Die Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern" war schon 2016 bei der Operation "Sophia" in den Gewässern zwischen Italien und Libyen im Einsatz. Foto: Bundeswehr/Schönbrodt

Die Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern" war schon 2016 bei der Operation "Sophia" in den Gewässern zwischen Italien und Libyen im Einsatz. Foto: Bundeswehr/Schönbrodt

18.02.2020
Michel Winde, dpa

Zurück aufs Meer: Neue EU-Mission soll Waffenembargo überwachen

Noch kurz zuvor schien diese Einigung unmöglich: Die EU will die Beschlüsse des Berliner Libyen-Gipfels mit einer neuen Mission durchsetzen. Inklusive Ausstiegsklausel.

Brüssel. Die Europäische Union will mit Schiffen zurück ins Mittelmeer. Um dem Frieden in Libyen ein Stück näher zu kommen, soll eine neue EU-Mission künftig den Waffenschmuggel in das Bürgerkriegsland überwachen - aus der Luft, per Satellit und trotz großer Bedenken einiger EU-Länder auch auf dem Meer.

Bundesaußenminister Heiko Maas war nach den Gesprächen mit seinen EU-Amtskollegen am Montag (17. Februar) in Brüssel sichtlich erleichtert. Rund vier Wochen nach dem Berliner Libyen-Gipfel gebe es eine «positive Grundsatzentscheidung», sagte der SPD-Politiker. «Diese Mission soll auch eine maritime Komponente haben, die sich an den Routen derjenigen orientiert, die Waffen nach Libyen bringen, also im östlichen Mittelmeer.» Die Details sollten noch ausgearbeitet werden.

Die «maritime Komponente» - genau hier waren die Verhandlungen lange verhakt. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte ursprünglich vorgeschlagen, die Marinemission «Sophia» wiederzubeleben. «Sophia» sollte ursprünglich Schmuggel und Menschenhandel im Mittelmeer eindämmen. Nebenher wurden aber immer wieder Migranten aus Seenot gerettet - dazu verpflichtet das internationale Seerecht. Die EU-Staaten konnten sich jedoch nicht darauf einigen, wohin mit den Geretteten. Deshalb lief die Marinemission im März 2019 aus.

Ein «Sophia»-Neustart also? Dagegen sträubte sich vor allem Österreich, aber auch andere Länder wie Italien und Ungarn hatten Bedenken. Wien argumentierte offen, dass sich mehr Migranten nach Europa aufmachen würden, wenn sie davon ausgehen könnten, dass die «Sophia»-Schiffe sie retteten. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg sagte noch am Montagmorgen, man könne über alles reden, «aber nicht vor der libyschen Küste, nicht Sophia-Wiederaufnahme». Außenpolitische Beschlüsse müssen in der EU einstimmig getroffen werden.

Den Bedenken Österreichs und anderer trägt der Kompromiss vom Montag deutlich Rechnung. Die Schiffe sollen nicht im zentralen Mittelmeer, sondern weiter östlich eingesetzt werden, fernab der Fluchtrouten. Und sollte doch ein sogenannter Pull-Effekt ausgemacht werden, sollen die Schiffe aus der entsprechenden Region wieder abgezogen werden.

Nach einer Einigung sah es lange Zeit nicht aus. Noch am Morgen habe er gedacht, ein Kompromiss sei unmöglich, sagte Borrell. «Aber das zeigt: Wenn es politischen Willen gibt, ist nichts unmöglich.» Er hoffe, dass die Mission Ende März einsatzbereit sei.

Neben der Überwachung des Waffenembargos soll die neue Mission - deren Name noch nicht feststeht - auch organisierte Kriminalität überwachen, die für Migration verantwortlich ist. Außerdem will die EU weiter die libysche Küstenwache und Marine ausbilden. Bevor es so weit ist, muss die neue Mission allerdings von einigen nationalen Parlamenten gebilligt werden - etwa vom Bundestag, wie Borrell sagte.

Wie die Landgrenzen Libyens, über die ebenfalls viele Waffen ins Land kommen, überwacht werden sollen, steht Borrell zufolge noch nicht fest. Darauf wolle man beim nächsten Treffen im März zurückkommen.

Außenminister Maas wertete die Beschlüsse vom Montag als «große Unterstützung für den Berliner Prozess». Vor gut vier Wochen hatten sich in Berlin 16 Staaten und Organisationen auf deutsche Initiative darauf verständigt, die Einmischung von außen in Libyen zu beenden. Es gehe im Wesentlichen darum, dass die Bürgerkriegsparteien von ihren Unterstützern getrennt würden und dass es keine weiteren Waffenlieferungen mehr gebe, sagte Maas. «Das ist das, was wir brauchen, und das haben wir heute im Grundsatz entschieden.»

Im nordafrikanischen Libyen war 2011 nach Sturz und Tötung des Machthabers Muammar al-Gaddafi ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Die Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch ist international anerkannt, hält aber nur kleine Gebiete um die Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes. Gegen ihn kämpft General Chalifa Haftar mit Verbündeten, die weite Teile des ölreichen Landes beherrschen. Libyen ist ein wichtiges Transitland für Migranten auf dem Weg nach Europa.

Die Co-Vorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, wertete den Kompromiss vom Montag als «positives Signal». Die Überwachung des Waffenembargos sei erforderlich. Um zu einem gefestigten Waffenstillstand zu kommen, müsse der Nachschub unterbunden werden. Die Grünen würden das Mandat nun genauestens prüfen. «Klar ist: Ohne die Bereitschaft der Europäer und der Vereinten Nationen, diejenigen beim Namen zu nennen, die gegen das Waffenembargo verstoßen, würde ein Mandat ins Leere laufen.»

Der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt forderte hingegen, dass die Schiffe dorthin müssten, wo Menschen in Not sind. «Die Schiffe der Marinemission dürfen nicht das Seenotrettungsgebiet meiden.»

Nach Ansicht der FDP-Europapolitikerin Nicola Beer sind die Außenminister am Montag hinter ihren Möglichkeiten zurückgeblieben. Sie hätten die «Chance verpasst, sich auf die Option von Sanktionen zu verständigen, um eine klare Botschaft Richtung Türkei, Russland oder den Vereinigten Emiraten zu senden».

Die Vereinten Nationen hatten zuletzt beklagt, dass mehrere Teilnehmerstaaten des Berliner Gipfels mit der Entsendung von Kämpfern und der Lieferung von Waffen fortfahren. Generalsekretär António Guterres nannte ausdrücklich die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Russland und die Türkei.

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