Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) zeichnete ein düsteres Bild. Über seine Zukunft wurde heftig spekuliert Foto: msc

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) zeichnete ein düsteres Bild. Über seine Zukunft wurde heftig spekuliert Foto: msc

17.02.2018
jm

MSC, Tag 2: Steht die Welt am Abgrund?

München. Nachdem am Vortag noch die Freilassung des „Welt“-Journalisten Deniz Yücel aus dem Gefängnis in der Türkei die Nachrichten auf der MSC bestimmt hatte, wurde es am Samstag richtig ernst.

Den Anfang machte der geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). Er zeichnete in seiner Rede ein düsteres Bild von der Welt: Sie stehe zu Beginn des Jahres 2018 an einem gefährlichen Abgrund, „Berechenbarkeit und Verlässlichkeit sind derzeit anscheinend die knappsten Güter in der internationalen Politik.“

Der Syrien-Konflikt bewege sich nach sechs blutigen Jahren als Buürger- und Stellvertreterkonflikt in eine Richtung, „die akute Kriegsgefahr selbst für unsere engen Partner“ bedeute. Zudem könne der olympische Frieden die „brandgefährliche Eskalation rund um das nordkoreanische Atomrüsten" vorerst nur bremsen.
Vor diesem Hintergrund forderte Gabriel eine deutlich stärkere Rolle Europas in der Welt. Europa brauche eine gemeinsame Machtprojektion. Dazu gehöre auch die Bereitschaft, sich militärisch zu engagieren. „Europa ist nicht alles, aber ohne Europa ist alles nichts. Deutschland wird daher massiv in die Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit Europas investieren“, sagte Gabriel. „Als einziger Vegetarier werden wir es in der Welt der Fleischfresser verdammt schwer haben.“

Er begründete seine Haltung mit einer veränderten Rolle der USA in der Welt und beklagte die Unsicherheit, die auf Seiten der USA seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump entstanden sei. „Wir sind uns nicht mehr sicher, ob wir unser Amerika noch wiedererkennen“, sagte er. „Sind es Taten, sind es Worte, sind es Tweets, an denen wir Amerika messen müssen?“

China spiele dagegen eine immer größere Rolle. „Mit dem Aufstieg Chinas werden sich die Gewichte in der Welt massiv verschieben“, sagte Gabriel. Die „Systemalternative“, die China anstrebe, entspreche aber nicht den westlichen Vorstellungen von einer liberalen Weltordnung. „Für uns Europäer muss klar sein, um in einer Welt von morgen unsere Werte, unseren Wohlstand, unsere Sicherheit zu behaupten, müssen wir zusammenstehen.“ Die Europäische Union dürfe sich auch nicht durch andere auseinanderdividieren lassen. „Niemand sollte versuchen, die Europäische Union zu spalten: nicht China, nicht Russland, aber auch nicht die Vereinigten Staaten."

Beobachter waren sich nach dem Auftritt Gabriels nicht einig: war das jetzt eine Abschiedsrede oder eine Bewerbung für eine weitere Amtszeit als Außenminister?

May warnt vor Wettbewerb unter Partnern


Die britische Premierministerin Theresa May sprach sich in ihrem Beitrag für eine enge Sicherheitspartnerschaft zwischen Großbritannien und der EU nach dem Brexit aus. „Wir müssen tun, was praktisch und pragmatisch ist, um unsere gemeinsame Sicherheit zu gewährleisten“, sagte May. Die Sicherheit der Bürger dürfe nicht durch einen „Wettbewerb zwischen Partnern“, durch „tief verankerte Ideologie“ und „institutionelle Einschränkungen“ gefährdet werden. Sie setzte sich unter anderem dafür ein, dass Großbritannien nach dem EU-Austritt den Europäischen Haftbefehl beibehalten und Teil der EU-Polizeibehörde Europol bleiben kann.

Diese Zusammenarbeit sei im Kampf gegen Terrorismus, organisierte Kriminalität und Cyberkriminalität sehr wichtig, so May. Wenn es nach dem Brexit kein Sicherheitsabkommen gebe, könne der Datenaustausch etwa bei Europol nicht wie bisher fortgesetzt werden.

Mit großem Interesse wurde seine Rede erwartet: Österreichs junger Bundeskanzler Sebastian Kurz ist DER Shooting Star der europäischen Polit-Szene. Kurz forderte die Europäische Union auf, sich stärker auf den Schutz der EU-Außengrenzen und die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu konzentrieren. In der Vergangenheit sei die EU in einigen Bereichen „falsch abgebogen“, so Kurz. Die EU habe Grenzen abgebaut, ohne „einen ordentlichen Außengrenzschutz“ zu installieren.

Kurz hob hervor, in Afrika gebe es erheblichen Migrationsdruck. „Nur wenn wir selbst entscheiden, wer zu uns zuwandern darf und wer nicht, nur wenn wir selbst unsere Außengrenzen schützen, werden wir sicherstellen können, dass das Europa ohne Grenzen nach innen auch in Zukunft selbstverständlich ist.“
Auch in anderen Bereichen seien die Strukturen der EU aus seiner Sicht nicht so handlungsfähig, wie sie sein sollten. So habe Brüssel immer mehr Regulierungen auf dem Binnenmarkt und in anderen Bereichen durchgesetzt.

Um international wieder an Bedeutung zu gewinnen, müsse die EU stärker nach dem Motto „in Vielfalt geeint“ statt „in Gleichheit getrennt“ verfahren, sagte Kurz. Dies betreffe neben dem Grenzschutz auch die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik.

Polen zeigt erneut eine harte Linie


Ähnlich wie zuvor Sigmar Gabriel verwies auch Kurz auf die Veränderungen der internationalen Machtverhältnisse. Die USA zögen sich immer mehr von der internationalen Bühne zurück, und dieses „Machtvakuum“ werde von China gefüllt, sagte Kurz. Wenn früher davor gewarnt worden sei, dass die Großen die Kleinen fressen könnten, seien es nun „die Schnellen“, die „die Langsamen“ zu schlucken drohten.

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki vertrat eine harte Linie. Er forderte von Ländern wie Deutschland eine klare Aussage, wie sie die Nato-Selbstverpflichtung zur Erhöhung der Militärausgaben erfüllen wollen. Das sei wichtig, „damit die Trittbrettfahrer keine Chance mehr haben, sich auf die Pax Americana zu berufen“, sagte Morawiecki, ohne einzelne Länder zu nennen. Hintergrund ist die Selbstverpflichtung der Nato-Staaten, bis 2024 Richtung zwei Prozent der eigenen Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Russlands Präsident Wladimir Putin habe vor elf Jahren eine neue Politik angekündigt, sagte der Ministerpräsident. „Er hat seine Versprechen eingehalten.“ Morawiecki verwies auf Russlands militärisches Eingreifen in Georgien und der Ukraine. „Wir brauchen mehr Kampfpanzer und weniger Denkfabriken. Von denen haben wir genug."

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim verbat sich Kritik der Nato- Partner am militärischen Vorgehen seines Landes in Syrien. „Wir schützen die Nato-Grenzen, nämlich die Südgrenze der Türkei“, sagte Yildirim. „Was die anderen Nato-Mitgliedstaaten tun, ist, dass sie mit einer terroristischen Organisation zusammenarbeiten, die für uns eine Bedrohung an unserer Grenze darstellt.“
Auf die Frage nach der Drohung des türkischen Präsidenten Erdogan, US-Soldaten in diesem Konflikt eine „osmanische Ohrfeige“ zu verpassen, sagte Yildirim: „Es ist egal, ob es in Syrien oder im Irak ist: Wenn es dort terroristische Aktionen gibt gegen unser Land, dann ist es doch klar, dass wir hier die stärkst mögliche Ohrfeige geben würden.“ Wenn sich ein anderes Land kriegerisch gegen die Türkei wende, werde sie „natürlich“ zurückschlagen.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow ist mittlerweile ein Stammgast in München. Bekannt ist hier auch sein scharfer Ton: Er sprach von Neonazi-Aufmärschen, von Minderheiten, die angeblich unterdrückt würden, und warnte vor aufkeimendem Faschismus in Europa: „Wir sollten wissen, wohin so etwas führt.“ Russland dagegen sei „bereit zum Dialog mit der EU und der sollte auch Grundlage für unsere Beziehungen zu den USA sein.“

Lawrow kritisierte den Raketenschild und die Osterweiterung der Nato, zur Lage in Nahost sagte er, man müsse die „legitimen Interessen“ aller Länder der Region anerkennen, auch die des Iran. „Man darf nicht versuchen, das nur aus westlicher Sicht zu sehen. So geht das nicht.“

Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, H.R. McMaster, erklärte in seiner Rede: „Wir wissen, dass Syrien und Nordkorea nicht die einzigen Schurkenstaaten sind, die gefährliche Waffen entwickeln und einsetzen.“ Auch der Iran mit „seiner Unterstützung für Stellvertreter-Milizen“ müsse nun in den Blick genommen werden. Der Iran „schürt Gewalt“, sagte McMaster. Teheran zählt zu den Unterstützern von Syriens Machthaber Baschar al-Assad. In dem bewaffneten Konflikt im Jemen unterstützt der Iran die schiitischen Huthi-Rebellen.

McMaster warnte vor Massenvernichtungswaffen im Besitz gefährlicher Staaten. Die internationale Gemeinschaft müsse sich gemeinsam gegen deren Verbreitung einsetzen, dschihadistische Organisationen bekämpfen und die internationalen Grundlagen für Frieden und Wohlstand stärken. „Die Achtung der Souveränität ist überall auf der Welt in Gefahr!“

(Mit Material von Reuters, AFP und dpa)

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