rund 58 Millionen Euro will die Bundesregierung in die marode Infrastruktur investieren. Da einige Unterkünfte von Schimmel befallen seien und die Klimaanlagen teilweise nicht funktioniere, sollen neue Unterkunftscontainer beschafft werden, außerdem wolle man in einen mobilen Gefechtsstand sowie in den Bau eines neuen Flugplatzes für die Tornado-Aufklärungsjets investieren. Die Türkei aber verweigert die Genehmigung für die Baumaßnahmen. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage der Grünen-Sicherheitspolitikerin Agnieszka Brugger hervor, die der „Welt“ vorliegt.

Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, erklärte der Frankfurter Rundschau: „Ich würde zur Mandatsverlängerung selbstverständlich „Nein“ sagen. Wir haben uns schon beim Flüchtlingsdeal in die Hand der Türkei begeben. Wir dürfen das in Incirlik nicht schon wieder tun. Das ist auch eine Frage der Selbstachtung.“

Die Abstimmung über die Verlängerung des Mandats findet am Donnerstag im Deutschen Bundestag statt.

(Mit Material von dpa, Der Spiegel und Die Welt, Frankfurter Rundschau)