Dramatische Lage: Auf den Dächern steht der Schnee mannshoch - es besteht Einsturzgefahr. Gebirgsjäger befreien die Häuser von der weißen Last. Foto: DBwV/Bombeke

Dramatische Lage: Auf den Dächern steht der Schnee mannshoch - es besteht Einsturzgefahr. Gebirgsjäger befreien die Häuser von der weißen Last. Foto: DBwV/Bombeke

14.01.2019
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Bundeswehr-Einsatz in Bayern: Im Kampf gegen den Schnee

Buchenhöhe. Es ist ein traumhaft gelegener Ort in den Bergen Bayerns: In Buchenhöhe lässt sich bestimmt hervorragend Urlaub machen und die Bergluft genießen. Normalerweise. Doch seit vergangener Woche sind die Menschen in einer Ausnahmesituation und kämpfen um ihre Existenz: Die Schneemassen der letzten Tage drücken auf die Dächer, die Fahrt über die Straße ins tiefer gelegene Berchtesgaden ist lebensgefährlich. Jederzeit kann es einen Schneerutsch geben oder einen Baum umfällen, der die Schneelast nicht mehr tragen kann. Zeitweise sind sie die einzigen, die noch durchkommen: die Gebirgsjäger der Bundeswehr mit ihren Kettenfahrzeugen vom Typ Hägglund.

Die Soldaten der Gebirgsjägerbrigade 23 bringen Schüler in Sicherheit, Lebensmittel ins Dorf, befreien Zufahrtsstraßen und Dächer vom Schnee. Ein nicht alltäglicher Einsatz, bei dem noch kein Ende in Sicht ist. Wer weiß schon, wie sich das Wetter in den kommenden Tagen entwickelt. Grund genug für die DBwV-Redaktion, die Soldaten bei ihrer Mission ein Stück weit zu begleiten.

Am 8. Januar beginnt der Schnee-Einsatz der Bundeswehr mit einem Hilferuf aus Buchenhöhe. Dort stecken nachmittags Schüler und Lehrer der Christopherus-Schule fest, weil die Straße nach den Schneefällen nicht mehr befahrbar ist. Der Erste Bürgermeister von Berchtesgaden, Franz Rast, wendet sich mit einem dringenden Eilhilfeersuchen direkt an das Gebirgsjägerbataillon 232. Die „Struber Jager“ rücken mit ihren Überschneefahrzeugen aus und haben schon nach wenigen Stunden die rund 30 Schüler und ihre Lehrer in Sicherheit gebracht. Doch damit fängt der Einsatz der Bundeswehr erst richtig an.

Weitere heftige Schneefälle verschärfen schnell die Lage in der ganzen Region: Am 10. Januar wird im Landkreis Berchtesgaden der Katastrophenfall ausgelöst. Dächer drohen wegen der Schneelast einzustürzen, immer mehr Straßen sind wegen der Gefahr von Lawinen oder Schneebruch nicht mehr passierbar. In Buchenhöhe bleibt die Lage besonders kritisch. Die Bundeswehr bringt Lebensmittel in den Ort und beginnt den Schneeräum-Einsatz. Die Gebirgsjäger sind auf den Dächern, bewaffnet mit Schaufeln und Sägen, um ganze Schneeblöcke von den Häusern zu befördern. Der Schnee ist mannshoch und drückt mit mehreren hundert Kilogramm auf den Quadratmeter. Kein Dach hält das lange aus. Die Soldaten sind nicht allein: Auch das Technische Hilfswerk ist vor Ort, ebenso zwei Drehleiter-Fahrzeuge der Münchner und der Salzburger Feuerwehr – die Solidarität kennt keine Grenzen.

„Wir haben auch einige Schornsteine freigemacht, weil die Gefahr bestand, dass der Schnee sie zumacht. Da drinnen geheizt wird, besteht dann die Gefahr einer Kohlenmonoxidvergiftung“, sagt der Oberstabsgefreite Dennis Dudda. Einige Trupps haben mit Hilfe von Drehleitern auch nach Einbruch der Dunkelheit gearbeitet. Das ist nicht ungefährlich. Schon so sei es schwierig, sagt der Angehörige des Gebirgsjägerbataillons 232 aus Bischofswiesen, da man nicht sehen könne, ob sich unter dem Schnee eine Dachluke befindet. Die Zusammenarbeit mit den zivilen Hilfskräften funktioniere aber sehr gut.

„Das Ende ist noch nicht absehbar, wir müssen schauen, wie sich die Wetterlage entwickelt“, sagt der junge Gebirgsjäger. Beim Räumen der Dächer ist Eile geboten: Zwischenzeitlich hat es weiter geschneit, aber auch geregnet. Der nasse Schnee kann die Last auf den Dächern nochmal verdoppeln. Zudem sagt der Wetterbericht auch noch Sturmböen voraus, damit steigt die Gefahr, die von umstürzenden Bäumen ausgeht. Gemeinsam mit der Feuerwehr fällen die Soldaten gefährdete Bäume an der Straße nach Berchtesgaden. Die wichtige Verbindung muss frei bleiben. Mit Radladern und Schneefräsen sind jetzt auch die Gebirgspioniere aus Ingolstadt im Einsatz, um eine weitere Zufahrtsstraße auf die Buchenhöhe frei zu bekommen.

Die Bevölkerung zeigt sich dankbar für den Einsatz: Viele Anwohner versorgen die Hilfskräfte mit heißen Getränken, der Zuspruch für die Bundeswehr ist groß. „Ich finde das super, was die Jungs von den Gebirgsjägern hier leisten“, sagt Olaf Lesky, „erstens sind sie nett und zweitens machen sie machen einen wirklich tollen Job. Ich möchte nicht wissen, wie da die Arme heute Abend brennen!“

Am Sonntag gibt es dann noch hohen Besuch auf der Buchenhöhe: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen verschafft sich ein Bild von der Lage, spricht mit Soldaten, Anwohnern und Medienvertretern. „Die Bundeswehr kommt, wenn sie gebraucht wird, und sie bleibt so lange, wie sie gebraucht wird“, verspricht die Ministerin.

Doch die Bundeswehr ist nicht nur auf der Buchenhöhe im Einsatz. Die Lage bleibt im ganzen südlichen Bayern angespannt. In vier weiteren Landkreisen wurde inzwischen ebenfalls der Katastrophenfall ausgelöst: Auch in Miesbach, Traunstein, Bad Tölz-Wolfratshausen und Garmisch-Partenkirchen ist der Schnee zu einer Gefahr für Leib und Leben geworden. Immer mehr Soldaten werden eingesetzt. Sogar die Luftwaffe ist dabei und hat einen Hubschrauber bereitgestellt. Für die Besatzung des H145M, die normalerweise Soldaten des KSK befördert, ist es sicherlich ein außergewöhnlicher Auftrag. Zunächst einmal wird der Drehflügler zum „Downwash“ eingesetzt. Dabei überfliegt der Hubschrauber an besonders gefährdeten Straßenabschnitten in geringer Höhe die Bäume, um den Schnee von den Ästen zu wehen.

Für den zweiten Teil des Auftrags sind noch ein Heeresbergführer und ein Sprengmeister der Pioniertruppe an Bord. Ziel ist es, kontrolliert Lawinen auszulösen. Vor dem Abflug erklärt Hauptfeldwebel Korbinian Pfeiffer den Auftrag: „Es ist eine Sprengung geplant im Bereich Steinbergalm. Da sind Menschen schon etwas länger von der Außenwelt abgeschnitten. Da schauen wir, dass wir den Schnee so weit wie möglich abtragen und so die Menschen nach Räumung und Freigabe der Straße wieder in die Zivilisation zurückkönnen.“ Für den Heeresbergführer ist es der erste Einsatz dieser Art. „Wir haben das auf einem Lehrgang gelernt, aber natürlich vor einem ganz anderen Hintergrund“, sagt Pfeiffer, „wir müssen jetzt vor Ort beurteilen und entscheiden, wo wir die Ladung abwerfen und wie viel.“

Insgesamt helfen aktuell (Stand: 14. Januar) rund 1200 Soldaten der Bundeswehr der Bevölkerung bei der Bewältigung des Schnee-Chaos. Den Großteil stellt die Gebirgsjägerbrigade 23. Es sind aber auch Angehörige zahlreicher anderer Verbände beim militärischen Katastrophenfall im Einsatz, so etwa 150 Soldaten des IT-Bataillons 293 aus Murnau und viele Reservisten aus den Kreisverbindungskommandos.

Der Einsatz läuft gut, ebenso die Zusammenarbeit mit den zivilen Stellen. „Die Abstimmung mit dem Landratsamt, das den Krisenstab koordiniert, funktioniert gut“ bestätigt Korvettenkapitän d.R. Eckhard Michel. Für den Presseoffizier der Gebirgsjägerbrigade 23 ist dieser Einsatz schon etwas besonderes. „Einen solchen Katastrophenfall zu bearbeiten, ist schon etwas anderes, als wenn man im Manöver ist. Es ist auch wichtig, die Bevölkerung über diesen Einsatz zu informieren – sie hat schließlich das Recht, informiert zu werden“, sagt Michel. Die Menschen seien sehr dankbar für die Hilfe durch die Streitkräfte. „Die Leute hier in der Region sind Schnee gewöhnt, aber solche Schneemassen hat es schon lange nicht mehr gegeben, so dass viele Menschen am Ende doch überrascht worden sind“, sagt der Presseoffizier.

Dankbar zeigt sich auch Stabsfeldwebel a.D. Gerhard Stärk: „Soldaten und Soldatinnen jammern nicht, sie packen mit an, wenn es die Lage erfordert“, sagt der Landesvorsitzende Süddeutschland im Deutschen BundeswehrVerband. Unter den eingesetzten Soldaten seien natürlich auch sehr viele Verbandsmitglieder. „Ich danke jedem einzelnen, der sich teilweise weit über das normale Maß hinaus eingebracht hat“, sagt Stärk. Natürlich würden am Rande dieser Hilfe auch Fragen gestellt, etwa wie sich dieser Einsatz mit der Soldatenarbeitszeitverordnung in Einklang bringen lasse. „Das steht aber jetzt erst an nachgeordneter Stelle, zuerst einmal wird geholfen“, betont der Landesvorsitzende.

Der Einsatz der Bundeswehr in den Katastrophengebieten wird sicher noch zumindest einige Tage andauern. Man kann nur hoffen, dass das Wetter bald wieder für Entspannung sorgt. Unsere Redaktion wird weiter über die Katastrophenhilfe der Bundeswehr berichten.

  • Die täglich aktualisierten Zahlen der eingesetzten Soldaten und Verbände liefert die Bundeswehr hier.