04.09.2017
Anne-Beatrice Clasmann, dpa

Tödlicher Hitzemarsch: Was soll sich bei der Bundeswehr ändern?

Der Untersuchungsbericht der Bundeswehr zur Causa «Fußmarsch» ist 45 Seiten stark. Doch damit ist der Fall nicht abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch.

Berlin - Nach einem Ausbildungsmarsch mit leichtem Gepäck werden vier Soldaten mit Hitzschlag in Krankenhäuser gebracht. Einer von ihnen stirbt. Ein weiterer Soldat liegt bis heute auf der Intensivstation. Die Bundeswehr hat jetzt Ergebnisse einer internen Untersuchung zu dem tragischen Fall im niedersächsischen Munster veröffentlicht.

«Die Spitzen von Heer und Sanität haben in den vergangenen Wochen enorme Anstrengungen unternommen, das Geschehen umfassend aufzuklären», sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Freitag in Berlin. In dem Bericht zeichne sich «trotz einiger beanstandeter Verhaltensweisen und widrigen Umständen keine klare singuläre Ursache» für den Tod des Soldaten ab. Die Linksfraktion bezweifelte diese Schlussfolgerung jedoch.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Bericht:

Wurden die Soldaten mit dem Marsch schikaniert?

Aus Sicht der Bundeswehr nicht unbedingt. Im Untersuchungsbericht heißt es: «Ob es sich bei diesen Maßnahmen um die Durchsetzung eines Befehls oder eine erzieherische Maßnahme handelt, ist offen. Wäre es eine erzieherische Maßnahme gewesen, wäre sie falsch.»

Was ist geschehen?

Am Morgen des 19. Juli fahren die Offiziersanwärter zu einer Übung «Tarnen und Täuschen». Später stellt der Ausbilder fest, dass 29 Soldaten Teile ihrer Ausrüstung nicht dabei haben. Sie müssen zu der drei Kilometer entfernten Unterkunft marschieren, um sie zu holen. Auf diesem Marsch tragen sie Splitterschutzwesten, Feldjacken, Gefechtshelme, Rucksäcke und ihre Waffen. Die Soldaten trinken Wasser und marschieren in zügigem Tempo los. Zwischendurch müssen sie kurze Strecken «im Laufschritt» hinter sich bringen. Der Soldat, der später stirbt, benutzt ein Asthmaspray. Kurz vor der Unterkunft bricht er zusammen. Die Temperatur liegt bei 23 Grad im Schatten. Ein Notarzt beschließt, den kollabierten Soldaten in ein Krankenhaus zu bringen. Die anderen Offiziersanwärter marschieren wieder los. Ein weiterer Soldat ist auf dem Rückweg «kurzzeitig nicht ansprechbar».

Wie geht es weiter?

Nach einer Mittagspause steht für alle - auch die Soldaten, die am Vormittag zurücklaufen mussten - ein Sechs-Kilometer-Marsch auf dem Programm. Bei der Untersuchung wird später festgestellt, dass die ausgewählte Strecke nur etwa fünf Kilometer lang ist. Es geht los mit Helmen, Waffen, Jacken, aber ohne Splitterschutzwesten und Rucksäcke. Die Temperatur steigt zeitweise auf 28 Grad. Nach 3,4 Kilometern flucht ein Soldat und wird dann bewusstlos. Der Ausbilder ruft einen Notarzt. Dann geht es für die Gruppe weiter. Zwei weitere Soldaten brechen in Sichtweite der Unterkunft, 250 Meter vor Erreichen des Ziels, zusammen.

Müssen die Soldaten mit ihrem Gepäck auch klettern?

Nein. Im Untersuchungsbericht heißt es: «Das Gelände im Übungs- und Marschraum ist leicht wellig, größtenteils bewaldet und von Lichtungen durchzogen.» Teilweise geht es durch Sand, teilweise sind die Wege befestigt.

Sind die Soldaten nicht fit genug?

Generell kann man das sicher nicht sagen. Wer zur Bundeswehr will, muss sportlich sein und einen Fitness-Test absolvieren. Seitdem die Wehrpflicht ausgesetzt ist, hat die Bundeswehr als Arbeitgeber allerdings nicht mehr so viel Auswahl wie früher. Außerdem ist durch neue sicherheitspolitische Herausforderungen der Personalbedarf gestiegen. Der Landesvorsitzende des Bundeswehrverbandes in Süddeutschland, Gerhard Stärk, sagt im SWR: «Es ist natürlich klar, um im Rahmen des dringenden Personalbedarfs für die Bundeswehr - der heißt ja «Trendwende Personal» - den Nachwuchs quantitativ zu bekommen, wird man natürlich auch die eine oder andere Anforderung nach unten schrauben müssen.... Und dass die eine oder andere gesundheitliche Einschränkung dann da ist, ist auch klar.»

Wie geht die Bundeswehr mit dem Vorfall um?

In den vergangenen Wochen sind alle Soldaten, die dabei waren, befragt worden. Trotzdem konnten einige Details nicht zweifelsfrei geklärt werden. Allerdings laufen auch noch die Ermittlungen des Staatsanwalts. Fest steht, dass einige Führungskräfte am 19. Juli in Munster nicht da waren - zum Teil urlaubsbedingt. In Zukunft müsse eine Vertretungsregelung gefunden werden, die eine «durchgehende Dienstaufsicht» gewährleiste, heißt es in den Schlussfolgerungen des Untersuchungsberichts.

Was bedeutet das alles für Ministerin von der Leyen?

Sie hat ihre Betroffenheit über den Todesfall ausgedrückt. Die Fehler, die bei der Ausbildung in Munster gemacht wurden, trüben auch die ohnehin nicht allzu rosige Bilanz ihrer Amtszeit. Da sind vor allem die Probleme im Rüstungsbereich, der Fall des wegen rechtsextremer Ansichten verhafteten Offiziers Franco A. und der Streit um die Zielgenauigkeit des Sturmgewehrs G-36. Von der Leyen hat zwar kürzlich betont, sie wäre auch nach der Bundestagswahl gerne weiter Verteidigungsministerin. In der Truppe gibt es allerdings einige, die sich das nicht unbedingt wünschen. 

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