In Lybien herrscht seit Jahren Chaos: Derzeit sollen sich dort 3000 bis 4000 IS-Kämpfer aufhalten, eine funktionierende Regierung gibt es nicht. Foto: dpa

In Lybien herrscht seit Jahren Chaos: Derzeit sollen sich dort 3000 bis 4000 IS-Kämpfer aufhalten, eine funktionierende Regierung gibt es nicht. Foto: dpa

19.04.2016
ah/dpa

Das zweite Schlüsselland: EU hofft in der Flüchtlingskrise auf Libyen

Luxemburg (dpa) - Die EU hat den Weg für eine starke Unterstützung der neuen Einheitsregierung in Libyen geebnet. Nach den Ergebnissen des Außen- und Verteidigungsministertreffens am Montagabend in Luxemburg könnten auch auf Bundeswehrsoldaten schon bald zusätzliche Aufgaben zukommen. Fragen und Antworten zum geplanten Engagement im Überblick:

Was hat die EU jetzt in Libyen vor?

Die EU will die neue Einheitsregierung dabei unterstützen, in dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Land wieder eine funktionierende staatliche Ordnung zu errichten. Europäische Experten sollen beim Wiederaufbau der Küstenwache helfen. Zudem sind Projekte in Bereichen wie Polizeiarbeit, Terrorbekämpfung, Menschenschmuggel und Grenzschutz geplant.

Was erhofft sich Europa von dem Engagement?

Vor allem eine Eindämmung der illegalen Migration. Libyen ist nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 zu einem Eldorado für kriminelle Schleuserbanden geworden. Über die ungesicherten Grenzen bringen sie Migranten aus zahlreichen anderen afrikanischen Ländern an die Mittelmeerküste, von wo aus es nur wenige Hundert Kilometer Seeweg bis nach Italien sind. Allein im vergangenen Jahr kamen über die Zentrale Mittelmeerroute mehr als 150 000 Migranten in die EU. Schätzungen zufolge warten in Libyen derzeit mindestens 200 000 Menschen auf den geeigneten Moment, um die Überfahrt zu wagen.

Hat der im vergangenen Sommer gestartete EU-Militäreinsatz vor der libyschen Küste bislang gar nichts gebracht?

Das kommt darauf an, aus welcher Perspektive er betrachtet wird. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verwiesen am Montag darauf, dass die Besatzungen der Kriegsschiffe seit Einsatzbeginn bereits rund 13 000 Migranten aus der Seenot gerettet haben. Zudem seien 68 mutmaßliche Schleuser den italienischen Strafverfolgungsbehörden übergeben worden.

Kritiker sind hingegen der Ansicht, dass die EU-Militärpräsenz Migranten eher anlockt als abschreckt. Ihre Argumentation: Seit in dem Seegebiet vor Libyen patrouilliert wird, ist das Risiko gesunken, auf der Überfahrt in einem untergehenden Boot zu sterben. Stattdessen können sich die Migranten sogar sicher sein, im Fall der Rettung in die EU gebracht zu werden. Schleuserbanden könnte das dazu verleiten noch marodere Schiffe einsetzen um so noch mehr Geld zu verdienen. Die meisten von ihnen schicken die Migranten unbegleitet auf die lebensgefährliche Reise.

Die Zustimmung der neuen Einheitsregierung in Tripolis vorausgesetzt, soll der EU-Marineeinsatz jetzt schnellstmöglich in die libyschen Hoheitsgewässer ausgeweitet werden. Macht das überhaupt Sinn?

Militärs erhoffen sich von der Präsenz europäischer Kriegsschiffe direkt vor der libyschen Küste einen starken Abschreckungseffekt. Zudem könnten sich Schleuser in dem Seegebiet nicht mehr ungefährdet bewegen. Unklar ist allerdings, wie verhindert werden soll, dass Flüchtlinge sich einfach direkt vor der Küste von den EU-Schiffen retten lassen, um so in die EU zu gelangen.

Wie wird sich Deutschland beteiligen?

Die Bundeswehr ist derzeit mit der Fregatte «Karlsruhe» und dem Einsatzgruppenversorger «Frankfurt am Main» an dem EU-Militäreinsatz zwischen der italienischen und libyschen Küste beteiligt. Deutsche Soldaten würden sich demnach auch daran beteiligen, wenn der Einsatz in die libyschen Küstengewässer ausgeweitet wird. Außenminister Steinmeier machte zudem klar, dass Deutschland auch bereit sei, sich am Wiederaufbau des libyschen Sicherheitsapparates zu beteiligen. So könnten zum Beispiel in Tunesien libysche Sicherheitskräfte ausgebildet werden, die dann der neuen Einheitsregierung zur Verfügung stehen könnten.

Könnten deutsche Soldaten und andere EU-Soldaten künftig auch das gegen Libyen verhängte Waffenembargo kontrollieren?

Diesen Vorschlag hatte vor den Beratungen in Luxemburg Frankreich eingebracht. Im Kreis der EU-Staaten gab es allerdings rechtliche Bedenken. Steinmeier kündigte an, dass das Thema eventuell auf Ebene des UN-Sicherheitsrates besprochen werden solle. Dort könnte eine entsprechende Resolution beantragt werden. «Ich kann mit nicht vorstellen, dass es im Sicherheitsrat vernünftige Gründe gäbe, eine solche Resolution zu verhindern», sagte er. Es gebe nachrichtendienstliche Erkenntnisse, dass in Libyen aktive Kräfte der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit über das Mittelmeer geschmuggelten Waffen unterstützt werden.

Die Türkei bekommt für ihr Entgegenkommen in der Flüchtlingskrise von der EU Milliardenhilfen. Kann Libyen auf ähnliche Beträge hoffen?

Zur Unterstützung der neuen Einheitsregierung in Libyen hat die Europäische Union bereits vor Monaten Soforthilfen in Höhe von 100 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Dass der Betrag kurzfristig deutlich erhöht wird, gilt als unwahrscheinlich. In der EU gibt es die Hoffnung, dass Libyen schnell wieder die Ölproduktion hochfahren kann. Da das Land über große Vorkommen des Rohstoffs verfügt, ist es eigentlich reich.

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