Soldaten bei einer Evakuierungsübung. Manchmal ist ein Stop für die Orientierung angesagt Foto: Bundeswehr

Soldaten bei einer Evakuierungsübung. Manchmal ist ein Stop für die Orientierung angesagt Foto: Bundeswehr

02.05.2017
ts

Angemerkt Mai: Legen wir einen Beobachtungshalt ein!

Verehrte Mitglieder des DBwV im LV West,

wir sind im Wonnemonat Mai – die Landesversammlung West in Bad Neuenahr steht bevor, es gäbe viel Fröhliches und Zuversichtliches zu berichten. Aber die Tagesaktualität lässt mich heute ein anderes Thema bedenken.

Viel ist über die innere Lage der Bundeswehr in den vergangenen Wochen gesagt und geschrieben worden. Jeder aufgedeckte Fall von Mobbing und sexuellen Verirrungen ist ein Fall zu viel – auch in der Bundeswehr, aber nicht nur dort. Allerdings sollten wir mit Blick auf die Streitkräfte nicht dazu übergehen, jede Aussage und jede Handlung dahingehend zu durchleuchten, ob nicht doch etwas Anrüchiges zu finden ist. Ein Klima von gefühlter stetiger Überwachung tut der Kameradschaft nicht gut – und ist auch nicht notwendig. Von Einzelfällen darf nicht auf die Gesamtheit geschlossen werden!

Wir haben Sensoren, die funktionieren: Vertrauenspersonen, Personalräte, Gleichstellungsbeauftragte, Militärseelsorger und Vorgesetzte, die ihrer Pflicht zur Dienstaufsicht nachkommen. Vielleicht brauchen sie alle ein wenig mehr Zeit, um ihre Aufgaben vollumfänglich wahrzunehmen. Vielleicht müsste hier und da etwas mehr Zeit für das Gespräch zur Verfügung stehen.

Warum werden zusätzliche Stabsstellen eingerichtet? Bedarf es eines pensionierten Wissenschaftlers, der von außen auf das innere Gefüge und die innere Lage schaut? Haben wir in der Bundeswehr diejenigen, die sich früher darum gekümmert haben, abgeschafft oder bei der Neuausrichtung falsch zugeordnet? Haben wir die Kraft verloren, um Anpassungen selber auf den Weg zu bringen? Wird den Menschen, die in dieser Bundeswehr sozialisiert wurden, nicht vertraut, eine solche Analyse durchzuführen?

Vielleicht sollten wir anders ansetzen. Vielleicht ist das Operationstempo zu hoch. Vielleicht sollten wir einen Beobachtungshalt einlegen, bevor wir das nächste Zwischenziel in Angriff nehmen. Viele Menschen in der Bundeswehr sind orientierungsarm. Sie spüren es, trauen sich aber nicht, es zuzugeben. Es gibt mehr Fragen als Antworten – trotz Trendwenden. In den Einsätzen stimmen Auftrag und Mittel überein. Dort scheint es zu laufen. Im Grundbetrieb stimmen Auftrag und Mittel nicht überein. Deshalb klemmt es an allen Ecken und Enden. Das muss sich auf die innere Lage auswirken – aber es ist keine Entschuldigung für menschenverachtende Verirrungen.


Thomas Sohst  
Ehrlich nach innen – offensiv nach außen.