19.01.2022
dpa

Grünen-Vorsitzkandidat Nouripour: Keine Waffen mehr für Ägypten

Das Top-Empfängerland deutscher Rüstungsexporte war im vergangenen Jahr Ägypten. Dabei gäbe es gute Gründe, dem Land keine Waffen zu verkaufen, sagt der Grünen-Politiker Nouripour - und fordert eine Kehrtwende.

Berlin. Der Grünen-Politiker Omid Nouripour hat einen Stopp deutscher Waffenlieferungen an das aktuelle Hauptempfängerland Ägypten gefordert. «Deutsche Rüstungsexporte nach Ägypten und Saudi-Arabien darf es angesichts der problematischen Politik beider Staaten nicht geben», sagte der Kandidat für den Grünen-Vorsitz der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Der im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP festgehaltene Grund dafür sei die Beteiligung beider Länder am Jemen-Krieg, so Nouripour. Hinzu kämen systematische Menschenrechtsverletzungen in beiden Ländern. «In Ägypten gibt es über 60 000 politische Gefangene, eine zweistellige Zahl von Gefängnissen ist dafür neu gebaut worden. Im Libyenkonflikt hat Ägypten zudem immer wieder gegen die Vereinbarungen der internationalen Gemeinschaft verstoßen - einschließlich Waffenlieferungen und militärischer Logistik», sagte Nouripour.

Für Saudi-Arabien gilt bereits seit November 2018 ein Rüstungsexportstopp. Als Hauptgrund gilt zwar die Beteiligung des mit harter Hand regierten Königreichs am Jemen-Krieg. Der Auslöser für den Stopp war aber der Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Generalkonsulat in Istanbul. Ägypten gehört wie mehrere andere arabische Länder zu der von Saudi-Arabien geführten Kriegsallianz, die im Jemen die Regierung gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen unterstützt.

Trotzdem nimmt das nordafrikanische Land seit drei Jahren einen Spitzenplatz in den deutschen Rüstungsexportstatistiken ein. Die Vorgängerregierung aus Union und SPD genehmigte für Ägypten alleine im vergangenen Jahr Waffen und andere Rüstungsgüter im Wert von 4,34 Milliarden Euro - so viel wie für kein anderes Land.

Kurz vor dem Regierungswechsel, als die große Koalition nur noch geschäftsführend im Amt war, billigte die Bundesregierung noch Rüstungsexporte für 4,91 Milliarden Euro. Auch hier ging es zum Großteil um Lieferungen an Ägypten, namentlich drei Kriegsschiffe und 16 Luftabwehrsysteme der Rüstungsschmieden Thyssenkrupp Marine Systems und Diehl Defence.

«Die Entscheidung ist bedauerlich und hat auch nichts mit dem Geist des Koalitionsvertrages zu tun», sagte Nouripour dazu. Auf die Frage, ob die SPD als Teil der alten und nun auch der neuen Bundesregierung diese Entscheidung damals mit den Grünen abgesprochen habe, erklärte er: «Nicht, dass ich wüsste.»

Einen ähnlichen Beschluss der Ampel-Regierung hält Nouripour für undenkbar: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass die derzeitige Bundesregierung die Genehmigungen in dieser Form erteilt hätte.» Zudem gehe er davon aus, dass das zwischen SPD, Grünen und FDP verabredete Rüstungsexportkontrollgesetz dazu führe, dass der Regierung solche Entscheidungen künftig erspart blieben.

Die neue Regierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, die Rüstungsexporte mit einem Kontrollgesetz weiter einzuschränken - vor allem die an sogenannte Drittstaaten außerhalb von EU und Nato. Der Anteil der genehmigten Rüstungsexporte für diese Staaten stieg im vergangenen Jahr von 50,1 auf 63,6 Prozent.

Das Gesetz werde die Dinge grundsätzlich ändern, sagte Nouripour: «Wenn die Rüstungsexport-Richtlinien ignoriert werden, hat das keine Konsequenzen. Das wird mit diesem Gesetz anders. Das ist einklagbar.»

Insgesamt genehmigte die Bundesregierung 2021 Rüstungsexporte für 9,35 Milliarden Euro und damit mehr als je zuvor, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag mitgeteilt hatte. In der Rangliste der wichtigsten Empfängerländer kommt nach Ägypten lange Zeit nichts. An Nummer zwei stehen dann die USA mit einem Exportvolumen von 1,01 Milliarden Euro. Dahinter folgen die Niederlande (821 Millionen Euro), Singapur (630 Millionen) und Australien (264 Millionen).

Nouripour gilt gemeinsam mit Ricarda Lang als aussichtsreicher Kandidat für die Wahl der neuen Grünen-Vorsitzenden beim Parteitag Ende Januar.